Kapitel 18

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Die Kopfschmerzen mit denen ich am nächsten Morgen erwachte, waren nicht so schlimm wie das beschämende Gefühl, welches mich überkam als ich Spencer anschaute. Dieser stand am weißen Türrahmen gelehnt und schenkte mir einen eisigen Blick, welchen ich ihm nicht verübeln konnte. Mein pochender Kopf ließ die gestrige Nacht noch einmal Revue passieren, ebenso wie die ausgesprochenen Worte, die ich nun nicht mehr zurücknehmen konnte. "Spencer ich..." begann ich mit heiserer Stimme und schaute ihn mitleidig an. "Du kannst dir deine Worte sparen." unterbrach Spencer mich und warf mir eine Packung Aspirin zu, welche sanft auf meinem Schoß landete. "Es tut mir leid." entgegnete ich den Tränen nah, während meine Hände die Verpackung der Kopfschmerztabletten fest umklammerten. "Mir tut es leid." sagte er abweisend und schenkte mir einen Blick, der voller Enttäuschung war. Bevor ich noch etwas erwidern konnte, verließ Spencer ohne ein weiteres Wort zu verlieren, den Raum. "Spence!" rief ich ihm fassungslos hinterher, während ich hastig aufstand und ins Wohnzimmer stürmte, doch dort angekommen fiel die Haustür bereits zu. "Spence." brachte ich leise hervor, wobei meine Stimme bloß noch nach einem erstickten Flüstern klang. Meine Augen, welche sich längst mit Tränen gefüllt hatten, starrten die geschlossene Haustür an. Ich betete, dass diese sich wieder öffnen, Spencer zurückkommen und mich in den Arm nehmen würde. Doch nichts geschah. Die Tür blieb geschlossen und ich starrte sie einfach weiterhin an, wobei immer mehr Tränen an meinen Wangen hinunterliefen. Es fühlte sich an als wäre die Zeit plötzlich stehen geblieben. Als hätte die Welt sich ohne Vorwarnung aufgehört zu drehen. "Ich brauche dich." weinte ich und ließ die Tabletten neben mir auf den Boden fallen. Die warmen Tränen, die sich ihren Weg an meinem Gesicht hinunter bahnten, wollten nicht mehr aufhören. Das Gefühl der Leere, welches ich seit Tagen in mir trug, wirkte plötzlich umso stärker und zog mich bloß noch tiefer in einen See aus Trauer und Selbsthass. Das Wasser dieses Sees war tief und schien endlos, weshalb es viel eher einem Meer glich. Einem Meer, in welchem ich zu ertrinken drohte und dessen Ufer zu weit entfernt war, um irgendwie hinaus zukommen. Aus Bildern bestehende starke Wellen schlugen auf mich herab und zogen mich weiter in das tiefe ungewisse nichts. So viele Bilder, die sich immer wieder vor meinem inneren Auge abspielten. Ich sah wie meine Mum mich verließ und mich bei einem Monster, welches mein Vater sein sollte, zurückließ. "Sei endlich still." hatte er fauchend befohlen als er spät in der Nacht betrunken nach Hause gekommen war und ich weinend aus dem Fenster schaute. Ich hatte dies stundenlang getan und darauf gewartet, dass meine Mum wiederkommen würde. "Sie hat es versprochen." hatte ich schluchzend geflüstert und meinen Kopf noch stärker an das kalte Fensterglas gepresst. Ich wollte raus aus dem Gefängnis, welches sich mein Zuhause genannt hatte. Wollte ausbrechen und nie wieder zurückkehren. Wollte nie wieder so fühlen müssen, dennoch tat ich genau dies. Meine Wohnung kam mir vor wie eine Gefängniszelle. Eine Gefängniszelle in der die Wände immer näher kamen und drohten mich zu erdrücken. Wie in Trance griff ich nach meinem Handy, schaltete es ein und wählte anschließend JJ's Nummer. "Jareau." meldete sie sich mit gestresster Stimme, während ich hören konnte wie Henry im Hintergrund lautstark mit Will über irgendetwas diskutierte. "Hallo?" fragte JJ genervt und schien den Raum gewechselt zu haben, da es plötzlich deutlich ruhiger war. Ich war nicht in der Lage zu sprechen, weshalb bloß ein Tränen erfülltes Wimmern über meine Lippen kam. Es wirkte als wäre die Telefonleitung für einen Moment tot, bis JJ's ruhige Stimme schließlich erklang. "Case?" hakte sie fast flüsternd nach, woraufhin nur noch mehr Tränen, welche eine Antwort meinerseits unmöglich machten, über mein Gesicht liefen. "Wenn Spencer mir nicht gesagt hätte, dass er nach dem Fall sofort zu dir geht und ich nicht bis heute Morgen allein mit Henry gewesen wäre, dann wäre ich längst bei dir." sagte JJ beschämt. "Ich mach mich gleich auf den Weg..." "Komm nicht her." flüsterte ich und ließ mich an der Tür, aus der Spencer vor wenigen Augenblicken verschwunden war, nieder. Mit meinem Handrücken wischte ich über mein mit Tränen überströmtes Gesicht, ehe ich meinen Kopf mit geschlossenen Augen gegen die Tür lehnte. "Ich habe es geschafft, dass Spencer mich hasst." brachte ich schluchzend hervor, nachdem ich meine Augen wieder geöffnet hatte. "Wie kommst du darauf? Casey, Spencer hasst dich nicht..." "Doch genau das tut er." fiel ich ihr weinend ins Wort und biss mir sauer auf meine Unterlippe. "Und ich kann ihn verstehen, denn ich hasse mich auch!" fügte ich aufgebracht hinzu. "Was ist passiert?" fragte JJ mit leiser Stimme, doch selbst diese konnte mich nicht beruhigen. "Menschen verlassen mich das haben sie schon immer." begann ich und schaute an die Decke, um weitere Tränen zu vermeiden. "Ich bin der Grund JJ. Ich bin der Grund, weshalb sie mich verlassen." fuhr ich fort und musste an meine Mum denken. "Menschen verlassen mich, weil ich nicht gut genug für sie bin und nichts tue außer sie zu verletzen!" fuhr ich wütend fort. "Das stimmt nicht!" entgegnete JJ entsetzt. "Ach nein?" hakte ich nach und lachte verzweifelt auf. "Ich habe Spencer verletzt und er ist gegangen. Er ist gegangen ohne, dass ich ihm erklären konnte, dass ich ihn brauche und er mir wichtig ist." sagte ich weinend, da ich nicht länger gegen meine Emotionen ankämpfen konnte. "Spencer weiß, wie viel er dir bedeutet." bemühte JJ mich zu beruhigen, was nicht funktionierte. "Wie, wenn ich ihm genau das Gegenteil sage?" fragte ich aufgelöst, ehe ich durch ein zaghaftes Klopfen an der Haustür erschrocken zusammenfuhr, panisch aufstand und im nächsten Moment hoffnungsvoll die Tür aufriss. "Spence ich..." ich brach enttäuscht ab als ich nicht in Spencer's braune Augen, sondern sprachlos in die blauen Augen meiner Mum schaute. "Ich muss auflegen. Meine Mum ist hier." erklärte ich JJ perplex und beendete das Telefonat, bevor sie noch etwas einwerfen konnte.

The heart wants what it wants// criminal mindsWhere stories live. Discover now