26. Dezember 1920 - Cecily

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Für den Abend des zweiten Weihnachtsfeiertages hatte Vater ein paar Geschäftspartner eingeladen. Er meinte, selbst zu dieser besinnlichen Zeit, wäre es wichtig, seine Beziehungen zu pflegen. Das gute Essen unserer Bediensteten war dabei immer behilflich. Ein Jeder schwärmte, wenn der letzte Löffel des Desserts gegessen war. Wir Kinder, waren bei diesen Anlässen, nur ungern gesehen. Zumeist aßen wir zeitig mit der Kinderdame, und spielten dann mit unseren Geschenken. Dieses Jahr hielt Vater mich für alt genug, um mich an dem Dinner teilnehmen zu lassen. Natürlich konnte ich nicht allzu viel beitragen, daher würde ich sehr wahrscheinlich still da sitzen, und freundlich in die Runde lächeln. Doch dies war in Ordnung, es musste schließlich immer ein erstes Mal geben. Ich konnte froh sein, dass Vater und Mutter mir diese Chance boten.

Gegen 16 Uhr kam Josephine in mein Zimmer und begann damit, mir die Haare in kleine Korkenzieherlocken zu drehen. Wir hatten sagenhaft viel Spaß, den neumodischen Krimskrams auszuprobieren. Meine Haare waren eine voluminöse Pracht, und meine Zofe band mir nun ein blaues Kopfband um die Stirn, an dem eine kleine Perle, wie eine Träne, hing. Meine Freundin Mary hatte ein Dutzend solcher Bänder, und hatte mir geraten, mir ebenfalls welche anzuschaffen. Sie würden in Mode kommen, meinte sie. In diesen Dingen konnte ich ihr vertrauen, auch wenn ihre Zunge lockerer war, als die Anstandsregeln in einem Pub.

Ich ging die Stufen unserer Treppe hinab, gefolgt von der kleinen Schleppe meines Kleides. Meine Zofe und ich hatten darauf geachtet, dass ich seriös aussah. Ich wollte Vater Stolz machen, und den Männern am Tisch das Gefühl vermitteln, ich wüsste um was es ginge. Dazu bedeckte die blaue Seide, mehr von meinem Körper als gewöhnlich. Josephine hatte dafür gesorgt, dass eine Mappe der Themen auf meinem Zimmer lag, die ich ordentlich studiert hatte. So viele Wörter waren mir fremd gewesen, handelte es sich doch um Fachjargon. Die Informationen, die ich behalten konnte, ging ich in meinen Gedanken noch einmal durch. Am Fuße der Treppe empfingen mich die ersten Gäste, deren Hände ich ergriff, und mich vorstellen ließ. Vater und Mutter waren gerade mit einem Mittelsmann der englischen Krone im Gespräch, und hatten keine Augen für mich. Allein stand ich in unserer großen Halle, sah mich um, sah mir die Gesichter an, und mir lief der kalte Schweiß den Rücken hinab. Dafür war ich ganz sicher noch nicht bereit!

"Lady Cecily! Schön sie wiedereinmal zu sehen." Aus dem Hintergrund drang eine Stimme an mein Ohr, und ich drehte mich zu ihr um. Vor mir stand der Vater meines zukünftigen Gatten. Ein breites Grinsen legte sein Gesicht in Falten, und spiegelte sich auf meinen Lippen. Auch wenn ich nicht mit seinem Sohn verheiratet werden wollte, war der Lord ein fröhliches Wesen, dass einen stets zu unterhalten wusste.

"Vergebt mir, ich scheine in meinen Gedanken verloren gegangen zu sein."

"Nein, grämt Euch nicht meine Liebe. Ein alter Mann wie ich, muss sich die Aufmerksamkeit einer so hübschen, jungen Dame, wie ihr es seid, erst einmal verdienen!" Sein kehliges Lachen, riss mich mit, und Vaters Blick huschte zu uns. Er nickte mir zu, verabschiedete sich von seinen Gesprächspartnern, und bat uns alle in den Speisesaal. Der Tisch war bereits eingedeckt, die Kerzen am Kronleuchter verbreiteten eine warme Atmosphäre. Diese Wärme war einer der Gründe, warum Vater ihn noch nicht durch einen elektrischen ersetzt hatte.

Wir hatten unseren Plätze gefunden, und unsere Dienerschaft begann die Speisen aufzutischen, während die Gespräche ihren Lauf nahmen. Ich saß neben Vater und einem mir unbekannten Mann. Er war alt, und konnte bei keinem der Gespräche teilnehmen, da es sein Gehör nicht mehr zuließ. Dies hatte er mir dreimal erklärt, ehe ich mich wegdrehen, und mich in einem anderen Thema verlieren konnte. Ich trug zu den Konversationen nichts bei, geschweige denn, dass ich ordentlich zuhörte. Ich war vollkommen verloren in meinen eigenen Gedanken dazu, wie schrecklich langweilig und langatmig dieser Abend werden würde. Doch am anderen Ende des Tisches, nahm man immer wieder denselben Namen in den Mund: Robert.

Kaum hatte es mein künftiger Gatte in die Gespräche geschafft, galt meine Aufmerksamkeit, eben diesen. Sie erzählten, dass er ein stattlicher, junger Mann geworden sei, und dank der langen Fürsorge, des Earls of Yorkshire, wären seine Beschlüsse von Intelligenz, und Besonnenheit gezeichnet. Die Frauen würden ihm zu Füßen liegen, doch er wüsste wo er hingehörte, prahlte nun sein Vater, und alle Augen lagen auf mir. All diese Männer, die mit mir an diesem Tisch saßen, gingen davon aus, ich würde Roberts Braut werden, und dabei kannte ich ihn noch nicht einmal.



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