Kapitel 17

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Hotch's Worte hallten in meinem Kopf wieder und wollten nicht mehr verschwinden. "Sprich mit jemandem." flüsterte ich und hob meinen Kopf an, um meinen Blick anschließend durch meine Wohnung schweifen zu lassen. Ich hatte Spencer gebeten zu gehen, weil ich etwas Zeit für mich haben wollte. Doch kaum war er aus der Tür, hatte ich das Gefühl, dass die Decke über mir zusammenbrechen würde. Wobei es nicht nur die Decke war, bei der ich dachte, dass sie zusammenbrach, sondern auch das ich dies tat. Es waren nicht bloß meine Schuldgefühle, welche in meinem Kopf herumgeisterten. Es waren außerdem Gedanken, welche ich lange nicht mehr hatte und die nun wieder hochkamen. Gedanken vor denen ich mich fürchtete und Angst hatte, nicht gegen sie ankämpfen zu können. "Was ist bloß los mit dir?" fragte ich mit leiser Stimme und erhob mich von meinem Sofa. Ich musste raus und brauchte Ablenkung. Aus diesem Grund stand ich kurze Zeit später vor dem Schrank in meinem Schlafzimmer, suchte mir Sportklamotten heraus und zog diese über. "Ich will endlich abschalten und für eine Weile nicht nachdenken." dachte ich, bevor ich mir meine Turnschuhe anzog, meinen Haustürschlüssel in die Tasche meiner schwarzen Jogginghose steckte und die Wohnung verließ. Draußen begann ich schlagartig zu frieren, da meine graue Sweatshirtjacke mich nicht im geringsten warm hielt, weshalb ich nicht lange wartete und zu laufen anfing. Die Kälte, welche mich umgab ließ nicht nach, genauso wenig wie meine Gedanken. Ich lief schneller, in der Hoffnung sie irgendwie hinter mir zu lassen. Allerdings war das einzige was ich damit bezweckte, dass ich nach wenigen Augenblicken schon völlig außer Atem zum Stehen kam und mein Kopf noch stärker schmerzte. Doch ich kümmerte mich nicht um die Schmerzen, welche meinen Kopf und meine Seiten betrafen, atmete tief durch und lief weiter, so schwer mir dies auch fiel. Ich lief einfach weiter ohne auf irgendetwas um mich herum zu achten, ohne auf mich oder meine Schmerzen zu achten und ignorierte die Tränen, die sich in meinen Augen bildeten und schon wenig später an meinen Wangen hinunterliefen. Erst als meine Sicht vor lauter Tränen verschwamm, blieb ich schluchzend stehen und wischte mit dem Handrücken über mein Gesicht. "Es soll endlich aufhören." flüsterte ich mit erstickter Stimme, während ich mich erschöpft an der Brüstung der Brücke, auf welcher ich angelangt war, abstützte und meinen Kopf senkte. Ich war unbewusst an einen Ort geraten an dem ich in dem vergangenen Jahr schon so oft stand. Ein Ort, der eine solche Anziehungskraft auf mich hatte. "Der Ort meines Alptraumes." flüsterte ich und sah wie einer der Alpträume der letzten Nacht sich noch einmal vor mir abspielte. Eine Frau hatte sich auf einer großen Brücke wie dieser befunden. Sie hatte einfach dort gestanden, bereit zum Springen. Ihr Blick war starr in das tiefe Nichts, welches vor ihr lag, gerichtet. Ich war langsam und zögerlich auf sie zu gegangen, bis nur noch das Geländer uns voneinander getrennt hatte. Im Gegensatz zu mir, hatte sie so furchtlos ausgesehen und keine Spur von Angst gezeigt. Mir war kalt und warm geworden und ich hatte gespürt wie die Panik in mir hochkam. Ich hatte vor mit ihr zu sprechen, doch tat es nicht. Plötzlich hatte sie sich umgedreht, wodurch ich in ihr schattenartiges Gesicht sah. Ich hatte versucht mit ihr zu reden, ihr zu sagen, dass sie nicht springen muss. Das einzige was sie allerdings getan hatte, war ihren Kopf zu schütteln. Nachdem sich für einen Moment eine bedrückende Stille über uns gelegt hatte, fühlte es sich an als wäre die Welt für kurze Zeit stehengeblieben. Im nächsten Augenblick war jedoch alles ganz schnell gegangen. Sie hatte sich, ohne das ich hätte eingreifen können, hinunter gestürzt, wobei ihr zuvor schemenhaftes Gesicht für mich sichtbar wurde. Ich selbst war die Frau gewesen und musste zusehen, wie ich auf die Felsen, welche