Kapitel 2

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Ich wollte weg rennen, aber meine Beine bewegten sich einfach nicht. Stattdessen schrie ich. Brachte zwar nichts, doch zu mehr war ich in diesem Moment nicht fähig. "Wieso schreist du denn so?", hörte ich eine vertraute Stimme fragen. Das Licht ging an und ich erkannte die hochgewachsene Gestalt meines besten Freundes Kyle. Er Strich sich einige Stränen seines wirren braunen Haares aus der Stirn. Um seine leicht gelblichen Augen bildeten sich Lachfältchen und er grinste mich an. "Ich hasse dich, Kyle!", sagte ich halb lachend, halb grimmig. "Du hättest dein Gesicht sehen sollen, Teo!", er brach in Gelächter aus. Ich mochte meinen besten Freund sehr, doch ich hasste es, dass er mich zu jeder Gelegenheit erschrecken musste. "Ich hasse dich", wiederholte ich und boxte gegen seinen Arm, "Hast du nichts besseres zu tun, als mitten in der Nacht in mein Haus einzubrechen, nur um mich zu erschrecken?!" "Ach, nach all den Jahren kennst du mich immer noch nicht?", meinte er gespielt beleidigt, "Die Antwort ist nein. Nein, ich habe nichts besseres zu tun. Meine Eltern sind schon wieder bei einer ihrer vielen Partys oder im Urlaub, was weiß ich, und mir war langweilig. Also hab ich mir gedacht, dass ich dich ja mal wieder erschrecken könnte, weil du auch alleine bist." Es machte mich traurig, wie selbstverständlich er von seinen ignoranten Eltern redete. Sie liebten ihn nicht und ließen ihn das spüren. Meistens taten sie so, als würde er gar nicht existieren und blieben oft Wochen weg von Zuhause. Kyle musste schon seit er sechs war, fast komplett alleine zurecht kommen.
"Ach ja, hier ist deine Jacke, die du heute Nachmittag bei mir vergessen hast. Das ist der richtige Grund für meinen Besuch. Aber echt, du hättest dieses Fenster echt schließen sollen, bevor deine Eltern gegangen sind", meinte Kyle und hielt mir meine Jacke hin. Ich nahm sie an, ließ sie jedoch sofort wieder fallen. Ich riss die Augen weit auf. "Kyle!", meine Stimme wurde panisch schrill, "Das Fenster war zu als meine Eltern gegangen sind!" "Was?!", schrie mein bester Freund. "Ich... denkst du, dass... dass jemand hier ist, der nicht hier sein sollte?", flüsterte ich. "Ich weiß nicht... Schon möglich... Hast du etwas gehört?", wollte er wissen. "Naja, vor zehn Minuten war da ein Klopfen an meinem Fenster... aber selbst wenn ich mir das nicht eingebildet habe, kam es eindeutig von draußen", entgegnete ich. Mein Herz schlug schnell und mein Atem ging panisch. "Ich denke wir schließen jetzt erst mal das Fenster und durchsuchen das Haus nach Einbrechern", schlug Kyle vor. "Muss das sein? Ich meine wir können auch einfach weg rennen", piepst ich. "Komm schon, Teo, du kannst nicht immer weg laufen. Jetzt komm!", er schloss das Fenster und zog mich an der Hand in den Flur. "So, wo würdest du als Einbrecher zuerst hingehen?", fragte er dann. "Äh, vielleicht in den Raum, in dem mein Vater seine kostbaren und teuer erstandenen Kunstwerke aufbewahrt. Aber der ist besser gesichert, als der gesamte Rest dieses Hauses. Wie soll da jemand rein kommen, außer mein Vater?" "Gut", erwiderte Kyle, "Dann gehen wir da jetzt hin und gucken, ob nicht doch irgendwer durch die Sicherungen gekommen ist." Ich verstand nicht, wie Kyle in so