Kapitel 9

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Als ich aufwachte, verstand ich für einen Moment nicht, wo ich war. Nachdem ich mich umgeschaut hatte und es mir wieder einfiel, erschrack ich. Mein Kopf lag auf seinem Schoß. Sofort schoss mir Wärme in die Wangen und sie drohten zu explodieren. "Na du Langschläfer!", grinste er von oben auf mich herab. "D-das ist nicht so wie es aussieht!", schrie ich hektisch und begab mich auf Anfangsposition. Kilian lachte nur: "War ich bequem?" Ich grummelte etwas Unverständliches vor Scham. "Wie spät ist es?" "Kurz vor Schulbeginn. Hab schon ne' Email geschrieben, dass es dir nicht gut ging und ich mich mitangesteckt hatte. Da wir erst zusammen im Krankenzimmer war, wird er uns das abkaufen. "Waaaas!?" Ich konnte kaum glauben, dass ich so gut geschlafen hatte. Er schien auch nicht sauer gewesen zu sein. Oder angewidert. "Hast du auch geschlafen?" "Ein bisschen... vielleicht.", beruhigte er mich. Ausgeschlafen wirkte er aber ganz und gar nicht. Hoffentlich hatte ich keine peinlichen Sachen im Schlaf gemacht. "Hast du Hunger?" "Ja.. immer. Wieso?" "In der Nähe ist ein Bäcker. der macht in einer Stunde auf. Könnte uns was holen!" "Oh ja gerne!" Zu Essen würde ich niemals nein sagen.

Auf einmal klingelte sein Handy und unterbrach unser Gespräch.

"Kilian Napey. Womit kann ich helfen?"

Die andere Stimme am Telefon war kaum verständlich.

"Ne ne. Hab mich angesteckt, schätze ich."
"Ja, neidisch!? Spaß. Hast was dagegen?"
"Das hat doch damit nichts zutun."
"Denk schon."
"Tschau."

"Wer war das?", durchlöcherte ich ihn, auch wenn es ein wenig unhöflich war. "Elena, die hat mich wohl vermisst." Hmpf. "Ihr seid aber schon eng befreundet." "Joa, geht. Sie ist ein wenig nervig. Aber ist doch eigentlich wumpe." Hmm, für mich nicht. Ich bekam schon einen bitteren Geschmack auf der Zunge wenn ich den Namen aussprach. "Und darum konntest du dir ja auch die Details beim Zeichnen merken. Ihr kanntet euch da wenige Sekunden." "Hab ein gutes bildliches Gedächtnis. Du würdest den Grund dahinter eh nicht verstehen, also sei leise und unterstell mir nichts." Er wurde ein wenig wütend. Meine Eifersucht kontrollierte mich: "Deine Jacke kannst Elena auch geben. Das würde sie bestimmt freuen." "Jetzt reichts aber mal. Komm runter! Was ist los mit dir?" "Ich hasse dich. Du bist total beliebt in der Klasse, jeder mag dich und du wirst überall hin eingeladen! Und für mich interessiert sich niemand. Im Gegenteil. Geh wieder zurück in deine alte Klasse oder bleib daheim."

Ich hasse dich.

Natürlich war das gelogen. "Behalt die.", sagte er und verschwand aus der Hütte. "Warte!", rief ich hinterher und griff meine Hand in seine Richtung, doch er ignorierte es. Mist! Ich war so ein Dummkopf! Immer musste ich das Thema ansprechen. Dabei wollte ich ihn nur für mich alleine. Wahrscheinlich fing er mich immer mehr an zu hassen, da ich die Freundschaft zwischen den beiden irgendwo verurteilte oder gefährdete. Was wäre wenn die beiden zusammenkommen würden und er wäre dafür mega glücklich? Ich wollte ihn glücklich sehen, nicht wütend machen. Vielleicht durfte ich irgendwann gar nicht mehr an seiner Seite sein. Was wäre schlimmer?

Ich wollte mich persönlich bei ihm entschuldigen. Doch zuerst, begab ich mich nach Hause.

Mir kam die geniale Idee, auf der Telefonliste seine Nummer zu suchen und über seine Eltern seine Adresse rauszufinden. N... ah da! Tatsächlich.

"Tanja Napey, guten Tag."
"Hi, ich bin ein Klassenkamerad von ihrem Sohn Kilian und wollte mich erkundigen, ob er daheim ist wegen Hausaufgaben vorbeibringen?"
"Nein, er ist gestern Nacht nicht nach Hause gekommen. Er hat bei jemandem übernachtet. War er nicht in der Schule?" Oh. Uhm. "Doch aber in der letzten Stunde hatte er ein Termin bei einem Lehrer um eine Arbeit nachzuschreiben und dort haben wir was aufbekommen." "Das ist echt freundlich von dir! Soll ich ihm was ausrichten wenn er daheim ist? Vielleicht kann er dich per Telefon erreichen?" "Nein danke. Muss ihm nur Arbeitsblätter vorbeibringen." "Wenn du magst kannst du auch jetzt vorbeikommen. Er wird bestimmt nichts dagegen haben. Du kannst ja solange im Zimmer auf ihn warten." Dann schrieb ich mir die Adresse auf, die sie mir durchgab und machte mich auf den Weg.

Sie öffnete mir die Tür und wies mich in den 2. Stock. Das Haus war gigantisch. Und nun wartete ich. Sein Zimmer war ein wenig unordentlich. Einige Poster zierten die Wand und auf seinem Schreibtisch lag ein Zeichenblock. Ob er das wohl merkt, wenn ich da reinspicke? Bestimmt nicht... . Ich blätterte durch. Eine Zeichnung von der Hütte, ein Selbstporträt, eins von dem Wald und - ein Bild von mir wie ich schlief. Auf der nächsten Seite eins, wo wir beide umarmend drauf waren. Als ich die nächste Seite anschauen wollte, ertönte das Geräusch der Treppe. Schnell schloss ich den Block und setzte mich aufs Bett. Ich hätte zu gerne die nächsten Bilder gesehen.

Dann öffnete er die Tür.

Just another gay storyWhere stories live. Discover now