Kapitel 13

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Für einen kurzen Moment spürte ich meinen Körper nicht mehr. Sekunden später stand ich mit Lucifer in einem lichten Wald. "Da hinten auf dem Berg ist eine Höhle, in der wir uns vorerst verstecken können, bis ich mir einen Plan überlegt habe", er deutete auf ein Gebirge am Ende des Waldes. "Und wie sollen wir da hoch kommen?", fragte ich unmotiviert. Er sah mich an, als hätte ich gefragt, wie man atmet. Zur Antwort spreizte er seine Flügel. "Ach so", machte ich und versuchte meine Flügel ebenfalls zu spreizen, doch es kostete mich volle Konzentration, da ich nicht an dieses zusätzliche Körperteil gewöhnt war. Lucifer nahm meine Hand und schwang sich in die Luft. Er zog mich mit, als würde ich nicht mehr wiegen als ein gewöhnliches Stofftier. Auf meinen fragenden Blick sagte er:"Dämonen sind stärker als Menschen. Jetzt konzentrier dich! Versuch mal mit den Flügeln zu schlagen." Ich schloss die Augen und konzentrierte mich nur auf die Flügel. Ich brauchte einige Minuten, bis sie sich wirklich bewegten. Erst langsam und dann etwas schneller. "Gut", lobte Lucifer mich, "Und nun versuch das Gleichgewicht zu halten, wenn ich dich los lasse." Er zog seine Hand aus meiner. Ich schaffte es einige Meter weit zu kommen, doch ein Windstoß erfasste mich und schleuderte mich durch die Luft. "Teona!", schrie Lucifer, "Pass auf!" "Ja wie denn?!", kreischte ich, "Ich habe die Kontrolle verloren!" Kurz bevor ich gegen einen Baum knallte, fing Lucifer mich auf. "Also für den Anfang war das gar nicht so schlecht", grinste er. "Willst du mich verarschen?", lachte ich, "Ich konnte mich gerade mal zwei Meter in der Luft halten, ohne vom Wind weggefegt zu werden!" "Wie auch immer...", er verstummte und schaute mich nur an. Ich starrte zurück. Seine Nähe verbreitete ein wohliges Gefühl in mir. "Ist irgendwas?", fragte ich erschrocken. "Ähm", er räusperte sich, "Nein... nein mir ist gerade nur aufgefallen, dass deine Augen... um die Pupillen irgendwie einen silbernen Schimmer haben... ungewöhnlich, aber hübsch... ähem vielleicht solltest du das mit dem Fliegen noch mal probieren, doch diesmal halte ich dich fest." Ich nickte.
Etwa eine viertel Stunde später landeten wir endlich am Eingang der Höhle. Es war zwar kein langer Weg gewesen, doch ich war so vorsichtig wie möglich geflogen und dadurch auch sehr langsam. Die Höhle war nicht sehr groß und finster. Trotz des heißen Sommerwetters draußen, war es dort drinnen sehr kalt, doch als Lucifer ein Feuer machte, verbreitete sich eine angenehme Wärme. Wir setzten uns auf den Boden. "Bist du eigentlich wirklich 16 oder schon älter?", wollte ich wissen, "Weil du ja ein Dämon bist..." "Ich bin tatsächlich älter", er fuhr sich grinsend durch die Haare, "Ich bin dieses Jahr 147 geworden." "Was?!", schrie ich auf. Er zog die Augenbrauen hoch und fing an zu lachen. Irritiert schaute ich ihn an. "Dein Blick!", keuchte er, "Unbezahlbar! Ich bin nicht 147. Aber auch nicht 16 sondern 18. Wäre ich älter gewesen, hätte Vater wahrscheinlich meinen 15-jährigen Bruder Zino für diesen Auftrag eingesetzt." "Hast du viele Geschwister?", fragte ich. "Ich habe fünf jüngere Schwestern. Mit Sianna, die ja leider mit 2 Jahren gestorben ist, wären es sechs gewesen. Und außerdem habe ich vier jüngere Brüder. Ich bin der älteste. Es wundert mich wirklich, dass mein Vater nicht schon früher darauf gekommen ist eigene Kinder zu bekommen und sie als Diener auszunutzen, obwohl er immer meint, er würde seinem 'eigenen Fleisch und Blut' mehr vertrauen, als irgendwelchen anderen Dämonen. Tja", er lachte düster auf, "da hat er bei mir dem falschen vertraut. Sein 'eigen Fleisch und Blut' lehnt sich gegen ihn auf..." Er brach ab und starrte zum Höhleneingang. Ich hörte es ebenfalls; Schritte. Lucifer sprang auf und stellte sich mit drohend ausgebreiteten Flügeln vor mich. Eine Gestalt erschien. "Kyle!", rief ich, als ich ihn erkannte, "Wie kommst du denn hier her?" Lucifers Flügel entspannten sich wieder etwas und er gab ein genervtes Schnauben von sich. "Werwölfe können sehr schnell laufen und ich wusste, dass ich euch hier finden würde", schnaufte Kyle, sichtlich außer Atem, "Lucifer, ich muss dir was sagen. Ich dachte immer, du wärst ein schlechter Kerl, doch jetzt ist mir klar geworden, dass ich der Idiot war, nicht du. Du musstest so sein, wie dein Vater wollte. Es tut mir so leid! Ich weiß, dass das, was ich deiner Schwester angetan habe unverzeihlich ist, aber diese ständigen Streitereien nerven wirklich. Es ist alles meine Schuld! Hätte ich alles früher kapiert, wäre das alles nie passiert. Ich konnte einfach nicht zusehen, wie mein bester Freund zum Tyrannen wurde und alle anderen schikanierte. Mir ist klar, dass meine Tat nicht einfach vergessen werden kann, aber unsere Freundschaft fehlt mir... Können wir nicht einfach noch mal neu anfangen?" Lucifer atmete tief ein. "Ich wollte es nie zugeben", begann er, "aber eigentlich habe ich dir schon vor Jahren verziehen. Es war zwar meine Schwester, aber du konntest ja nicht wissen, was passieren würde. Ich weiß, dass du mir und meiner Mutter das niemals absichtlich angetan hättest. Sie hat dir auch vergeben. Sie findet den Tod nicht schlimm und weiß auch, wie unwissend du damals warst. Wir können zwar nicht neu anfangen, aber die ganze Sache einfach wieder vergessen." "Moment, Moment, Moment!", sagte ich, "Ihr beide wart beste Freunde?!" "Ja", antwortete Lucifer, "Bis zur 1. Klasse. Dann passierte der ganze Schwachsinn mit unserer Prügelei und so. Naja ich glaube, er wurde schon nachdenklich, als ich mit vier Jahren meine Babysitterin mit dem Brotmesser ermordet habe...", bei dieser Erinnerung schaute er gequält drein, "Ihre Schreie verfolgen mich bis heute, aber Vater war so stolz auf mich, als er es erfahren hat. Zino, der damals ein Jahr alt war und zugesehen hat, hat mir erzählt, dass er Albträume davon hat..." Es wurde still. Nach etwa zehn Minuten meinte Kyle:"Ich muss wieder weg." Er lief hinaus. Ich starrte auf den Ausgang. Kyle hatte mich keines einzigen Blickes gewürdigt, was mich irgendwie kränkte. "Ist irgendwas?", Lucifer legte seine Hand auf meine Schulter. Ich schüttelte den Kopf. "Nein, alles gut."

Am nächsten Morgen weckte Lucifer mich gegen 6 Uhr.
