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Frühling 2021

POV Johannes

Seit Wochen verschloss sich Jasmin mehr und mehr. In meinen Augen funktionierte sie nur noch, sodass ich tatenlos das Ganze nicht mehr mit ansehen konnte. Das hatte und musste ich die letzten 1,5 Jahre schon tun und letztlich war ein Punkt gekommen, an dem mich selbst Ina nicht mehr aufhalten konnte. Mir war es mittlerweile egal, ob ich damit einen weiteren Streit vom Zaun brach. Es war eh der Wurm seit Monaten bei uns drin. Und immer wieder war der Auslöser irgendwie Jasmin. Ina verstand oder wollte es nicht verstehen, das ich mir inzwischen mehr als nur Sorgen machte, obwohl sie selbst Jasmin noch an Silvester gesehen hatte. Sie war nur noch ein Schatten ihrer selbst. Tiefe Augenringe zierten ihr zartes Gesicht. Das der ganze Stress nicht nur Spuren in ihr sondern auch an ihr hinterlassen hatten, konnte selbst ein blinder mit Krückstock erkennen. Es war mittlerweile schlimmer, als noch zur Zeit in der Beziehung mit Markus. Der Stress frass Jasmin auf. Natürlich lehnte sie jegliches Angebot von Hilfe vehement ab, anders kannte man es ja auch nicht von ihr... und Paddy konnte auch nicht helfen... dafür hatte Markus gesorgt... aber ich konnte es... und so saß ich spontan nun in meinem Wagen... auf dem Weg zum Niederrhein... im xten Stau, denn es war Beginn der Osterferien...

„Hannes?!", total verschlafen, naja eher gesagt übernächtigt machte mir Jasmin kurz nach Mitternacht die Tür auf, ließ sie dann einfach offen stehen und trottete ins Wohnzimmer zurück. Ich verschloss die Tür, stellte meine Reisetasche einfach im Flur ab, und folgte ihr.
„Du siehst Scheisse aus Kleine!", stellte ich fest und sah sie prüfend an. Sie hingegen sagte nichts, zuckte nur mit den Schultern, griff nach der Decke und zappte unbeeindruckt durchs TV Programm. Kurz beobachtete ich sie. Sie sah nicht nur scheisse aus, sie sah aus wie der lebende Tod. „Warum bist du eigentlich hier?!" „Wegen dir?!" „Warum? Mit mir ist nichts anzufangen!" „Dann ändern wir das jetzt!" „Hannes... ich bin müde..." „Ich mein ja auch nicht jetzt... sondern die nächsten Tage!" „Sei mir nicht böse... aber..." „Doch aber! Keine Widerrede! Du brauchst ganz dringend einen Tapetenwechsel!" „Ahja... sagt wer?!" „Ich sage das!" „Und was hast du vor?" „Lass dich überraschen! Erstmal machst du die Flimmerkiste jetzt aus! Dann gehst du ganz brav ins Bett und morgen erfährst du mehr. Ist doch ok, wenn ich's Sofa nehm, ja?!" „Ähm... dann müssen wir uns das Sofa teilen..." „Was ist mit deinem Schlafzimmer?!" „Frag lieber nicht!" „Tue ich aber!" „ Büro!" „Häh?!" „Homeoffice?!" „Seit wann?" „Seit der 50:50 Regelung... kein Unterhalt mehr, kein Unterhaltsvorschuss mehr, halbes Kindergeld... irgendwie muss ich das ja finanziell auffangen. Aber ich muss ja auch für die Kinder da sein... also arbeite ich jetzt wieder Vollzeit... vormittags in der Kanzlei und nachmittags daheim..." „Kein Wunder wie du dann aussiehst! Das ist doch viel zu viel! Warum hast du denn nichts gesagt? Wir haben dir doch alle finanzielle Unterstützung angeboten! Paddy doch auch!" „Ja! Aber ich will das nicht, und das weißt du! Ich schaff das schon! Ich hab ja jetzt auch eine Woche Urlaub. Die Kinder sind mit Markus in Spanien... da hab ich auch Zeit um mich zu erholen..." „Und das wirst du auch.... Na gut... also ist das für dich ok, mit dem Sofa, oder soll ich in eins der Kinderzimmer?" „So ein Quatsch... ich Hof dir eben Bettzeug..." „Und ich verschwinde kurz ins Bad..."

Es hatte zwar einiges an Überzeugung am folgenden Morgen gekostet, das Jasmin nun letztlich meinem Vorschlag zustimmte, aber letztlich  saß sie nun auf meinem Beifahrersitz neben mir auf dem Weg ans die Holländische Küste um ein paar Tage auszuspannen.  Wir waren nicht ganz los gefahren, da war sie bereits wieder eingeschlafen. Ich schielte während ich fuhr immer mal wieder zu ihr rüber und es berührte mich, das sie so friedlich endlich schlief, wo es nachts zuvor erst das Gegenteil war bis... mir huschte ein unweigerlich ein Lächeln auf die Lippen, als ich daran zurückdachte...
Zunächst fand Jasmin kaum in den Schlaf. Wälzte sich neben mir nur hin und her, sodass ich auch nicht einschlafen konnte, bis ich gar nicht erst lange überlegte, etwas an sie ran rutschte und sie zu mir in meine Arme zog. Kurz merkte ich ihre Anspannung, aber dann drehte sie mich zu mir und kuschelte sich regelrecht an mich heran, das ich sie noch näher an mich zog und feste in meine Arme schloss. Es dauerte dann auch nicht lange, bis ich ihre flache, ruhige und gleichmäßige Atmung vernahm und sie endlich eingeschlafen war. Heute Morgen fand ich Jasmin dann noch genauso schlafend an mich gekuschelt in meinen Armen wieder, als ich aufwachte. Nur ungern löste ich mich von ihr, stand auf und machte uns einen Kaffee. Viel lieber wäre ich so mit ihr liegen geblieben, in dem Wissen, das sie endlich mal entspannte... nur ebenso hatte ich auch etwas Sorge, das sie es vielleicht verstörte, das wir beide... und dann so nah... und wegen Ina... wobei mir das in dem Moment egal war, aber ich wusste, Jasmin wäre es nicht...

„Kleine... wach werden... wir sind da...", sanft streichelte ich über Jasmins Wange um sie nicht zu unsanft zu wecken. „Hmm...", murmelte sie nur und schon wieder entlockte mir ihr sanfter schlafender Anblick ein Lächeln und bestärkte mich darin, das es richtig war, sie einfach mitgenommen zu haben. „Na komm... los Augen auf..." „Hm..." „Ich kitzel dich...", neckte ich sie und endlich machte sie Ihre Augen auf.

Mit großen aufgerissen Augen sah sie sich um. „Und? Gefällst dir hier?" „Wow! Das Haus... das Meer... wow... und... die anderen?" „Die sind schon am Strand, beziehungsweise in den anderen Häusern neben an. Ich hoffe das ist ok, wenn wir uns dieses Haus teilen?!" „Danke...", sagte sie nur kaum hörbar und umarmte mich kurz, was ich nur zu gern erwidern konnte, und es mir schon fast leid tat, als sie sich nach meinem Geschmack viel zu schnell von mir löste.
„Sollen wir direkt zum Strand oder erstmal auspacken?", fragte sie und strahlte mich richtig an. „Alles was du willst?!" „Dann hol deine Strandsachen alter Mann! Ich will ans mehr!" „Alles was du willst Kleene!"

Herzmenschen  Where stories live. Discover now