27. Dezember 1920 - Cecily

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Mary hatte mich von ihrem Chauffeur abholen lassen, der mürrisch dreinblickend, das Fahrzeug zu dem Anwesen ihrer Eltern lenkte. Ich war froh, heute etwas Zeit mit einer Verbündeten verbringen zu können. Mary war ein Jahr jünger, und ebenfalls seit ihrer Geburt versprochen. Sie hatte jedoch etwas mehr Pech, wie ich. Auf sie wartete ein in die Jahre gekommener Lord, der nächstes Jahr fünfzig würde. Insgeheim scherzten wir immer über diese Vermählung, und dass sie wohl nicht allzu lange die ehelichen Pflichten vollführen müsste, doch in unseren ehrlichen Momenten, da gestand sie mir ihre Abscheu, und ihre Angst. Auch wenn ich mit Robert äußerlich wahrscheinlich die besseren Karten hatte, war es auch für mich beängstigend. Was, wenn ich ihn nicht ausstehen würde, ihn sogar verabscheuen würde, so wie Mary ihren Gemahl. Diese Gedanken machten es nicht besser. Ich spielte an meinen Handschuhen, überprüfte ständig meinen Hut, und sah nun aus dem Fenster des Automobils.

Faszinierend, wie viel schneller wir unterwegs waren. Die Pferdekutsche könnte hiermit niemals mithalten. Die Bäume zogen an uns vorbei, und nach einer weiteren Stunde Fahrt, fuhren wir den langen Weg, hinauf zum Hencesey Anwesen. Mary stand, gemeinsam mit ihrem Butler, an der Tür, und nahm mich herzlich in Empfang.

"Schön das du hier bist, Liebes."

"Danke für den Fahrer den du mir geschickt hast. Vater brauchte heute Morgen dringend unser Automobil, und mit der Kutsche hätte es sicher noch Stunden gedauert!"

"Liebend gern. Komm, ich habe uns Tee servieren lassen." Sie hakte sich bei mir ein, und zog mich mit sich. Im Foyer nahm mir ein Diener den Mantel ab, ich nahm die Haarnadeln aus dem Hut, und reichte diese ebenfalls dem jungen Mann. Er lächelte, und nickte ehe er verschwand. Ich sah ihm noch kurz hinterher. Wäre er jemand, den ich heiraten könnte? Jemand den ich lieben könnte? Wenn ich frei wählen dürfte, würde ich mir dann einen Herrn wie ihn aussuchen?

Mary riss mich aus meinen Überlegungen, und weiter in den großen Salon, ihn dem ein Tee-Gedeck auf uns wartete. Ich nahm auf der Chaiselongue Platz, und ließ mir meinen Tee zubereiten.

"Ich habe gehört, kein künftiger Gatte ladet zum Tanz?" Sie sprach es mit einem Zwinkern aus, und ihre Stimme deutete auf vulgäre Gedanken hin. Auch wenn der junge Mann, der uns nun zwei Porzellantassen reichte, eher unbeeindruckt wirkte, warf ich ihm einen entschuldigenden Blick zu.

"Wünschen die Damen sonst noch etwas?"

"Nein, Timothy, vielen Dank", gab ihm Mary zur Antwort, ehe sie sich wieder zu mir drehte, und mich nochmal fragend ansah. "Also?"

"Können wir dieses Thema denn nicht auslassen, Mary? In den letzten Tagen ging es um nichts anderes. Morgen werde ich ein Kleid kaufen gehen, und auch dort wird es um nichts anderes gehen." Ich nahm einen Schluck aus meiner Tasse, sah sie an, und konnte ihre Neugierde beinahe riechen. Sie triefte ihr aus allen Poren. Ich gab mich geschlagen.

"Ja, er hat zum Ball geladen. Alle bewundern ihn, finden lobende Worte, und versichern mir, wie glücklich ich mich schätzen kann."

"Scheiße noch eins."

"Mary!" Mit schreckgeweiteten Augen sah ich meine beste Freundin an, und begann dann zeitgleich mit ihr zu lachen. Wie gesagt, mit ihrem Benehmen war es wie ihn einem Pub. Sie wäre lieber eine Bauerstochter geworden, und wenn ich sie mir so ansah, dann wäre ihr das sicher auch lieber gewesen.

"Soll ich dich morgen zur Schneiderin begleiten?" Sie hatte wie immer ganz abrupt das Thema gewechselt. Auch wenn ich ihr für ihren Vorschlag sehr dankbar war, winkte ich ab. Es reichte, dass mich meine Zofe begleitete, mehr Beistand brauchte und wollte ich nicht. Ich blieb noch einige Stunden bei Mary, und wir sprachen noch über die üblichen Themen. Sie hatte wieder einige Modelle zugesendet bekommen, aus Paris, und führte mir die neuesten Designer Stücke einmal vor. Unter anderem ein sehr gewagtes Kleid mit langen Fransen, dass ihr nur bis zur Hälfte ihres Oberschenkels ging. Sie schwor mir, dass diese Kleider bald ein Hit sein würde, auch wenn ich mir das nicht vorstellen konnte. Sie waren viel zu gewagt.

"Ich wünschte, ich könnte bei solchen Entwürfen mithelfen. Ich liebe Mode, aber das wird mir mein künftiger Gatte wohl kaum erlauben, was meinst du?" Sie sagte es mit solch einer Wehmut, dass mir mein Herz schwer wurde. Die Tränen die dieser Aussage folgten, wischte sie mit Würde weg, und setzte dann wieder ihr kokettes Lächeln auf, dass wir Damen immer zu tragen hatten.


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