einer Situation so ruhig bleiben konnte. Doch ich nickte nur und klammerte mich an seinen Arm. Zusammen stiegen wir die vielen Treppen bis zum dritten Stock hoch. Kyle meinte, dass wenn der Einbrecher fliehen wollte, er eher die Treppen benutzen würde, als den mehr oder weniger lauten Fahrstuhl und er uns dann so direkt in die Arme laufen würde. Mir gefiel diese Vorstellung zwar nicht, aber ich tat, was er sagte. Endlich kamen wir oben an. Die Tür des Kunstraumes meines Vaters war noch fest verschlossen und gesichert. Niemand war hier. Kyle schlug vor jetzt systematisch vorzugehen und eine Etage tiefer zu suchen. Ich stimmte ihm zu. Als wir jedoch im zweiten Stock waren, stieß ich einen leisen Schrei aus. "Was ist, Teo?", wollte mein bester Freund sofort wissen. "Meine Zimmertür!", japste ich, "Sie steht offen, obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass ich sie hinter mir zugemacht habe!" "Okay, dann muss die Person dort drinnen sein", jetzt zitterte selbst Kyles Stimme. Wir liefen zu meinem Zimmer und ich schlug auf den Lichtschalter. Was ich dort sah, verschlug mir den Atem. Ich kreischte auf. Mein Fenster stand offen und auf der Fensterbank saß ein seltsamer Junge. Er trug eine schwarze Maske, die sein gesamtes Gesicht bedeckte. Sie sah aus wie eine Dämonen Fratze. Er hatte strubbeliges, flammend rotes Haar und seltsamerweise hatte er schwarze, gekrümmte Hörner. Ich stutzte. Hatte er auf seinem Rücken etwa Flügel?! Tatsächlich waren es schwarze, rabenähnliche Flügel. Er trug eine ebenso schwarze Lederjacke und eine schwarze Hose. Auf meinen Schrei antwortete er mit einem Lachen. "Wer oder was bist du?", fragte Kyle ihn mit fester Stimme. Der Fremde ignorierte ihn und sprang von der Fensterbank. Langsam kam er auf mich zu, blieb jedoch einige Meter vor mir wieder stehen. Im Nachhinein war es ein Wunder, dass ich nicht vor Angst  in Ohnmacht gefallen bin. "Ah, Teona Raven.  Was für eine Ehre. Das Mädchen, das meinem Vater mit zwei Jahren nur knapp entkommen ist. Nun ja, obwohl du wohl eher in den Himmel als in die Hölle gekommen wärst...", sagte er. "W...was? Wer...wer bist du und... wovon redest du? D...dein Vater? Was hat er... mit mir zu tun... Und wieso Himmel und Hölle?", stammelte ich. "Ach", der Junge klang erstaunt, "Du weißt es gar nicht?" "N...nein... Wa...was denn?", stotterte ich. "Ich glaub es nicht! Deine Eltern haben dir nie erzählt, dass du mit zwei Jahren nach einem Autounfall mit deinen Großeltern fast gestorben wärst?!" "Was?!", schrie ich. Erzählte dieser seltsame Kerl da gerade die Wahrheit?! Und wenn ja, wieso zur Hölle hatten mir meine Eltern nie etwas davon gesagt?! "Tja, mein Vater hätte dich nur zu gerne zu sich geholt", seufzte der Fremde jetzt,"Und vielleicht wird er es ja auch bald tun, also sei auf der Hut." "Wer ist dein Vater?", fragte ich panisch. "Ach, sieht man das nicht? Ich bin ein Dämon. Mein Vater ist der Teufel. Und dieser Teufel könnte schon bald hinter dir her sein. Gute Nacht." Mit diesen Worten sprang er aus dem Fenster und... flog davon... Ich zitterte am ganzen Körper. "Kyle", sagte ich, "Du hast das auch gerade gehört, oder? Der Teufel will mich in der Hölle haben!!" Kyle, der kreidebleich war, nickte langsam.

Im Bann des Teufels [Completed]Where stories live. Discover now