KAPITEL 10 | Entwirrung

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ZALEA

Rowan lacht herzlich, während ich die Tätowierung an seinem Kehlkopf mustere. Gott, er sieht aus wie Caius. Jede Tätowierung ist eine perfekte Kopie. Trotzdem ist er offenbar ein anderer Mensch.

Mein Hirn sucht fieberhaft nach einer logischen Erklärung. Rowan trägt ein lockeres weißes Shirt und dunkelblaue Jeans, die grandios auf seinen Hüften sitzen. Er wirkt lässig. Caius hingegen ist ein dunkler Geschäftsmann. Mir fällt ein Grübchen auf seiner Wange auf und ich versuche, mich zu erinnern, ob Caius ein Grübchen hatte.

In der letzten Nacht habe ich mit einem Mann geschlafen, der genauso ausgesehen hat. Teuflisch guter Sex.

Heute Morgen ist Caius weg gewesen. Bei einem One-Night-Stand nicht verwunderlich, trotzdem war ich für einen Augenblick enttäuscht. Holt habe ich gesagt, dass ich in der falschen Bar gewesen bin. Er hat mir erzählt, dass Rowan mit einer Frau geflirtet hat, die er für mich gehalten hat. Heute Morgen habe ich die unzähligen Nachrichten mit Anweisungen gesehen, was ich tun und wie ich mit Rowan umgehen soll.

»Ich habe zwar vier Geschwister, allerdings keinen Zwillingsbruder. Was veranlasst dich zu dieser Frage?« Ich schlucke bei seinen Worten. Gott, wie soll ich das nur erklären? Habe ich mir diesen Caius herbeifantasiert? Gibt es den Mann überhaupt?

»Entschuldige. Vergiss es einfach. Vier Geschwister? Wow, das müssen ein Haufen Weihnachtsgeschenke sein«, scherze ich. Rowan verzieht die Stirn und legt den Kopf leicht schief, während er mich mustert. Der Ausdruck in seinen Augen sorgt für ein Kribbeln in meinem Bauch.

»Meine Familie feiert kein Weihnachten«, gibt er gelassen zurück. Sein Arm rutscht auf den Tisch und er dreht sich in meine Richtung. Seine Knie berühren mein Bein, seine andere Hand findet Platz auf der Lehne meines Stuhls. Die Sonne strahlt durch die Fensterfront und erleuchtet sein Gesicht. Ich kann spüren, wie seine Finger mit der Schleife an meinem Rücken spielen. »Zalea, was denkst du, wer ich bin?«

Blinzelnd rutscht mein Blick auf seinen Mund. Gott, seine Lippen sehen exakt wie die von Caius aus. »Du bist Rowan. Ein Freund von Holt, der mir die Stadt zeigen wird«, antworte ich möglichst lässig. Rowan atmet tief durch und stützt seine Schläfe gegen die Knöchel seiner Hand. Ein schiefes Grinsen hebt seinen Mundwinkel. Er lässt mich nicht aus den Augen, während mir der Blickkontakt äußerst schwerfällt.

»Mein Name ist Caius Rowan Nevan und wir haben vor einigen Stunden in deinem Hotelzimmer gevögelt«, sagt er. Ein Keuchen überrollt meine Lippen. Mist. Verfluchter Bockmist. »Dachtest du wirklich, dass ich einen Zwillingsbruder habe?« Das Schmunzeln auf seinen Lippen lässt meine Hände zittrig werden. Plötzlich löst sich die Schleife in meinem Rücken und Caius schiebt zwei Finger unter den grünen Stoff.

»Woher hätte ich denn bitte wissen sollen, dass Holt dich mit deinem Zweitnamen anspricht?«, zische ich und rutsche ein Stück von ihm ab. Die warmen Finger verschwinden und ich binde hastig die Schleife neu. Schon jetzt vermisse ich seine Berührung.

»Nun«, beginnt er und seufzt. »Es wäre wirklich schräg, wenn ich einen Zwilling hätte und er sich jede Tätowierung auf meiner Haut ebenfalls stechen lassen würde, nicht wahr?«

»Zwillinge sind schräg«, antworte ich und wende den Blick ab. Holt ist nicht auffindbar. Wo steckt dieser Mistkerl? Immerhin hat er mir den richtigen Namen von dem Mann verschwiegen, um den ich mich kümmern soll. Noch dazu wirkt Caius absolut nicht, wie der Mann, den Holt mir als Rowan beschrieben hat.

»Da muss ich dir recht geben, aber du kannst aufhören, wirre Thesen aufzustellen und mir die Wahrheit sagen. Warum bist du wirklich in Denver und warum kennst du Holt? Ich kaufe dir nicht ab, dass ihr euch zufällig begegnet seid. Holt trifft sich niemals mit einer Frau zum Frühstücken, wenn er sie nicht flachlegen will. Und wenn er dich bereits gefickt hat, würde ich gerne wissen, was du mit ihm gemacht hast, damit er sich mit dir zum Brunchen trifft«, murrt er angesäuert. Panik meldet sich in meinem Bauch. Holt hat mich dazu angewiesen ihm nichts von meinem Job zu erzählen, weil er sonst zurück in sein Schneckenhaus verschwindet.

»Bedauerlich, dass du vermutest, ich wäre eine Lügnerin oder würde mit jedem attraktiven Kerl ins Bett gehen«, antworte ich zynisch.

