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...

In der Küche war der Tisch für zwei Personen gedeckt - zwei Teller und Gläser, Besteck, Honig, Marmelade, Waffeln und Orangensaft. Und auf dem Nachttisch im Schlafzimmer lag eine leere Kondomverpackung. Das Bett war ungemacht.

Im Badezimmer standen Eimer und Wäschekörbe mit Wasser. Im Keller stand ein Grill am Fenster und in ihm war verbranntes Material - Holz und Kohle. Es standen Töpfe neben dem Grill, in denen sich teilweise Wasser befand.

In der Küche lagen zwei Romane, die immer noch verpackt waren. Ein Liebesroman und ein Krimi. Ich fand Handwaffen und zwei Rucksäcke, in denen Proviant und Kleidung waren. Ich fand viele Kleidungsstücke in verschiedenen Größen.

Ich fand alles mögliche, außer die beiden Personen, die in meinem Haus gewesen waren. Das Fenster im Gästebadezimmer stand offen und ich würde behaupten, dass jemand aus dem Fenster gestiegen war, denn der Mülleimer stand direkt vor diesem.

Seltsam.

Es wurde nichts geklaut oder zerstört. Das einzige, was fehlte, war mein Hausschlüssel. Niemand wusste, dass mein Ersatzschlüssel unter einem Stein im Garten lag. Niemand außer Eren und Annie. Aber sie war die ganze Zeit über bei mir und meiner Familie in der Hauptstadt gewesen - bei den Evakuierten.

Mein Atem stockte. Eren.

,,Armin. Kennst du einen Levi? Ich habe einen Brief gefunden, in dem Erens Name erwähnt wird. Ein Levi hat ihn verfasst."

Als Annie diese Worte aussprach, wurde meine Befürchtung zur grausamen Realität. Eren musste derjenige gewesen sein, der in meinem Haus gewesen war. Mein bester Freund war hier draußen gewesen und ich hatte ja keine Ahnung gehabt...

Bitte nicht.

Ich nahm den Brief aus Annies Händen und schaute ihn mir an. Er hatte eine Vor- und Rückseite und wurde mit einem Kugelschreiber verfasst. Ich runzelte meine Stirn und setzte mich auf die Couch.

Auf dem Papier waren Flecken. Meine Fingerspitzen berührten die kreisrunden Flecken, die das Papier verdunkelten. Sie waren klein... Jemand hatte geweint und die Schrift war nicht sauber, als hätte jemand beim Schreiben gezittert.

Lieber Eren,

[...] Die Sonne geht jeden Moment auf, ich mache mich in wenigen Minuten auf den Weg.

Ich drehte das Papier um und las die Rückseite des Briefes.

Ich hätte Hanji vor ihrem Tod danken sollen. Sie war diejenige gewesen, die mich in deine Wohnung gezerrt hatte. Ohne sie hätten wir uns niemals kennengelernt.

Bleib bitte hier und warte in diesem Haus auf mich. Ich verspreche dir, dass ich zurückkommen und dann bei dir bleiben werde.

Wir werden uns bald wiedersehen. Ich werde dich in meinen Armen halten und wenn ich nicht bald zu dir zurückkehre, bin ich vermutlich nicht länger am Leben. Aber ich werde mich nicht einfach geschlagen geben, du weißt, dass ich stark bin.

Mach dir keine Sorgen um mich und pass auf dich auf. Das war keine leichte Entscheidung, musst du wissen. Ich habe Angst, dich hier zu lassen. Ich habe Angst, dich nie wieder zu sehen. Und am liebsten will ich deine Hand, die ich halte, nicht loslassen, Eren.

Aber ich kann nicht in Frieden leben, wenn ich Angst haben muss, dass die einzige Person, die mir noch etwas bedeutet, wegen mir in Gefahr sein könnte. Wenn ich sichergestellt habe, dass Reiner tot ist, komme ich wieder. Ich verspreche es dir.

In Liebe
Dein Levi

Wer war Levi?

Und wo war Eren? Wer war Reiner... warum sollte er sterben?

Was zum...

,,Vielleicht hat er das Haus verlassen, um ihn zu suchen", sagte Annie. Sie setzte sich neben mich auf die Couch und legte eine Hand auf meinen Rücken. Ihre blonden Haare fielen ihr ins Gesicht und ihr Zopf löste sich langsam. ,,Dann hätte er die Waffen doch mitgenommen..."

Waffen. Woher hatte Eren die? Viel wichtiger war die Frage, warum er hier draußen gewesen war und nicht bei den Evakuierten in der Hauptstadt. War das Militär nicht in Shiganshina eingetroffen? Wurden die Menschen dort nicht evakuiert?

Ich hatte Eren gesagt, dass wir nach Mitras gebracht werden würden. Hatte er versucht, die Hauptstadt zu erreichen? War er deshalb hier nach Trost gekommen?

Er musste sehr viele Menschen sterben sehen haben.

,,Wir müssen sofort zur Polizei und ihn als vermisst melden!", sagte ich und erhob mich von der Couch. Annie hielt mich an meinem Arm zurück. Aber nicht, weil ich nicht gehen sollte sondern weil ich erstmal tief durchatmen und meine Gedanken sortieren musste.

,,Eren ist fast zwei Monate hier draußen gewesen. Levi muss jemand sein, den er in diesem Chaos kennengelernt hat", schlussfolgerte ich. Sonst hätte Eren mir vom ihm erzählt. Aber was, wenn dieser Levi ihm etwas angetan hatte? Scheiße... Hatte er sich tatsächlich in jemanden verliebt? Eren?

Annie erhob sich von der Couch und drückte mich an meinen Schultern zurück auf diese. Sie sah mich an, blickte mir in die Augen und sagte, dass alles gut werden würde.

Ich berührte ihre Hand und beruhigte mich tatsächlich ein wenig.

,,Es sind unzählige Menschen verstorben, es wird eine Weile dauern, bis sie alle Personen identifiziert haben - Falls sie das denn können. Ich werde uns morgen zur Polizeidienststelle fahren", sagte Annie, woraufhin ich nickte.

,,Und wir werden ihnen die Kleidung und die Waffen aushändigen und ihnen sagen, dass wir glauben, dass sie unter anderem einen Freund gehören, der Zuflucht in deiner Wohnung gesucht hat, um sich vor den Monstern zu verstecken", setzte meine Freundin noch an.

,,Einverstanden?"

Ich nickte und gab ihr einen Kuss. Annie lächelte und während sie vor mir stand, richtete ich ihren Zopf. Ihre Haare waren vorne stufig, deshalb fielen sie ihr oft aus dem Zopf, aber das machte nichts.

[...]

Am nächsten Tag, nachdem wir uns halbwegs wieder eingelebt und gefrühstückt hatten, machten wir uns auf den Weg zur Polizeidienststelle. Annie fuhr das Auto, während ich meine Gedanken sortierte.

Ich sah sie an, lächelte dann. Sie trug eine meiner Jacken, weil sie größer war als ihre eigene.

,,Bald sollte ich das Autofahren übernehmen. Dann kannst du es dir auf dem Beifahrersitz bequem machen", sagte ich. ,,Ich denke, dass dieses Bald erst in drei Monaten sein wird", erwiderte sie.

Ich freute mich sehr.

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Monster [Ereri/Riren]Where stories live. Discover now