im tiefschwarzen Wasser verteil waren, aufschlug. Ich schüttelte meinen Kopf, um die Ereignisse meines Traumes abzuschütteln. "Du bist nicht die Frau und stärker als damals." versuchte ich mir einzureden, während mein Blick auf das dunkle Wasser gerichtet war. "Hör auf auch nur ansatzweise daran zu denken." wies mich eine strenge Stimme in meinem Kopf an, doch diese wurde nach und nach leiser. Ich schloss die Augen und lehnte mich weiter über das kalte Geländer, wobei meine Atmung langsam ruhiger wurde. Irgendetwas in mir zwang mich dazu, mich noch ein Stück über die Brüstung zu lehnen und wollte mir einreden mich hinunterzustürzen. "Du hättest es schon früher machen sollen." meldeten sich meine Gedanken zu Wort, weshalb ich noch immer starr in das tiefe Wasser sah. "Was hält mich davon ab?" dachte ich, während sich meine Hände um das eisige Geländer klammerten und durch die Kälte schon wenig später rot anliefen. Der Wunsch einfach alles hinter mir zu lassen war gewaltig, genau wie das Gefühl versagt zu haben. "Ich kann nicht einmal auf mich aufpassen. Was hat mich also denken lassen, dass ich es schaffe ein Kind zu beschützen oder es jemals schaffen werde? Wie konnte ich so dumm sein und davon ausgehen, dass nichts passiert?" es waren so viele Fragen, auf welche ich keine Antworten hatte und dabei nicht einmal wusste was schlimmer war. Die vielen Fragen oder das Gefühl der Leere, welches mich erfüllte und zu dem hier verleitete. Ich wollte, dass dieses Gefühl nachließ und verschwand. "Es soll einfach verschwinden." flüsterte ich mit zittriger Stimme und schaute in den grauen mit Wolken bedeckten Himmel. "Es soll aufhören wehzutun." fügte ich leise hinzu, wobei ich nicht bloß von dem Schmerz, welcher durch den Verlust meines Babys ausgelöst wurde, sprach. Es waren all die Erinnerungen, die mir in diesem Augenblick hochkamen und mir durch den Kopf gingen. Ich hörte die strenge Stimme meines Dad's, welche mir Vorwürfe machte und mir sagte, dass ich nie im Stande dazu sei irgendetwas richtig zu machen. "Du hattest recht." brachte ich schluchzend hervor, während ich meinen Kopf, welcher zu glühen schien, auf der Brüstung ablegte. "Ich bin noch immer das kleine dumme Mädchen, das sich eine heile Welt wünscht, obwohl es genau weiß, dass solch eine Welt nie existieren wird." dachte ich und hob meinen Kopf wieder an, um meine Tränen beiseite zu wischen. "Zumindest nicht für das kleine dumme Mädchen." fügte ich in Gedanken hinzu. "Aus welchem Grund stehe ich hier? Weshalb haben es weder Keith, noch Brad geschafft mich zu erschießen?" ging es mir durch den Kopf, während ich mit der Faust wütend auf das Geländer schlug. "Warum sollte es nicht sein?" fragte ich aufgebracht und sah erneut hinauf in den Himmel, wobei es mich nicht kümmerte ob irgendjemand von alldem etwas mitbekam. "Es ist nicht fair." flüsterte ich und presste meine Lippen aufeinander. Meine Wut verwandelte sich in Trauer, durch welche ich abermals in Tränen ausbrach und in das tiefe Loch, des Selbsthasses und der Schuldgefühle, fiel. Ich bekam es nicht hin mich aus diesem Abgrund zu befreien, doch ich schaffte es gegen den Drang anzukämpfen, welcher daraus bestand über die Brüstung zu klettern und in das tiefe dunkle Wasser, in dem ich wahrscheinlich erfroren wäre, ehe mich jemand hätte retten können, zu springen. Mit aller Kraft drehte ich mich um und atmete erschöpft aus. "Es ist schwer gegen jemanden zu kämpfen, wenn dieser jemand sein eigener Verstand ist." dachte ich, während mein Blick auf die befahrene Straße, welche vor mir lag und über die Brücke ging, gerichtet war. "Wenn du dich wirklich umbringen wolltest hättest du es längst getan." meldete mein Verstand sich zu Wort, wobei ich diesem zustimmte. "Wenn ich es wollte hätte ich es längst getan." flüsterte ich und wandte meinen Blick langsam von den vorbeifahrenden Autos ab.

The heart wants what it wants// criminal mindsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt