Gipsbinden vor Holmes

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Michaela wurde wach. Schmerzen überall und ihre Hand war taub. Sie öffnete sachte die Augen und orientierte sich. Sie war im MASH. Im 4077ten um genau zu sein. Sie würde die Betten und die Decke überall her erkennen. Eine Bluteinheit hing an ihr. Und der Chirurg lag an ihr.

Hawkeye sah etwas bleich aus und schlief tief und fest. Sie wollte ihre Hand auf seinen Kopf legen, doch ein Schmerzimpuls durchfuhr sie. "Ahh!", schrie sie knurrend und ließ die Hand zurückfallen. Verzog das Gesicht. Hawkeye wurde wach, lehnte sich auf, fiel aber vom Bett. Nach einem Woahhh lag er auf dem Boden und rieb sich den Kopf. Michaela wollte aus dem Instinkt nach ihm mit der linken Hand greifen, zuckte aber wieder zurück. Es tat zu weh, um auch nur einen weiteren Muskel zu bewegen. Hawkeye sprang auf und strich sich die Haare zu einem Scheitel: "Morgen." Er sah ihren Gesichtsausdruck. "Oh, tut mir leid, ich bin da wohl gestern eingeschlafen." Sie lächelte und er huschte schnell in seinem Kittel in den nächsten Raum, um die Mullbinden für den Gips zu holen. Zurück kam er mit einer Handvoll Rollen, einer Schere und einer ovalen Schale Wasser. Ihr Arm lag leicht angewinkelt auf der militärgrünen Decke auf Bauchhöhe. Er schnitt sich ein paar Teile zu und legte sie auf den Bettrand. Zuerst umwickelte er ihre Unterarm und die Hand mit zwei Schichten einer elastischen Mullbinde, um einen Untergrund zu schaffen. Jetzt kam erst der schmerzende Part. Er machte sich an die Gipsbinden und wickelte sie, am Ellbogen beginnend, um den Arm. Er hob sie sanft und drückte etwas den nassen Stoff fest. Sie verzog das Gesicht und knurrte, worauf Benjamin sofort aufhörte. "Möchtest du eine Betäubung?" "Nein, das pack ich schon."

Trapper tapste mit einem Glas Martini in das Lazarett. Er strich die Decke glatt und legte sich neben Michaela in das Bett. So dicht es nur ging. "Hey Trap.", begrüßte sie ihn. "Offizielle Chirurgie. Von 8 bis 12. Jeden zweiten Donnerstag.", er schloss die Augen. Der Martini war am Bauch abgestellt und wurde mit einer Hand gehalten. Sie lachte, hielt aber in der Mitte inne und knurrte mit zusammengebissenen Zähnen.

Trapper hielt ihr das Glas hin. Als sich nichts tat, sah er einmal nach, wo der geblieben war, der es eigentlich nehmen sollte. Sie zuckte kurz mit den Schultern und knurrte wieder. Und Hawkeye hatte erst die Hälfte. Da fiel Trapper etwas ein. Er stellte das Glas auf den Boden und holte sich einen Stauriemen. Als er zurückkam, wurde er etwas schräg angesehen. Von beiden. "Was möchtest du damit? Wir wollen einen Arm eingipsen und kein Blut abnehmen, welches wir ihr hineinpumpen." Er lächelte nur, schüttelte etwas mit dem Band und schnürte es ihr, über der Bluse, am Oberarm fest. "Keine Narkose und auch keine Betäubung. Ihr Arm wird taub und sie spürt nur ein Drittel des Schmerzes. Ist die erprobte McIntyre-Methode." Hawkeye lachte und fuhr fort. "Wie fühlst du dich sonst?" "Schmerzend." "Ach wirklich? Das hätte ich nicht gedacht." "Fertig!", freute sich Hawkeye. Er verräumte alles und Doktor McIntyre wandte sich ihr zu. "Wenn ich den Stauriemen lockere, wird das Blut fließen und du wirst von den vielen Schmerzen Sorgenfalten kriegen." "Das nehme ich in Kauf.", unterbrach sie ihn. "Wie? Kein Schmerzmittel?" "Nein, dagegen bin ich allergisch." "Mädchen, wie hältst du das nur aus?", fragte Hawkeye, der nun wieder zurück war. "Ach, daran gewöhnt man sich. Ich bin von vorn herein nicht so empfindlich." "Wie das?" "Meinem Vater ist eine Granate vor den Augen explodiert. Seine halbe Hand war weg und er hat gefragt, ob ihm eine Wespe gestochen hat. Liegt in der Familie." "Und wieso allergisch?" "Vor einem Jahr wäre ich den Airforceärzten fast weggestorben. Nur wegen einer Dosis Schmerzmittel. Morphium war das, glaube ich jedenfalls." "Wirklich keines?", fragte Trapper und nahm den Riemen ab. "Nein, jedes betäubende Mittel ist Gift für meinen Körper." "Dann tut es mir wirklich leid. Hey Hawk, was machst du mit dem Knie?" Er rieb sich das Gesicht: "Das hab ich vergessen." Er stand wieder auf und holte das ganze Zeug erneut. Trapper schob die Decke von ihren Füßen und krempelte das rechte Hosenbein bis zum Oberschenkel hoch. Als er den provisorischen Verband entfernte, erstreckte sich eine Naht von 20 Zentimetern über das Gelenk. Trapper zog den Stauriemen am Oberschenkel fest und nahm Hawkeye die Mullbinde ab. Sie gipsten das ganze Bein, bis zur Hälfte des Oberschenkels ein. Als alles wieder runtergekrempelt, entfernt und zugedeckt war, ließ man sie wieder schlafen. "Schlaf schon die Schmerzen aus, hm? Aber vorher, brauchen wir noch die Streckvorrichtung.", Hawkeye küsste sie auf die Stirn und ging. "Wenn Sie das sagen Dok?", lächelte sie. "Ich sage es. Er ist nur meine Assistentin.", scherzte Trapper. Als die Holzvorrichtung auf dem Bett aufgebaut hatten und ihr Arm, sowie das Bein an einer Schnur mit dem Gestell verbunden war, wurden die Zehen und die Finge langsam taub.

