Das Recht zu Schweigen auf Ewigkeiten

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Hawkeye sah erschrocken Trapper an und rannte dann ihr nach. Durch die ganzen Ärzte und Krankenschwestern, die sich wegen des Schichtwechsels nun so sammelten. Sie war verdammt schnell, obwohl sie nur ging. "Hardcase. Michaela." Er drehte sie um und sie wehrte sich. Zappelte mit den Armen und riss sich los. Sie hatte Tränen in den Augen und auch auf den Wangen. Er drehte sie wieder um und hielt sie nun fest. An den Oberarmen. Er drückte sie an seine Brust und sie beruhigte sich langsam wieder. Er küsste sie sanft auf die Haare und legte seine Wange auf ihren Kopf. Sie waren schon außerhalb des Lagers. Dort konnte sie im Schatten der Dunkelheit kaum jemand sehen und wenn es so wäre, dann wäre es ihm egal. Ihm war es egal, was die Armyvorschriften zu einer Beziehubg von Offizieren und Unteroffizieren besagt. Dass er deswegen in Gefängnis kommen könnte. Alles egal. Ihm brach es nur das Herz sie so zu sehen, er wollte es nicht so belassen. Es war so, als würde sie all seine Sorgen von ihm nehmen. Und er hoffte, dass es bei ihr auch so ist. Dass er es auch erreichte. Sie schniefte kurz. "Danke." "Danke müsste ich sagen." "Wieso?", sie sah ihn an. Ein paar Tränen rannten noch über ihre Haut. "Seitdem du hier bist, operiere ich zweimal so gut und die Patienten sind auch besser aufgelegt.", lächelte er. Sie seufzte kurz und ihr knappes Lächeln wurde wieder traurig. Sie legte ihren Kopf auf seine Brust und er legte wiederum eine Hand auf ihre Hinterkopf. "Wollen wir zurück gehen? War ein langer Tag." Sie nickte, er legte einen Arm um ihre Schultern und sie gingen zurück. Sie sträubte sich etwas und strich sich die Tränen aus dem Gesicht. "Geben jetzt deine Füße auch noch nach?", scherzte er. Doch Michaela war gerade gar nicht danach. Es war dieser eine Brief. Dieser eine Satz, der ihr ganzes Leben gerade verändert hatte. Sie begann wieder langsam zu weinen und Hawkeye blieb stehen. "Ist das Lager nicht genug? Wir können auch hinter die Front ziehen, falls es dir da besser gefällt." Sie drückte sich wieder an ihn und begann zu weinen. Er wusste beim besten Willen nicht, was er tun sollte, noch was passiert war. Er hätte den Brief vorher lesen sollen. Ach, vielleicht hätte er es sowieso nicht verstanden. "Du, mein Mädchen, brauchst jetzt etwas Schlaf." Nach diesen Worten nahm er sie auf die Arme und trug sie zurück zum Sumpf. Sie hatte ihr Gesicht so tief in seinem Ärmelstoff vergraben, wie es nur ging. Mitten im Zelt blieb er stehen. Sie löste sich nicht von ihm. Es war hoffnungslos. Er wusste nicht, wie er es anpacken sollte oder was er auch nur tun könnte um ihr das Leben und die derzeitige Lage etwas leichter zu machen. Trapper hielt ihm den Brief hin. Und sein Finger lag an der letzten Zeile, genau ober der schlingenreichen Unterschrift.

...haben Sie sicher gehört. Hier bedauere ich Ihnen mitteilen zu müssen, Sergeant Michaela McLennon, dass Lieutenant Henry McLennon, Agent Alena McLennon und Major Bernard McLennon gestern, während des schweren Bombenanschlages, an der Front gefallen sind...

