Kapitel 10

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"Du verfluchter Mistkerl!", brüllte Aris voller Wut, und packte den antiken Schreibtisch, welcher mit einem ohrenbetäubenden Krachen an die gegenüberliegende Wand knallte. Das Ding tat ihm leider nicht den gefallen, in tausend Splitter zu zerbrechen, sondern ächzte nur lautstark. Dämliches Massivholz.

"Du weißt genau wie sehr ich meine Familie hasse und wagst es mich zu erpressen?"

Caspian lehnte an einer antiken Kommode, die Hüfte am Holz und die Beine elegant übereinandergestellt. Sein wütendes Gegenüber scheinbar ignorierend, trank er in aller Ruhe aus seinem Kristallglas, welche er kurz zuvor mit edlem Whisky befüllt hatte, der in ebenfalls kristallenen Karaffen dort stand.

"Du allein sprichst von Erpressung. Ich biete dir lediglich eine Entschädigung, wenn du diese Unannehmlichkeit auf dich nimmst."

"Mich mit dem Anwesen meiner Goßelten zu locken ist schäbig. Selbst für dich! Es wurde vor langem zerstört...", starrte er seinen König zornerfüllt an.

Wie konnte Caspian es nur wagen! Seine Großeltern waren das Beste in seinem Leben gewesen. Als Erasthais verbunden, beide Lykaner, sah Aris immer ihre Liebe und Hingabe zueinander, bei den seltenen Gelegenheiten ihrer Besuche als er ein kleiner Junge war.

Er konnte sich noch gut an die einmaligen Ferien erinnern, die er bei ihnen verbringen durfte. Danach hatte es sein Vater nie wieder erlaubt, doch den Heranwachsenden hatte es für sein restliches Leben verändert. Seitdem hatte er den Entschluss gefasst, nur mit seiner Seelengefährtin verbunden zu werden und nicht wie seine Eltern, durch eine arrangierte Partnerschaft, ein sogenanntes Mating.

Sein Vater hatte eine Frau zur Gefährtin genommen, die nicht seine Erasthai war und dafür mehr Macht und Reichtum gewonnen. Aris hatte nie verstehen können, warum dieser die Chance auf eine wahre Liebe so leicht hatte wegwerfen können. Vor allem da seine Großeltern so voller einander zugewandt waren.

Er hatte so oft davon geträumt, in ihr Anwesen ziehen zu können, doch es wurde im Zweiten Weltkrieg in Deutschland völlig zerstört. Ein Verlust, den er noch immer nicht verkraftet hatte. Und Caspian wagte es mit seinen Gefühlen zu spielen!

"Ich weiß das es zerbombt wurde", bestätigte der König mit einem Nicken in Aris Richtung. "Doch ich habe es wieder aufbauen lassen, nachdem der Krieg vorüber war. Dein Vater konnte das Grundstück und die Ruine gar nicht schnell genug loswerden, als ich mit dem Angebot an ihn herangetreten bin."

"Was?" Aris musste sich verhört haben, das konnte nicht Caspians Ernst sein.

"Du hast richtig gehört. Stein für Stein und absolut originalgetreu habe ich es wieder auferstehen lassen", stellte der lykanische Herrscher das Glas auf die Anrichte und griff nach einer Mappe, die gleich daneben lag. Diese war Aris bisher gar nicht aufgefallen.

"Hier drin sind sämtliche Dokumente, von mir unterzeichnet, welche dich als neuen Besitzer des Anwesens in Deutschlands beglaubigen. Alles was du dafür tun mußt ist lediglich eine Unterschrift unter die Adelsdokumente zu setzen um dein rechtmäßiges Erbe anzutreten."

Er wedelte mit der Mappe wie eine Trophäe und Aris durchwallte unbändige Wut. Er brüllte seine Rage laut hinaus. Er konnte sich kaum zurückhalten. Am liebsten wäre er seinem Gegenüber an die Kehle gegangen!

Aber Caspian war sein König und sein einziger Freund. Also ballte er sein Klauen zu festen Fäusten, und der Schmerz und das Blut, welches dadurch durch aus seinen Händen floss, halfen, den Rotschleier vor seinen Augen etwas zurückzudrängen. Mit verzerrter Stimme presste er mühsam davor:

"Du befreitest mich vor Jahrhunderten von meinen Fesseln, nur um mir wieder Neue anzulegen? Was für ein Freund bist du eigentlich?"

Der König seufzte nur und ging auf Aris zu. "Das sind keine Fesseln, das ist die Freiheit siehst du das nicht?"

Aris - Der LykanerWhere stories live. Discover now