Kapitel 4

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Ich wollte nicht auf diese Schule und tat auch nicht so, damit meine Eltern kein schlechtes Gewissen hatten. Nein, ich ließ sie spüren, dass ich nichts von ihrer 'tollen' Idee mich auf Abstand mit meinen alten Mitschülern zu bringen hielt, indem ich die gesamte Autofahrt schweigend aus dem Fenster schaute, meine Musik extra laut, damit ich auf keine Fragen antworten musste.
Nach einer gefühlten Ewigkeit blieben wir stehen und mein Vater parkte. Wir stiegen aus und natürlich dauerte es nicht lange, bis meine Eltern wieder von Fans umringt waren. Ich kämpfte mich durch die Schar Menschen und sah mich um. Vor mir stand ein riesiges Backstein Gebäude, über dessen Eingang groß "Richwood High" geschrieben war. Überall standen Autos und Eltern, die sich von ihren Kindern verabschiedeten. Ich sah eine dreiköpfige Familie, nicht weit von mir entfernt. Ein Mann holte einen Koffer aus dem großen Auto, während die Eltern sich nicht allzu herzlich von ihrem Sohn verabschiedeten. Sie sagten beide etwas, nickten dem Jungen kurz zu und fuhren davon. Ihr Sohn blieb alleine mit seinem Koffer zurück, während er dem Auto Emotionslos hinterher schaute. Er war in meinem Alter -also 16- und ungefähr so groß wie Kyle, der einen halben Kopf größer war als ich. Der Junge hier, war ziemlich gut gebaut. Seine Haare waren dunkel braun und seine Augen waren blutrot. Er war eindeutig kein Albino, warum hatte er so rote Augen? Doch ich musste zugeben, dass er extrem gut aussah, auch wenn seine Augenfarbe ihm etwas gefährliches verlieh. Er drehte seinen Kopf und sah mir direkt in die Augen. Ich wollte mich abwenden, doch es war, als ob sein Blick mich fesselte und es mir unmöglich machte weg zu schauen. Irgendwann wandte er sich um, nahm seinen Koffer und ging auf den Eingang des Internats zu. Es war, als würde ich aus einer Erstarrung aufwachen. Schlagartig drehte ich mich um, um zu bemerken, dass sich die Menschenmenge um meine Eltern aufgelöst hatte und die beiden meinen Namen riefen. "Teona, wieso antwortest du nicht?", wollte meine Mutter wissen. "Ich... äh... Ich war wohl irgendwie in Gedanken versunken", sagte ich schnell. "Wir müssen jetzt los", meinte sie, "Viel Spaß und ruf uns ab und zu an. Bis zu den Herbstferien!" Sie umarmte mich fest und lief zum Auto. "Du schaffst das, Teona. Auf Wiedersehen." Auch mein Vater umarmte mich und folgte meiner Mutter. Weg waren sie. Und was jetzt? Erst mal rein gehen, dachte ich. Mein Rollkoffer, der mindestens zwei Mal so breit war wie ich selbst und beinahe halb so groß wie ich, war sehr schwer, weshalb ich lange brauchte, bis ich beim Haupteingang angekommen war. Ich betrat eine große Eingangshalle mit Mamorboden. Vor mir befand sich eine Rezeption, hinter der eine junge Frau stand. Ich ging hin. "Guten Tag, was kann ich für Sie tun?", begrüßte sie mich. "Äh, hallo. Ich bin neu hier...", sagte ich etwas unbeholfen. "Name?", fragte die Frau freundlich. "Teona Raven", antwortete ich. "Bist du die Tochter von Lucius und Andrina Raven?", erkundigte sie sich, wobei sie leicht aufgeregt klang. Ich nickte. "Dein Zimmer ist im dritten Stock. Raum 324. Wie es aussieht ist deine Mitbewohnerin schon oben. Da sind die Fahrstühle. Hier ist dein Schlüssel. Deinen Stundenplan und den Essensplan findest du in deinem Zimmer. Ich wünsche dir einen schönen Aufenthalt", sie hielt mir eine Schlüsselkarte hin. Ich nahm sie, bedankte