Er biss die Zähne zusammen. Das hat er jetzt nicht erwartet. Alle auf einmal. Ihre Eltern und ihr Bruder nahm er an. Trapper faltete das Papier zusammen und schob es zwischen die ganzen Zettel, die sich über die Wochen angesammelt hatten und die er immer zwischen den Bettrahmen und die Kastenwand gesteckt hat. Michaela weinte immer noch an seinem Arm. Er setzte sich auf sein Bett und rüttelte sie leicht wach aus der Dauerschleife. Er legte sie auf die Matratze, ging auf die andere Seite und kuschelte sich zu ihr. Zog die Decke über beide. Hawkeye legte seinen Arm um ihre Schulter, auf das Kopfkissen und sie legte ihren Kopf auf seinen Arm. Er küsste sie noch sanft auf die Stirn und drückte sie noch etwas fester an ihn heran. Normalerweise hätte er heute Nachtschicht, doch das war im Moment gerade wichtiger. Er konnte sie nicht alleine lassen. Das letzte Mal ist ein Virus in ihr ausgebrochen, als er das getan hatte. Doch jetzt könnte sie das tun, was er sich in seinen schlimmsten Träumen nicht einmal vorstellen will.

Sie hat noch viel geweint. Es waren tausende von Tränen. Da kam ihm Burns gerade zum schlechtesten Zeitpunkt in die Quere: "Pierce, was denken Sie sich eigentlich! Das..." Natürlich hat er rumgebrüllt wie ein Irrer und sie fast aufgeweckt. Sie schlief noch nicht ganz, doch sie wird bald eingefangen und erlöst von den süßen Traumen, die ihr vielleicht eine bessere Welt zeigen, als sie in Wirklichkeit ist. Trapper hat Burns mit der Hand vor dem Mund aus dem Zelt, rückwärts, gedrückt und ihm mal gesagt was gerade Sache ist.

"Sind Sie jetzt total verrückt?", fragte der Captain. "Ich soll verrückt sein? Pierce hätte Nachtschicht und ihm fällt nichts besseres ein, als mit dem Sergeant im Bett zu liegen und Schäfchen zu zählen. Ich...", das hatte Colonel Blake sogar noch gehört, auf der anderen Seite des Lagers. "Jetzt halten Sie aber mal die Luft an, Frank. Sergeant McLennon hat gerade einen Brief bekommen." "Na und? Wir bekommen doch alle Briefe." "Der Brief war von General Campbell. Ein Beileidsschreiben. Ihre ganze Familie, alles was sie hatte, ist gerade an der Front gestorben. Und sie hat es mit einem verdammten Blatt Papier mitbekommen, ist aus dem Zelt gerannt und an Hawkeye geklammert, auf dessen Armen, ins Zelt getragen worden. Dieses Mädchen braucht ihn jetzt. Sie beschweren sich darüber, dass er seine Nachtschicht nicht macht, doch Pierce ist gerade dabei zwei Leben zu retten." "Wie meinen Sie das?", wurde er leiser und horchte den Worten des Captains. "Das ihrige und das seiner Seele. Wenn Sie noch etwas auf dem Herzen haben, Major, oder wollen, dass Captain Pierce seine Nachtschicht macht, dann holen Sie ihn aus dem Bett und zerren Sie ihn in die Chirurgie. Lassen Sie das Mädchen allein. Sie ertränkt in Tränen und kann weit mehr anrichten, als Ihnen lieb ist. Und genau das versucht Pierce zu verhindern. Sie sieht keinen Ausweg mehr und versucht sich das Leben zu nehmen. Wenn Sie dafür verantwortlich sein wollen, gehen Sie in den Sumpf, sonst haben Sie das Recht zu Schweigen auf Ewigkeiten." Trapper ging an dem Chirurg vorbei, da nun auch seine Schicht beginnt. Frank war ruhig und das war sehr schwer zu erreichen. Er wusste, dass Frank noch so viel Hirn besitzt und jetzt wieder in die Chirurgie zurückgeht, ohne auch nur die Tür des Sumpfes zu berühren.

[1] M*A*S*H | Chemical EssentialWhere stories live. Discover now