"Wir brechen gleich auf", meinte er nachdem wir einige Beeren, die er gefunden hatte, gefrühstückt hatten. "Wohin?", erkundigte ich mich. "Hat etwas mit meinem Plan zu tun", antwortete er, "Ich werde ihn dir nicht erzählen. Du musst ihn nicht wissen." Bevor ich etwas sagen konnte, nahm er meine Hand und im nächsten Moment standen wir vor einem Tor, das zu einem riesigen Haus führte, welches eher wie ein Palast aussah. Lucifer öffnete das Tor. "Willkommen bei mir Zuhause", sagte er, "nach dir." Langsam ging ich durch. Ein komisches Gefühl überkam mich. Vorsicht!, zischte eine Stimme mir. Doch ich hatte keine Zeit zu reagieren, denn Lucifer drehte mir die Arme auf den Rücken und fesselte sie. "Tut mir leid", zischte er und lachte böse, "aber das gehört zu meinem Plan. Versuch erst gar nicht dich zu wehren, das bringt nichts. Jetzt beweg dich!" Er stieß mich vor sich her. "Was soll das?!", fragte ich. "Ich erfülle meinen Auftrag", er stieß mich die Treppe vor dem Haus hoch. Die Tür öffnete sich und ich stand vor zwei Dämonen, die die Tür bewachten. Als sie Lucifer sahen, senkten sie die Köpfe und traten zurück. Wir passierten eine riesige Eingangshalle, deren Wände mit Porträts des Teufels verziert waren. Schließlich betraten wir einen Raum, der an einen Trohnsaal erinnerte. Der Teufel saß in einem Sessel hinter einem Tisch. Neben ihm stand eine zarte Frau mit dunkel braunen Haaren und königsblauen Augen. Sie hatte silberne Hörner und genauso silberne Flügel. "Lucifer!", hauchte sie und lief auf ihn zu. Sie umarmte ihn kurz. "Wieso?", wisperte sie, "Wieso tust du das?" "Ich habe keine andere Wahl, Mutter", flüsterte er. "Venus!", fauchte der Teufel. Lucifers Mutter senkte beschämt die Augen zu Boden und ging zurück zu ihrem Mann. "Lucifer", sagte dieser kühl, "Du hast dir aber viel Zeit gelassen. Ich hatte schon die Befürchtung, du hättest angefangen dieses Mädchen zu mögen." Lucifer schnaubte spöttisch. "Ich? Dieses Mädchen mögen?", er lachte, als wäre diese Vorstellung komplett absurd, "Sie bedeutet mir genauso viel, wie der Dreck unter meinen Schuhen! Ich musste nur ihr Vertrauen gewinnen und ihr das Gefühl geben, ich wäre auf ihrer Seite. Sie hat mir tatsächlich geglaubt. Was hast du jetzt mit ihr vor? Wirst du sie gleich umbringen?" Blinde Wut überkam mich. "Du bist so ein verlogenes Arschloch!", schrie ich, "Ich habe dir vertraut! Ich dachte du hättest ein Herz! Ich habe geglaubt, du wärst innerlich doch nicht so böse, kein Monster!" Kurz schwieg Lucifer. "Tja", sagte er dann leise, "falsch gedacht." "Ich habe jetzt noch viel zu tun", sagte der Teufel, als hätte er uns nicht gehört, "Aber später habe ich Zeit. Sperr sie bis dahin ein!" Lucifer packte mich und zwang mich durch eine Tür und eine Treppe runter, während ich schrie und mich wehrte, doch er war zu stark, sodass ich nicht gegen ihn ankam. Er stieß mich in eine Zelle und verschwand. Die Zelle war sehr klein. Bis auf eine Steinbank und viel Dreck gab es dort nichts. In der Wand war ein kleines rechteckiges Loch, durch das ich in die benachbarte Zelle sehen konnte. Vorsichtig schaute ich hindurch. "Patrizio?!", entfuhr es mir. Er schaute auf. "Sieh an", knurrte er feindselig, "Das Mädchen mit der besonderen Kraft, die den Teufel unbesiegbar machen wird. Ich schwöre dir, wenn ich hier rauskommen sollte, bevor sie dich geholt haben, bringe ich dich um!" "Und wie?", fragte ich ohne nachzudenken, "Ich bin ein Dämon." "Ganz toll", spottete er, "Wird ein Kinderspiel für mich als Vampir..."

Im Bann des Teufels [Completed]Where stories live. Discover now