Zuwachs

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"Man, bin ich fertig.", jammerte Hawkeye nach einer arbeitsreichen Schicht. Mit seinem Kollegen Trapper haben sie sich in ihrem Zelt ein wenig zurückgezogen. So lange bis die nächste Schicht anfängt. Und das bedeutet im Klartext, Martini und Whiskey zum Ertrinken. Oder was sonst so rumsteht. Natürlich hing Hawk schon an dem zweiten Martiniglas. Er lehnte locker lässig in seinem Stuhl, wie immer, hörte Musik aus älteren Tagen und scherzten mal wieder.

"Heute bekommen wir Zuwachs." Pierce hustete, da ein paar Tropfen Alkohol in den falschen Schlund geflossen sind: "Was?" "Hast du was auf den Ohren? Wir bekommen Zuwachs.", sagte Trapper absichtlich etwas langsamer. "Sag bloss 'ne neue Krankenschwester.", er nippte wieder kurz. "Nein." Pierce musste wieder husten und stellte das Getränk nun weg, da es ihm wirklich reichte: "Was dann?" Ein Auto fuhr an ihrem Zelt vorbei und beide steckten den Kopf nach draußen. Es schien noch der Himmel in einem zarten Orange, welches sich mit Blau zu einem Violett mischte. Eine Frau stieg aus. Mit braunem Koffer. Schwarzes Haar, welches sie seitlich hochgesteckt und hinten zu einem tiefen Pferdeschwanz gebunden hatte. Lippen so rot wie Rosen und eine Haut so weiß wie Porzellan. Sie bedankte sich bei dem Fahrer und dieser fuhr. Etwas unorientiert stand sie da und sah durch die Gegend, in der Hoffnung den zu sehen, den sie suchte. Alles an ihr hatte diesen Hauch des Swings, welcher Hawk jetzt schon gefiel. Er liebte es.

"Komm, stellen wir uns vor.", lugten beiden noch durch die leicht geöffnete Holztür des Sumpfes. "Was?", fragte sein Kollege und ließ ab von dem Spektakel, von welchem Hawkeye die Augen nicht wegbrachte. "Hast du was auf den Ohren? Wir sollen uns vorstellen, verdammt.", sagte er genau so langsam wie vorher Trapper. "Ok.", kam es etwas überrascht von seinem Freund, der sich noch schnell ein Hemd überwarf.

Innerlich bereute er seinen Satz, doch er konnte jetzt keinen Rückzieher machen. Hawkeye machte nie einen Rückzieher. Nun standen sie vor ihr. Benjamin konnte die Schweißperlen an seinem Rücken hinunterfließen spüren.

"Hey.", begrüßte sie die zwei mit einem Lächeln, welches den Himmel erhellen könnte.

"H-Hallo.", stotterte Hawkeye und würde am liebsten im Boden Koreas versinken. "Ich bin Captain John Francis Xavier McIntyre.", machte Trapper den Start, da Hawkeye zwischen Gehirn und Mund hängengeblieben war, "Sie können mich auch Trapper nennen, wie es eigentlich jeder macht." "I-I-I-I...", mehr brachte der andere Captain nicht heraus. Er gab sich dafür in Gedanken eine Ohrfeige. "Das ist Captain Benjamin Franklin Pierce oder auch Hawkeye, was ihm lieber ist.", nahm Trapper alles in die Hand und stupste seinen Freund an. Er riss ihn aus seiner Traumwelt. "Ich bin Sergeant Michaela McLennon. Ihr könnt mich auch Hardcase nennen." Sie stämmte ihre Hände in die Hüfte. Knapp darüber, an der Taille, war der Hosenbund des grünen Soldatenstoffes. Eine etwas weitere weiße Bluse zierte ihren Oberkörper, die hochgekrempelt war. Die schwarzen Stiefel hatte sie bis zum Ende zugeknöpft und nun spielte sie mit ihrer Marke. "Ich suche Colonel Blake. Könntet ihr mir helfen?" "Hawk, mach du das.", klopfte ihm sein Partner auf die Schulter und ging lächelnd. Benjamin blinzelte ein paar Mal. "Ähm...also...lass uns zum Colonel gehen." Sie traten den Weg an. Beide Ketten klimperten. Beide hatten die Hände eingeschoben und lugten ab und zu zum anderen. Nun standen sie vor dem Zelt des Colonels und blieben noch einmal stehen. "Also ich...", mehr konnte der Captain nicht sagen, da die Pflicht ruft. Ein Krankenwagen raste an ihnen vorbei und er wusste, dass seine Schicht nun wieder begann. "Tut mir leid, aber ich muss los. Die Pflicht ruft." Er begann dem Wagen nachzurennen, der am Ende des länglichen Zelt stehen blieb, vor dessen Anfang sie stand. Sanitäter fingen schon an, Verletzte auf Tragen nach drinnen zu schleppen. "Viel Spaß, Hawkeye.", schrie sie. Michaela sah ihm noch eine Weile nach, bis er sich kurz vor dem Eingang umdrehte und ihr leicht zuwinkte, bevor er verschwand. Sie betrat das Zelt, wo an der Tür ein Schild NO SMOKING! hing und stand schon vor dem Kompanieschreiber. Der tippte fleißig einen Bericht ab. "Der Colonel erwartet Sie bereits.", sagte er, ohne auch nur aufzusehen.

