Wellenbrecher

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Paul

Sie lebt alleine, weil ihre Eltern tot sind. Und ich war eifersüchtig und besorgt, falls sie einen Freund hat. Wie konnte ich nur so naiv sein? Ich bin draußen hin und her gelaufen, eine Theorie nach der anderen entwickelnd, dabei ist alles ganz anders. Als sie das sagt, spüre ich eine Welle aus Trauer, Schmerz und Wut von ihr ausgehen.

Es fühlt sich an, als würde man einen Kübel voller Eiswasser über mich kippen. Von oben bis unten versteift sich mein Körper.

Ich will sie in den Arm nehmen, bin aber kurzzeitig einfach gelähmt, von den Emotionen.

„Ist alles gut, Paul?" höre ich sie flüstern.

So leise, dass ich nicht sicher bin ob sie es tatsächlich gesagt hat. Doch dann fühle ich, wie Wärme mich flutet, sie legt ihre Hand auf meine Schulter, lässt sie über meinen Rücken gleiten und verharrt dort. Ein Schauer läuft über mich. Es ist, als wäre ich die erste Berührung überhaupt, die ich jemals spüre. Als würde ihre Hand unter meiner Haut streicheln.

„Ja. Ich.... Es tut mir leid. Ich wollte nicht..." Ich stammele nur wirres Zeug. Aber was sollte ich sonst sagen? „Schon gut. Alles okay mit dir? Du siehst gar nicht gut aus." Ich nicke, doch Enola hält mich prüfend eine Armlänge von sich weg.

„Irgendwie haben deine Gefühle gerade auf mich abgefärbt." Ich schließe die Türe hinter mir, durch die ein eiskalter Windhauch hereinweht um Enolas Beine. Sie zittert und ich werfe alle Bedenken über den Haufen. Meine Arme schlingen sich um sie. Einen Moment scheint Enola zu versteifen in meinen Armen, während ich einfach warte. Dann spüre ich ihre Hände an meinen Seiten.

„Wie abgefärbt? Wie Eier an Ostern?" Fragt sie und unter anderen Umständen hätte ich sicher gelächelt. Doch ihr flacher Atem an meiner Brust, macht die Gefühle nur noch stärker.

„Ich konnte fühlen was du fühlst. Du bist traurig, einsam und wütend. Oder? Ich wusste, dass das möglich ist. Aber ich dachte nicht, dass sich das so anfühlt."

Ich spüre noch mal eine Welle. „Hey ist gut." Ihre Stimme ist so ruhig, während sie versucht mich zu beruhigen. Doch ich spüre, dass es ihr nicht gut geht. In ihr ist alles zerbrochen und schmerzhaft.

Ich weiß nicht was ich tun soll. Ich bin ein emotionaler Trampel. Ich bin Paul, der impulsive im Rudel, der die anderen anspornt, sich mehr anzusträngen und sie durch Sticheleien zusammenzuhalten. Doch mit einer Frau, musste ich noch nie klar kommen oder sie beruhigen.

Ich drücke Enola enger an mich und flüstere: „Du brauchst Schlaf." Sie nickt und winkt mich mit sich ins Wohnzimmer. „Ich kann ohnehin nicht schlafen, wenn du da draußen herumläufst. Was hast du dir dabei nur gedacht?" Fragt sie, während sie sich aufs Sofa setzt und ihren Kopf müde nach hinten kippen lässt.

„Ich weiß nicht." Sage ich ehrlich und setze mich wieder neben sie. Ihr Blick liegt schwer auf mir und ich spüre immer noch den stechenden Schmerz. Wenn es für mich eine abgeschwächte Form ist, wie fühlt es sich dann erst für sie an?

„Was war das?" Fragt sie leise. Ich habe wohl einen Laut ausgestoßen. „Tut mir leid. Das war ich. Es fühlt sich unangenehm an, hier." Ich deute auf meine Brust, die immer noch in diesem unangenehm engen Shirt steckt. Mir ist ungemein warm, doch ich werde Enola jetzt nicht erschrecken, indem ich mich auch noch ausziehe.

Sie nickt und schiebt den Schleier ihrer Haare so hinter ihre Ohren, dass ich ihre geröteten Augen sehe. Ich ziehe die Luft ein und lege ihr meinen Arm um die Schultern, sie lässt es zu und lehnt sich an mich.

„Wie lange?" Frage ich und wir beide wissen genau, von was ich spreche. „Ein Jahr schon." Sie atmet flacher und ihre Emotionen gehen zurück, während ich sie festhalte. Es ist, als würden wir uns gegenseitig beruhigen und es gefällt mir besser, als ich gedacht hätte.

Wenn du nicht mehr von der Schwerkraft angezogen wirst - Twilight FFWhere stories live. Discover now