Kapitel 2

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"Milan Jucist", rief der Lehrer. Ich meldete mich: "Anwesend." Wie immer saß ich in der letzten Reihe ohne Sitzpartner. Als der Lehrer die ganze Liste durchgegangen war, holte er tief Luft und begann eine kleine Ankündigung zumachen: "Ich freue mich ein weiteres Jahr mit euch verbringen zu können. Wir werden wieder versuchen, Probleme aus dem Weg zu schaffen und eine Gemeinschaft zu bilden, um so euer gewünschten Abschluss zu erhalten. Daher bitte ich euch, Kilian Napey, willkommen zu heißen. Ich werde ihn jetzt herein bitten, um sich vorzustellen."

Ein Neuer? Wie ich meine Klasse kenne, wird er nicht begrüßt, sofort mit Fragen durchlöchert um seine Schwachstellen rauszufinden, um ihn später wie mich auszuschließen. Oder Kilian ist selbst einer dieser Menschen. Somit hätte ich in den nächsten paar Sekunden einen neuen Feind gewonnen.

Der Neue betrat nun das Klassenzimmer. Er schien überhaupt nicht angespannt zu sein, sogar eher gelassen, was man an seinem lockeren Gang bemerkte. Seine schwarzen Haare fielen ihm locker ins Gesicht. Den Rest konnte ich aus der Ferne kaum erkennen, außer seine Kleidung. Diese war sehr schlicht gehalten. Ein weißes Shirt unter einer schwarzen Jacke, Chucks und Jeans.

"Hey, ich bin Kilian Napey, 17, und bin hier weil ich sitzen geblieben bin.", sprach er mit einer ruhigen, aber tiefen, männlichen Stimme. Dann begab er sich zu meinem Tisch: "Ist da noch frei?" "K-Klar." Ich war ein wenig überrascht, da er so offen und gelassen war. Wie zur Hölle schafft er das?

Im Hintergrund konnte ich schon die verschiedensten Lästereien mitanhören: "Wie kann er nur neben Milan sitzen wollen?" Ich ballte meine Hände zusammen und verkrampfte meine Mundwinkel zu einem Lächeln. Ich war zwar viel gewohnt, jedoch war ich auch sehr verletzlich. Um mich abzulenken, versuchte ich meine Aufmerksamkeit Kilian zu widmen und stellte mich vor: "Ich bin übrigens Milan. Ich hoffe du kannst dich hier gut einfinden." "Wird schon.", lachte er.

In der Pause kamen sofort einige Schüler an unseren Tisch um ihn auszuquetschen. Ich schwieg und zeichnete vor mich hin. Kurz spitze ich den Bleistift an, um bessere Linien ziehen zu können. Dann lauschte ich den Gesprächen, ich kam ja sowieso nicht drumherum.

"Hast du später Lust, nach der Schule noch draußen zu chillen?" Er sagte natürlich zu. Wie schaffte er es so beliebt zu sein? Dann verschwand die Gruppe auch gleich wieder. Ich richtete meine volle Konzentration wieder aufs Zeichnen. Aufeinmal spürte ich Blicke und wurde nervös. "Was zeichnest du da?", fragte Kilian interessiert. "Ich weiß noch nicht genau. Einen Jungen wahrscheinlich. Menschen kann ich am Besten." "Ich kann gar nicht zeichnen.", lachte er, "Bei mir werden das höchstens ein paar Striche, wie eine Kinderzeichnung." "Glaub ich dir nicht. Die Meisten behaupten sie seien schlecht. Das stimmt aber nicht. Beweis es mir." Ich reichte ihm meinen Bleistift und riss ein Blatt aus dem Block. "Hier, fang an!" Er grinste, überlegte kurz und begann eine Form zu zeichnen. Kilian schaute mehrmals nach vorne. Anscheinend versuchte er etwas abzuzeichnen. Ich drängte mich näher an ihn, um es zu erraten. Mehrere Linien strichelte er um das Oval. Es könnte eine Person werden. "Zeichnest du jemand Bestimmtes?", fragte ich während er die Orte der Gesichtsmerkmale anordnete. "Ja, das Mädchen was mich vorhin gefragt hat, ob ich nach der Schule mitkomme. Hab leider ihren Namen wieder vergessen... irgendwas mit E glaub ich." Hatte er Interesse an ihr gefunden? Ich weiß nicht wieso, irgendwie versetzte mir das einen Stich in den Bauch. "Elena, heißt sie." "Ah stimmt, danke." Inzwischen war er fertig. Die Zeichnung war wie erwartet perfekt. Man konnte ihre perfekten Locken und langen Wimpern erkennen. Er hat sie anscheinend analysiert. Typischer Junge. War ja klar. "Was ist los? Wirkst irgendwie enttäuscht?" "Alles Gut. Bin nur ein wenig eifersüchtig auf deine Zeichenkünste." Und auf Elena. Aber das verschwieg ich lieber.

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