mich und zerrte meinen Koffer zu einem Fahrstuhl. Wie in der Eingangshalle waren Boden und Wände mit Mamor verkleidet. Auch im dritten Stock war alles aus Mamor. Es war ein langer Flur mit unendlich vielen Türen. Nur wenige andere Schüler waren unterwegs. Mein Koffer war ziemlich laut und ich war froh, als ich endlich den Raum mit der Aufschrift '324' erreichte. Ich öffnete die Tür und stand in einem großen Flur, der ungefähr genauso  groß war, wie mein Zimmer Zuhause. Zu meiner Linken befand sich eine Garderobe, an der bereits eine Strickjacke hing, die wahrscheinlich meiner neuen Mitbewohnerin gehörte. Unter der Jacke standen viele Paare Schuhe. Von Sportschuhen zu Ballerinas bis Highheels. Ich zog meine eigenen Schuhe aus und stellte sie daneben. Der Flur führte direkt in ein Wohnzimmer mit Holzboden, der mit weißen, weichen Teppichen ausgelegt war. Im Raum standen ein Sofa und zwei Sessel, ein Flachbildfernseher und ein Esstisch, um den vier Stühle gestellt waren. Außerdem gab es eine kleine Küche. Von diesem Zimmer führten links und rechts zwei Türen in andere Zimmer. Ich öffnete die linke, hinter der sich ein riesiges Badezimmer befand. Der Boden und die Wände waren mit Steinplatten verkleidet. Es gab eine Dusche, eine Badewanne, eine Toilette und zwei Waschbecken. Ich trat wieder ins Wohnzimmer und seufzte erleichtert auf. "Noch mehr Mamor und ich wäre verrückt geworden", sagte ich zu mir. "Ja, das habe ich mir auch gedacht, als ich neu war. Aber jetzt habe ich mich mittlerweile daran gewöhnt", meinte jemand. Wie aus dem Nichts stand plötzlich ein schwarzhaariges Mädchen vor mir. Sie hatte große, braune Augen und war um die zehn Zentimeter kleiner als ich. Ihre Haare hatte sie zu einem Zopf nach hinten geflochten. Sie grinste mich an. "Ich bin Alice Smith. Deine Mitbewohnerin", stellte sie sich vor, "Uuh, ich bin so aufgeregt! Ich hatte in den vier Jahren, in denen ich hier schon zur Schule gehen noch nie eine Mitbewohnerin. Ich habe hier immer alleine in dem Zimmer gewohnt. Und wer bist du?" "Teona Raven", antwortete ich. "Raven?", hakte Alice sofort nach, "Wie Lucius und Andrina Raven? Sind das deine Eltern?" Ich nickte. "Uuh", machte sie erneut, "Dein Vater ist so cool! Aber deine Mutter liebe ich noch viel mehr! Die Hälfte meiner Klamotten ist von ihrer Marke! Siehst du? Ich trage heute sogar ein Kleid von ihr!" Alice zeigte auf ihr rosanes Sommerkleid mit weißen Stickereien. "Ich habe genau das gleiche", bemerkte ich, "Sie hat es mir vor einigen Tagen geschenkt." "Echt? Cool! Hey, deine Augen haben aber eine schöne Farbe!", meinte Alice. "Findest du? Auf meiner alten Schule war diese Augenfarbe der Grund, warum ich gemobbt wurde und das wiederrum ist der Grund, warum ich hierher geschickt wurde. Um Abstand von den Leuten meiner Schule zu haben", erzählte ich. "Das ist ja gemein! Die waren doch nur neidisch auf deine coolen Augen!", sie lachte mich an. Ich lachte zurück. Mit diesem Mädchen könnte ich mich sehr gut verstehen. "Komm, pack doch deine Sachen aus! Auf deinem Bett liegen übrigens Zettel, die wichtig sind", Alice lief voraus und öffnete die Tür am anderen Ende des Wohnzimmers. Ich holte meinen Koffer und folgte ihr. Das Schlafzimmer war gemütlich und einladend eingerichtet. Von allen Möbeln hier gab es jeweils zwei Stück. Es sah aus, als wären es zwei Zimmer, die genau gleich waren. Zwei Betten, zwei Schränke, zwei Schreibtische mit Stuhl und Laptop und zwei Nachttische