»Wir hatten letzte Nacht viermal Sex, Zalea, hör auf mit dem Schwachsinn.« Seine Augen färben sich dunkel und ich muss schlucken. »Was für eine Verbindung gibt es zwischen dir und Holt?«

Schritte hinter Caius lassen mich den Blick heben. Holt steckt grinsend das Telefon in seine Tasche und wackelt mit den Brauen. Caius folgt meinem Blick und wirft mir noch einen prüfenden Blick zu, ehe er sich wieder nach vorne gewandt hinsetzt. Tief atme ich durch, versuche, mein wild klopfendes Herz zu beruhigen. Das ist keine gute Entwicklung.

»Wie ich sehe, versteht ihr euch prächtig«, freut Holt sich und plumpst wieder auf seinen Stuhl. »Plant ihr schon einen Ausflug?« Jetzt bekommt Holt den finsteren Blick von seinem besten Freund ab.

»Was soll die Scheiße, Holt? Was hast du vor?«, pfeffert Caius ihm entgegen. Bevor ich den Mund öffnen kann, legt Caius seine Hand auf mein Knie und drückt leicht zu. Ein stummer Befehl jetzt besser die Klappe zu halten. In meinem Inneren empfiehlt mir die leise Stimme, mich daranzuhalten. Ich unterdrücke ein Keuchen, als Caius' Hand geschickt unter den Rock meines Kleides huscht. Zielsicher machen seine Finger sich auf den Weg zu meiner Mitte. Ich will die Beine überschlagen, woraufhin er sanft in meine Schenkelinnenseite kneift.

»Du kennst meinen Plan bereits. Zalea ist ein Teil davon«, informiert Holt ihn gelassen.

»Verarschst du mich?«, fährt Caius ihn an. In Windeseile verschwindet seine Hand unter meinem Kleid und er ballt die Hand auf dem Tisch zur Faust. Schluckend beobachte ich die Szene. Holt und Caius starren sich wütend an. Während der Gesichtsausdruck mir bei Caius Angst einjagt, sieht Holt ihn gänzlich unbeeindruckt an.

»Nein.« Seine Antwort unterstreicht er mit einem Schulterzucken. »Du musst aus deiner zwanghaften Arbeitshaltung raus, Rowan. Ich habe dir bereits gesagt, dass dein Verhalten nicht gesund ist, und deshalb ist Zalea hier. Sie holt dich aus deinem Trott.« Holts Erklärung veranlasst Caius zu einem wütenden Blick in meine Richtung. »Zeig dem Mädchen die Stadt und schalte ein bisschen ab. Dann wird deine Familie sich entspannen und du kannst dich auf die wichtigen Dinge im Leben konzentrieren«, redet Holt weiter.

»Was sind deiner Ansicht nach die wichtigen Dinge? Eine fucking Ehe und achtzehn Kinder?« Der dunkle Ton seiner Stimme macht mir Angst.

»Nicht unbedingt achtzehn Kinder, aber den Grundgedanken hast du richtig verstanden«, gibt Holt gelangweilt zurück. Offenbar ist es nicht das erste Mal, dass Caius auf diese Weise mit ihm spricht. Langsam flackert der Charakter durch, den Holt mir beschrieben hat.

»Bezahlst du sie?«, feuert Caius und deutet in meine Richtung. Schluckend senke ich den Blick auf die Schale mit meinem Obst und weiche dem Blick von Holt aus.

»Sie ist keine Hure oder Escort, wenn du darauf anspielst.« Seine vage Antwort verrät zwar nicht, ob er Geld für mich bezahlt, trotzdem scheinen die Worte Caius zu entspannen. »Wie bereits gesagt, haben wir uns in Phoenix kennengelernt. Ich dachte, es ist eine gute Chance für euch beide, wenn sie hier ist und du ihr die Stadt zeigst, sobald ihr beide Freizeit habt. Immerhin bist du hier aufgewachsen und kennst die wirklich guten Ecken.«

Erneut trifft mich der forschende Blick von Caius, wobei seine Stirn derart tiefe Falten aufweist, dass in meinem Magen kein Platz mehr für Essen ist. Wortlos mustert er mich, ehe er den Kopf schüttelt und sich hochstemmt. Holt beobachtet ihn gelassen. Caius' Hand streift über den Rückenausschnitt meines Kleides, dann geht er zurück zur Theke. Er nimmt eine Tüte mit Essen entgegen und verlässt, ohne einen Blick zurück, das Lokal.

Die Sonne strahlt ihn an, während er zu einem Motorrad geht, sich auf den Sattel schwingt und den Helm über seinen Kopf zieht. Angespannt schlucke ich. Der Motor dröhnt und ich zucke zusammen. Caius braust auf die Straße, wendet an einer Kreuzung und schießt in die andere Richtung davon.

»Das ist nicht gut gelaufen«, seufzt Holt. Fassungslos reiße ich den Kopf zu ihm herum, woraufhin er mir ein kühles Lächeln schenkt. »Bekommen wir hin, versprochen.« Bei seinem Grinsen wird mir flau im Magen und ich schiebe die Obstschale von mir. Mir ist schlecht und ich habe Panik. Panik vor den nächsten Tagen und Wochen in der fremden Stadt.

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