Kapitel 2

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Er war dem Wahnsinn nahe wie niemals sonst in seinem langen Leben. Der Lykaner in ihm war kaum zu bändigen, jetzt nachdem er seine Erasthai, seine Seelengefährtin, sicher in sein Blockhaus mitten in den schier unendlichen Wäldern der russischen Taiga gebracht hatte. Jede einzelne Sekunde kämpfte er darum, die Kontrolle über dieses Wesen, seine zweite Hälfte, zu behalten. Als Lykaner wollte er die junge Frau markieren, so dringend, dass es seine gesamte Konzentration und Selbstbeherrschung benötigte sich zurückzuhalten. Nach über 300 Jahren alleine war er sich so sicher, niemals seine wahre Liebe zu finden, dass es Aris völlig eiskalt erwischt hatte, als sie in ihn hinein gelaufen war. Und jetzt lag sie hier, in seinem schmalen Bett.

Mehr Pritsche, als komfortable Ruhestätte, hatte er sie hingelegt, nachdem er sie einschlafen ließ und sie das Motorrad zurückließen, um etwaige Verfolger endgültig abzuschütteln. Sie war ein Mensch und daher kaum vertraut mit seinesgleichen. Er hielt es für besser, sie nicht sehen zu lassen, wie er sie auf den Armen kilometerweit durch die Wälder getragen hatte, zu Fuß genauso schnell wie mit der Maschine. Wäre er alleine gewesen, hätte er es gar nicht erst benötigt, so ging es nicht anders, um keinen weiteren Verdacht zu erregen.

Leise trat er an die Schlafende heran und strich ihr zärtlich eine Strähne ihrer wilden braunen Lockenmähne aus dem betörenden Antlitz. Sie war perfekt, wie für ihn geschaffen. Ein freundliches, offenes Gesicht, schwungvolle, verheißungsvolle Lippen, die ihn vor dem Geschäft von Sergei schon um den Verstand gebracht hatten. Als er sie vorsichtig entkleidete, erlitt er die süßeste Folter, die man sich nur vorstellen konnte. Es fiel ihm schwer wie nie etwas in seinem Leben, dieser cremeweißen, weichen Haut zu widerstehen. Für sein Seelenheil wäre es besser gewesen, sie einfach schlafen zu lassen, jedoch schlief sie so unruhig und wirkte so erhitzt, dass er nicht tatenlos bleiben konnte. In der Hoffnung, ihr damit Erleichterung zu verschaffen, hatte er alle Kleidung entfernt bis auf die Unterwäsche. Diese zu entfernen, hätte sein ohnehin knappes Nervenkostüm, was diese Frau betraf, vollends zerrissen. Es war ihm schwer genug gefallen, sich auf das eigentliche Vorhaben zu konzentrieren. Immer wieder erwischte er sich dabei, wie er mit seinen Fingern über ihre exquisite Haut gestreichelt hatte, die Weichheit genoss und ihre Kurven bewunderte. Oh ja, von diesen hatte sie mehr als genug, um ihn und jeden anderen Mann, in den Wahnsinn zu treiben. Für ihn war sie eine fleischgewordene Göttin und er konnte kaum fassen, dass sie für ihn bestimmt sein sollte.

Um sich von ihr abzulenken und zumindest etwas Selbstbeherrschung zurückzuerhalten, machte er sich auf den Weg zu Sergej. Er musste ihm das Motorrad wieder bringen und um sicherzugehen, dass diesem nicht passiert war und alle Beweise des Überfalls von dem alten Mann vernichtet worden waren. Seine Erasthai würde so lange schlafen, bis er zurück war, dafür hatte er gesorgt.

Als er alles erledigt hatte, setzte er sich zu der jungen Frau auf die Bettkante. Er hätte ihr Stunden beim Schlafen zuschauen können, aber er hatte ihr ein Versprechen gegeben. Sie mussten miteinander reden. Er wollte ihr erklären, was er war und sie für ihn. Zum anderen hatte er einen Auftrag zu erfüllen. Sie mussten eine Lösung finden, wie er diesen beenden konnte ohne seine Erasthai, gebunden oder nicht, in Gefahr zu bringen. Diese schießwütigen Typen bei Sergejs Laden waren nur die Spitze des Eisbergs und sie hatten ihre Begleitung, welche im Pick-up zurückgeblieben war, mitgenommen. Als er das bemerkt hatte, waren sie schon ein Stück weg und er hatte sich gegen eine Verfolgung und für die Sicherheit seiner Seelengefährtin entschieden. Er wusste nicht, warum sie die andere Frau entführt hatten. Doch er würde es herausfinden. Vielleicht kannte die Schönheit in seinem Bett den Grund. So war es ein weiterer Punkt auf der Liste der Dinge.

Schwer seufzend streichelte er ihr Gesicht, um ihr dann den mentalen Befehl zum Aufwachen zu erteilen. Diese seltene Fähigkeit hatte durchaus ihre Vorzüge, allerdings musste er sehr nahe an jemanden heran, damit er die Person einschläfern konnte. In den meisten Fällen bevorzugte er es, auf Entfernung zu eliminieren, sollte es notwendig sein.

Aris - Der LykanerWhere stories live. Discover now