Sie schlief und das nicht zu wenig. Sie wurde einmal wach, als sie sich mit der Infusionsschnur verhakt hat und auch einmal, als sie das Knie verdreht hatte. Ihr wurde auch zwischendurch eine Infusionen von Houlihan angehängt. Richtig ausgeschlafen, wurde sie am Nachmittag wach. Ihr Arm und ihr Knie schmerzten noch und auch der ganze Rest. Als sie sich aufsetzen wollte, fiel sie hustend zurück. Was war da nur passiert? "Vier Rippenbrüche. Ich würde mich nicht bewegen.", sagte Trapper. Sie sah nach oben. Er stand genau hinter ihrem Kopf und schrieb etwas am Klemmbrett. "Ich bin an das Bett genagelt.", bedauerte sie. "Kann man so sagen. Wenn du schön still liegst..." "...wird es schneller heilen, ich weiß." "Möchtest du etwas von dem Unterhaltungsprogramm sehen?" "Wie sieht das denn aus?" "Weiß nicht. Warte kurz." Zurück kam er mit Hawkeye. Den setzte er an die Bettkante und verschwand wieder. "Du bist das Unterhaltungsprogramm?", fragte sie lächelnd. "Was bin ich? Ich bin doch nur der Mechaniker und soll den Jeep reparieren." "In einem Doktorenkittel?" "Die blaue Montur war leider aus, da musste ich etwas Schlichteres nehmen." "Zu auffällig." "Ach ehrlich? Warte kurz, du bekommst noch eine Infusion." Zurück kam er mit einer Flasche durchsichtiger Flüssigkeit, die er gegen die leere austauschte. Er setzte sich wieder zu ihr. Er hielt ihr ein Buch vor die Augen. Sherlock Holmes. "Ich hab mich doch getäuscht. Ich bin ein Bibliothekar und ehrenamtlich hier.", scherzte er. Hawk lehnte sich an das Fußende mit dem Rücken, legte ein Bein an die Kante entlang und das andere stand auf dem Boden. Er schlug das Buch auf und begann zu lesen: "Der Mord in Abbey Grange. Es war an einem bitterkalten Wintermorgen des Jahres 1897, als jemand meine Bettdecke wegzog und mich munter machte. Es war Holmes. Die Kerze in seiner Hand warf einen hellen Schein auf mein Gesicht, und ich merkte auf den ersten Blick, dass er etwas Wichtiges..." Hawkeye las und las ohne Ende, bis er selbst fast eingeschlafen war. Sie stupste ihn mit dem heilen Fuß an und er holte sich zurück. "...das wir heute Abend ein gutes und wahres Urteil gefällt haben."

[1] M*A*S*H | Chemical EssentialWhere stories live. Discover now