neben den Betten. Der einzige Unterschied war, dass auf meiner Seite des Zimmers ein Fenster über dem Tisch war. Ich zog meinen Koffer zu meinem Schrank und Alice half mir alles auszuräumen. Dann setzte ich mich auf mein Bett und studierte den Stunden- und Essensplan. Morgens ab halb sieben bis acht gab es Frühstück, da um acht der Unterricht begann. Nach jeweils zwei Unterrichtsstunden gab es 15 Minuten Pause. An 13:15 Uhr war eine Stunde Mittagspause, in der es Mittagessen gab und von 14:15 Uhr bis 15 Uhr zwei Tage die Woche (Dienstag und Donnerstag) hatte ich einen Sportkurs. Ab 18 bis 20 Uhr gab es dann Abendessen. Am Wochenende gab es ab acht bis zehn Uhr morgens Frühstück und Mittagessen war von 12 bis 14 Uhr. Am Abend blieb alles so. Ab 22:30 Uhr war Nachtruhe und wer dann noch außerhalb seines Zimmers erwischt wurde, der konnte mit Nachsitzen rechnen. "Wenn du deine Klamotten waschen willst, ganz hinten im Gang draußen ist ein Waschraum, den wir uns mit den Jungs dieser Etage teilen", informierte mich Alice, "Hier auf dem Gang sind nur Leute, die in der 10. Klasse sind. Unter uns sind die 11. Klassen und im ersten Stock die 12. Über uns die 9. und so weiter. Soll ich dich vielleicht mal über das Gelände draußen führen? Aber du solltest dir was anderes anziehen. Du wirst sonst in deinen langen Jeans sterben, denn hier ist es viel wärmer als irgendwo anders im ganzen Land. Oh, und vielleicht machst du dich noch irgendwie zurecht. Vielleicht etwas Lippenstift oder so. Es werden viele Leute draußen sein, da könntest du schon mal einen guten Eindruck machen. Uuh, soll ich dir die Haare flechten?" Sie drückte mir mein Kosmetiktäschchen in die Hand. Bevor sie mich aus dem Zimmer in Richtung Badezimmer schieben konnte, griff ich schnell nach irgendeinem Kleid, das oben lag. Erst im Badezimmer fiel mir auf, dass ich das Kleid genommen hatte, das auch Alice heute trug. Ich wette sie wird vor Freude ausrasten, dachte ich schmunzelnd. Ich zog mich um und stellte mich vor den Spiegel. Eigentlich schminkte ich mich nur zu großen Anlässen. Ach ja und zu Premieren meines Vaters... Schulterzuckend trug ich etwas Lippenstift und Wimperntusche auf. Kaum war ich wieder in unserem Zimmer, schrie Alice wie erwartet entzückt auf. "Du siehst fabelhaft aus!", rief sie und kicherte, "Ist ja witzig, dann sind wir gleich an unserem ersten gemeinsamen Tag im Partnerlook unterwegs! Komm, ich flechte dir jetzt auch einen Zopf!"
Sie brachte mich außerdem dazu schwarze Ballerinas anzuziehen -wie sie selbst. Ich fand es zwar etwas albern, dass wir fast gleich aussahen, doch andererseits war ich zu froh darüber, dass sie sich nicht über meine Augen lustig machte, um etwas dagegen zu sagen. Wir betraten einen Fahrstuhl, in dem schon zwei andere Mädchen standen und sich lachend unterhielten. Sie hatten ebenfalls die gleichen Outfits an und die selbe Frisur. Hier auf der Richwood High war es wohl nichts seltsames, dass zwei Mädchen fast gleich aussahen. "Hey Teona, mir ist gerade eingefallen, dass wir uns noch unsere Schul-Uniformen abholen müssen", meinte Alice plötzlich, "Das können wir ja machen, nachdem ich dich hier herumgeführt habe." Der Fahrstuhl hielt an und wir stiegen aus. Ich lief direkt in einen Jungen rein. "Oh, entschuldige!", sagte ich schnell. Doch der Junge starrte mich nur an. "Teona?!", rief er erstaunt auf.

Im Bann des Teufels [Completed]Opowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz