#1Kapitel

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Mein Leben gilt offiziel für tot. Alles was mir wichtig war, hab ich verloren weil ich nicht aufgepasst habe. Menschen die mir wichtig waren,verschwanden vom einen Moment auf den anderen einfach so als hätten sie nie existiert. Vor wenigen Tagen hatte ich noch ein Fünckchen Hoffnung, dass mein Leben doch noch eine gute Wendung nehmen wird. Dass alles besser wird und ich ein normales Leben führen könnte. Doch mit einem Menschen der verschwand, zerplatzte dieses Fünckchen von Hoffnung, wie eine kleine Seifenblase, vor meinen Augen.

Ich war innerlich zerstört.

Ich versuchte meine Gefühle so gut es ging von Außen vor Menschen zu verstecken aber in mir drinnen war ich so zerbrechlich wie Glas. Ich wollte nicht zerbrechlich wirken. Nicht wie die gewöhnlichen Menschen. Denn wenn ich von Innen schon zerstört war, möchte ich das von Außen nicht auch noch wirken.

Denn alles was ich von den Menschen auf keinen Fall erwarte und auch nicht möchte , ist Mitleid das sowieso nie echt war.

Ja, meine Vorstellungen von anderen Personen waren gerade nicht feinfühlig, doch man konnte es mir in meiner derzeitigen Situation wohl schlecht verübeln. Ich habe etwas durchlebt was nicht jeder in seinem Leben durchmachen muss. Etwas das schlimmer als alles andere sein konnte.

Ich hab einen Menschen verloren der mir nahe stand. Den ich liebte wie meinen eigenen Bruder.

Alles in meinem Kopf drehte sich. Ich fragte mich was passiert wäre, wenn ich und nicht er gestorben wäre. Wenn ich in dieses Gebiet getreten wäre und nicht er.

Wenn er jetzt bei seiner Freundin zu Hause wäre und ich tief unter der Erde, in einen hölzernen Sarg.

Wahrscheinlich wäre alles besser so.

Er hinterlässt zwei trauernde Menschen und einer davon muss mit seinen Problemen allein durch kommen.

Manchmal gibt es Momente in denen ich mir meine altes Leben zurück wünsche. Wo ich noch ein 17 jähriger Junge bin der sich gelegentlich auf Partys besaufte und hier und da mal ein Mädel abschleppte.

Ein unbeschwertes Leben. Als Teenager denkt man sich oft, dass man gern ein anderes Leben hätte weil das eigene doch so kompliziert sei, doch wenn man dann die Chance hat ein anderes Leben zu führen, dann möchte man am liebsten alles wieder rückgängig machen.

Ja, das Leben kann schwer sein aber trotz all dem gibt es im Leben immer wieder kleine Lichtblicke, die dir das Leben versüßen. So wie eine Kirsche auf einem Häufchen Sahne. Doch eines Tages ist diese Kirsche weg und man hat nur noch dieses kleine Häufchen Sahne. Und ganz erlich, man möchte nicht nur die Sahne, man möchte auch die Kirsche. Doch wenn es das Leben so will, dass man nichts mehr hat, das dir den Spaß am Leben zeigt, dann soll es so sein.

Denn wen man logisch denkt hat das Leben keinen Sinn ohne Liebe und den ganzen Kram an Gefühlen. Auch wenn man sagt man ist tapfer, obwohl man gerade seinen Sinn am Leben verloren hat, ist man in Wirklichkeit ein wandelndes Wrack das für sich alleine ist und vor all den Menschen seine Trauer und die Tränen versteckt, nur um stark zu wirken.

Alle Menschen sind sozusagen mit einer Mauer umfasst, denn keiner gibt seine Gefühle und Gedanken der ganzen Welt preis, denn dazu sind sie uns zu peinlich oder man möchte es einfach nicht.

Und genauso geht es mir. Ich versuche meine Gefühle vor anderen Menschen hinter einer meter hohen Mauer zu verstecken, weil ich nicht den Nerv habe mir ihr falsches Mitleid anzuhören.

Meine Gedanken waren noch nie die schönsten, doch trotz all dem habe ich recht. Die meisten Menschen spielen einem immer nur etwas von wegen Mitleid vor und es gab nur wenige Menschen die es wirklich gut mit mir meinten.

Mein Blick war auf die Regentropfen gerichtet die wie in Zeitlupe, das dreckige Fenster hinunter flossen. Der Regen war stark und peitschte wie wild gegen die Fenster. Die Männer im Bus unterhielten sich über den erfolgreichen Einsatz für den wir einige Monate auf dem Schlachtfeld verbracht hatten. Wie bei jeden Einsatz starben einige Männer im Kampf und es wird in wenigen Tagen eine Gedenkgottesfeier geben. Ich hätte mir nie gedacht das mich der Tot eines Menschen so mitnehmen würde, doch trotz all den Jahren die ich so kalt gelebt hatte, hatte ich auch gelernt zu lieben.

Ich hatte einen besten Freund kennengelernt,der mit mir durch Dick und Dünn ging.

Doch nun wurde er mir weggenommen und ich versank wieder in meinem eigenen Mitleid. Alles was ich mir in den letzten Jahren aufgebaut hatte, wurde zertrampelt und weggeschmissen und das Schlimmste daran war, es war all das, was ich noch zu schätzen wusste.

Alle meine Gedanken kreisten immer wieder um meinen besten Freund, dessen Tod mir noch so unwirklich vorkam. Doch trotzdem nahm ich ihn wahr, wie noch nie etwas anderes. Ein endlos wirkender Schmerz hatte sich in mir zusammengesetzt, wie ein Klumpen an Schmutz.

Alles was ich bisher erlebt hatte, war nichts in Gegensatz zu diesem Ereignis.

Man sollte meinen, das Einiges in meinem Leben schlimmer für mich gewesen sei, doch all die Schmerzen meiner Zeit hatten sich nun zusammengesetzt und waren größer als sie je sein könnten. Es fühlte sich als hätten sich meine Gefühle gegen mich verbündet.

Der Schmerz ähnelte einer narkosefreien Operation. Als würden deine Organe aus dir heraus gerissen und wieder ohne Narkose hineingelegt werden. Man kann sich nicht mehr orientieren, man fühlt nur noch den endlosen Schmerz der sich langsam wie Efeu in einem einnistet.

Einfach...endlos.

Broken SoldierWhere stories live. Discover now