"Miss McLennon, schön Sie kennenzulernen." "Ganz meinerseits Colonel.", sie gaben sich die Hand und er deutete ihr, es sich auf dem Holzsessel bequem zu machen. Er hatte ihre Akte in der Hand, die von der Airforce geschickt worden müsste. "Also sie kommen aus Irland?" "Ja.", nickte die junge Frau. "Sie sind 25, waren bei der 76th Airforce Staffelführerin und wurden nun verlegt." "Ganz richtig." "Sie sollen eine ausgezeichnete Soldatin sein, nach den Worten von General Campbell." Michaela begann nur noch mehr zu lächeln, aber auch ein wenig Enttäuschung blitzte dahinter hervor. "Ich habe aber auch eine schlechte Nachricht. Es ist kein Platz mehr im Frauenzelt frei. Sie müssten bei den Männer schlafen. Bei den Offizieren." "Keine Sorge, Colonel. Ich war die einzige Frau beim Airforcestützpunkt in Kolumbien. Ich bin männliche Gesellschaft gewöhnt und ziehe sie auch oft vor." "Dann bin ich erleichtert. Sie werden bei unseren zwei Chirurgen unterkommen. Captain McIntyre und..." "Captain Pierce." Sie genoss es förmlich seinen Namen auszusprechen. Als sie ihn gesehen hat, mit dem dunklen Haar und dem Lächeln, war sie wie weggetreten. Sie hatte Mühen gehabt Trapper zuzuhören. "Sie kennen sich?" "Nun eine kurze Begegnung. Vielen Dank, Colonel." "Kein Ursache. Ich hoffe sie fühlen sich wohl bei uns. Radar wird sie zum Zelt bringen." Zum Abschluss reichten sie sich noch einmal die Hand und sie folgte dem um einen Kopf kleineren Soldaten. "Ach Miss McLennon.", sie sah über die Schulter und bleib kurz stehen, "Nehmen Sie sich in Acht. Die zwei haben keinen Mangel an Spiritus. Wenn Sie verstehen." "Keine Sorge, schlimmer wie bei der Wolfsstaffel kann es wohl nicht werden."

Sie gingen aus dem Zelt. Der kleine Mann schob sich immer wieder die Brille hoch. War der nervös. Nach einem kurzen Fußmarsch standen sie auch schon davor. Das Zelt stand mitten im
ganzen Lager und war ebenfalls mit Steinen umringt und der Eingangsweg ausgelegt.

"Einen schönen Abend, Miss.", wünschte er noch flüchtig. Er war so schnell verschwunden, dass Michaela nichts mehr sagen konnte. Etwas zaghaft schob sie mit einer Hand die Tür auf und trat ein. Der Duft von Martini empfing sie. Sie fühlte sich schon gleich mehr zuhause als zuvor. Das Geräusch der Düsen und die vor der Haustür stehenden Jets fehlen noch. Sie stellte ihren Koffer auf den Boden und versuchte herauszufinden, welches der drei Betten noch frei war. Sie sahen alle so unbenutzt aus. Es war nichts besonderes. Das ganze Gerüst bestand aus Holz und wurde mit militärgrünem Stoff überzogen. Die Tür war auch aus Holz mit einem kleine Aussichtsfenster, welches man mit einem grauen Stoff zurollen konnte. Der Stoff an den Seiten war dünnes Gewebe, welchen aber mit einem dunkleren Stoff decken konnte. Man erkannte die draußen gehenden Personen. Es war auch nicht besonders aufgeräumt. Ein schwarzer Sessel stand in mitten vor dem kleinen Ofen, welches Rohr durch die Decke ging. In einem Regal waren verschiedene Zettel und Kleidung. Auch einige offenen Würfel, die mal kleine Kisten gewesen waren, wurden aufgehängt und dienten als Regal. Wo am wenigsten an Erinnerungsstücken herumlag und es einigermaßen aufgeräumt war, müsste noch frei sein. Sie entschied sich schließlich für das letzte am Ende des Raumes. Dort schob sie ihren Koffer unter das Gestell und begutachtete mal die Getränkebar. Der Schreibtisch war mit Gläsern und Flaschen aller Art zugestellt. Manche waren gekauft, andere wieder selbst hergestellt. Diese waren mit Hand geschriebenen Etiketten versehe. Sie legte sich in das Bett. Die Hände hinter dem Kopf überkreuzt und wollte eigentlich nach der wirklich langen Reise schlafen, sie könnte aber nicht. Es war dieses Blau der Augen des Captains, welches ihr keinen Schlaf gönnen wollte.

[1] M*A*S*H | Chemical EssentialWhere stories live. Discover now