28. Dezember 1920 - Cecily

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Seit zwei Stunden waren wir bei der Schneiderin. Sie brachte mir ein Kleid nach dem anderen, und wir versuchten das passende für mich zu finden. Gar nicht so einfach, da meine Zofe genaue Anweisungen von meiner Mutter hatte. Gegen diese zu verstoßen, wäre ein glatter Entlassungsgrund gewesen, obwohl Mutter bei Josephine sicher ein Auge zugedrückt hätte. Sie war schließlich nur zwei Jahre älter als ich, und arbeitete für unsere Familie, seit ich fünfzehn war. Beim nächsten Kleid schnaubte ich frustriert, sah zu meiner Zofe, und schickte ihr einen flehenden Blick. Sie verstand sofort, nickte vergnügt, und ich gab der Schneiderin meinen Gruß zum Abschied. In den letzten Jahren, hatte sich dieses Muster stets wiederholt. Das passende Kleid wollte nicht von mir gefunden werden, ich ging nach Hause, und am Tag der Festlichkeit hatte Josephine ein wunderschönes Ensemble in petto. Darauf konnte ich mich verlassen.

Ich steckte mir meinen Hut, mit den Haarnadeln, fest, ehe ich die Schneiderei verließ, und wurde sofort von der kalten Winterluft eingehüllt. Gestern Nachmittag hatte es zu schneien aufgehört. Der Schnee am Straßenrand war herunter gelaufen, so dass ich nun darauf meinen Heimweg antreten konnte. Auf der Hälfte würde mich Josephine dann einholen, dies gehörte ebenfalls zu unseren Muster. Die dünnen Handschuhe zog ich mir über, auch wenn sie nicht wirklich vor der Kälte schützten, und dann stellte ich den Kragen meines Mantels. Ich würde schnell laufen müssen, wenn ich nicht frieren wollte. Vielleicht würde ich es heute sogar vor meiner Zofe zum Anwesen schaffen.

Meine Füße waren Eisklumpen, und meine Hände konnte ich kaum noch spüren. Warum hatte ich nicht im warmen gewartet? Ich verfluchte mich selbst für meine Entscheidung. Unser Automobil war weit und breit nicht zu sehen, und der einzige Hoffnungsschimmer blieb, dass ich an der nächsten Biegung schon die Mauer unseres Anwesens erreichen würde. Durch die dicht stehenden Bäume könnte ich mich in weniger als 20 Minuten durchschlagen, und dann würde mich schon das warme Foyer unseres Hauses begrüßen. Ich trat um die Biegung, und sah einen jungen Mann im Dickicht unserer Bäume umher strolchen. Immer wieder duckte er sich, und schlich dann ein paar Meter weiter.

"HEY, WAS TUN SIE DENN DA?" Noch in dieser Sekunde hätte ich mich am Liebsten geohrfeigt. Es war nicht gerade das Klügste einem fremden Mann, der derartig umher schlich, hinterher zu rufen. Erschrocken fuhr er herum, nahm mich genauer unter die Lupe, und legte dann ein Strahlemann Lächeln auf.

"Schön das ich sie hier antreffe, vielleicht können sie mir weiterhelfen!", rief er mir entgegen. "Ist dies das Anwesen der Crawleys?"

"Wer möchte das wissen?"

"Entschuldigen sie My Lady. Wo habe ich nur meinen Anstand. William, zu ihren Diensten." Er schenkte mir abermals ein schiefes Grinsen, und seine grünen Augen strahlten dabei. Fasziniert starrte ich ein paar Sekunden zu lange, dann räusperte ich mich schnell, und antwortete ihm.

"Ja, das ist das Anwesen der Crawleys. Ich bin Cecily, kann ich ihnen weiterhelfen...William?", ich mochte es nicht, Männer bei ihrem Vornamen zu nennen. Ich tat es ausschließlich bei unseren Bediensteten, aber die feine Kleidung des Herren, schloss eher auf einen höheren Stand.

"Das haben sie schon, My Lady. Darf ich sie vielleicht zu ihrem Anwesen geleiten? So ganz allein durch dieses Dickicht, möchte ich sie nicht gehen lassen." William bot mir seinen Arm zur Unterstützung dar, und trotz besseren Wissens, hakte ich mich bei ihm unter, und wir machten uns auf den Weg zum Haus. Der Schnee war auf den Waldwegen noch etwas höher, und ich musste mich des öfteren an meinem Begleiter festhalten, um weiterzukommen.

"Was genau haben sie denn gesucht, -. William."

"Ich wollte eine alte Bekannte besuchen. Eine Küchenhilfe, sicher kennen sie sie nicht. Ihr Name ist Anna, und ich habe sie schon sehr lange nicht mehr gesehen. Unsere Eltern wüssten sie und mich gerne verheiratet." Den letzten Satz sprach er mit einem wissenden Lächeln, dass ich nicht verstand. Ich legte den Kopf schief, wartete auf eine Erklärung - doch ich wartete vergebens. William war faszinierend, und ließ mich sogar die eisige Kälte um uns vergessen.

"Sie wurden einer Küchenmagd versprochen?" Bei meiner Frage zogen sich seine Augenbrauen zusammen, und er sah mich nachdenklich an.

"Ja", er räusperte sich, und legte dann wieder sein strahlendes Lächeln auf. "Ist es nicht unfair, dass wir uns nicht selbst aussuchen dürfen, wen wir eines Tages heiraten? Es geht viel zu oft um das Geschäft unserer Eltern." Wie sehr er mir damit aus dem Herzen sprach, konnte er nicht erahnen.

Für den restlichen Weg benötigten wir noch eine Stunde. Ob er danach noch Anna besucht hatte, konnte ich nicht sagen.



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