Kapitel 10

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Ich saß auf dem Sofa und starrte das Paket meiner Eltern an. Wollte ich es übermorgen überhaupt aufmachen? Ich warf es auf einen Sessel und ging ins Schlafzimmer. Kaum war ich durch die Tür, schrie ich auf. Der Dämon saß auf der Fensterbank und sah sich gelangweilt im Raum um. "Ach hallo, Teona", sagte er gespielt überrascht, "Wie geht es dir?" "Was willst du?", meine Stimme zitterte. Er stand auf. "Nur etwas überprüfen", sein Tonfall war gefährlich leise. Langsam kam er auf mich zu und umkreiste mich ein Mal. Ich wünschte mir Alice wäre hier, damit ich nicht alleine mit ihm sein musste, doch sie hatte ihren Blazer irgendwo liegen gelassen und suchte ihn gerade. "Ähm... Und wa...was willst du über...überprüfen?", stammelte ich. Er schwieg und musterte mich. "Dich", zischte er plötzlich. Der Dämon schnippste einmal. Ich wurde in die Luft gerissen und konnte nichts mehr bewegen, bis auf meine Augen. Ich atmete hektisch. Was hatte er vor? Er schnippste nochmal mit den Fingern. Auf einmal wurde mein kompletter Körper eiskalt. Die Kälte kroch in meine Glieder und betäubte meine Angst. Da ging die Tür auf und Alice kam rein. Sie war nicht mal richtig im Raum, schon fing sie an zu kreischen. Ich überlegte, wie es für aussehen musste. Ein seltsamer Typ mit Flügeln betrachtete ein Mädchen, das einige Meter über dem Boden schräg in der Luft hing. Der Dämon stöhnte genervt auf. "Halt die Klappe!", fuhr er meine Mitbewohnerin an, doch als diese nicht aufhörte zu schreien, streckte er eine Hand in ihre Richtung aus und sie erstarrte. Wie ich konnte sie nur noch ihre Augen bewegen. Jetzt murmelte der Dämon unverständliche Worte und plötzlich schoss grelles Licht aus meinem Inneren. Ich erschrak. Hätte ich meinen Mund bewegen können, hätte ich womöglich aufgeschrien. "Aha", machte der Dämon. Er machte mit einer Hand eine Geste zum Boden hin und ich wurde wieder zu Boden gelassen. Die Wärme kam zurück in meinen Körper und ich löste mich aus meiner Starre. Es war unglaublich erleichternd, sich wieder bewegen zu können. "Ja, du bist sehr interessant für den Teufel", sagte der Dämon, "Nimm dich in acht." Er machte eine Geste zu Alice hin, woraufhin auch sie wieder aus ihrer Starre gelöst wurde. Der Sohn des Teufels sprang aus dem Fenster. Ich lief hin und starrte runter. Er landete gerade in einem Busch. Kurz darauf kam ein normaler Junge heraus. Ich konnte nicht erkennen wer es war, da es zu dunkel war. Der Junge ging nun auf einen Seiteneingang zu und betrat das Gebäude. Dieser Dämon ging also auf dieses Internat! Mich überkam ein unwohles Gefühl. Plötzlich hörte ich, wie jemand den Korridor unserer Etage entlang rannte. Eine Tür knallte und es war still. "Wa...was... Wer...wer war das? W...wer war das? Wie...was...wieso... Du hast geleuchtet!", stotterte Alice. Ich überlegte ob ich ihr vom Teufel erzählen sollte. Sie würde mich bestimmt für verrückt halten... naja, sie hatte das doch gerade selbst gesehen. "Ähm... Das mag vielleicht etwas seltsam klingen und bitte halte mich dann nicht für verrückt wenn ich es dir erzählt habe", begann ich, "Das war ein Dämon. Der Sohn des Teufels. Er meint, aus irgendeinem Grund würde der Teufel hinter mir her sein. Das war nicht das erste Mal, dass er gekommen ist. Am Tag bevor ich hierher gekommen bin war er bei mir Zuhause. Und wie es aussieht ist er ein Schüler auf dieser Schule." Alice riss die Augen auf. "Der... Teufel?", hauchte sie, "Er... er... ist hinter dir her?" Ich nickte langsam. "Oh scheiße", wisperte sie, "Ich wusste es! Ich wusste, ich habe den Typ schon mal gesehen." "Was redest du da?" Alice war diesem Dämon schon mal begegnet?! "Dieser Kerl. Der Sohn vom Teufel...", Alice' Stimme zitterte, "...hat meine Großeltern umgebracht. Er meinte, sie hätten eine Abmachung mit dem Teufel gemacht und sich nicht daran gehalten, weshalb die beiden sterben sollten. Ich war dabei. Da war ich 12 Jahre alt. Ich weiß noch, dass ich gerade bei ihnen zu Besuch war, als dieser Dämon plötzlich da war und irgendwas von dieser Abmachung geredet hat. Nachdem er meine Großeltern getötet hatte, kam er auf mich zu. Ich glaube er hat überlegt, ob er mich auch umbringen soll oder nicht. Aber er hat es nicht getan. Er hatte damals keine Maske getragen, doch ich kann mich nicht mehr an sein Gesicht erinnern. Ich weiß nur noch, dass er aussah, als wäre er ebenfalls erst 12 Jahre. Warte... jetzt wo ich darüber nachdenke, erinnert mich dieser Dämon an jemanden, den ich kenne. Ich komme aber nicht drauf, an wen..." Ich nahm mir vor, mir zu merken, wie viele Jungen mit roten Haaren auf diese Schule gingen.

Diese Nacht wurde ich von Alpträumen geplagt. Der Teufel verfolgte mich, mit der Absicht mich zu töten. Kurz darauf sah ich, wie Lucifer Kyle die Kehle aufschlitzte. Keuchend fuhr ich hoch. Mein Atem ging schnell und ich war schweißgebadet. Es war noch dunkel im Zimmer. Von Alice kam ein leises Schnarchen. Ich schaute auf meinen Handy. 5:23 Uhr. In etwas mehr als einer Stunde musste ich sowieso aufstehen und schlafen konnte ich ganz bestimmt nicht mehr, also ging ich duschen.
Fertig geduscht, saß ich auf meinem Bett und schaute auf die Uhr. Es war gerade mal viertel vor sechs. Ich entschied vor dem Frühstück joggen zu gehen. Alice hatte mir erzählt, dass viele Schüler, wenn sie joggen gingen, gerne den Waldweg entlang liefen, was ich jetzt auch mal machen würde. So leise wie möglich zog ich mich an und verließ das Zimmer.
Die Luft draußen war erfrischend kühl. Ich lief über das Gelände zum Wald. Es war noch dunkel, denn durch die dichten Äste der Bäume drang kein Licht der gerade aufgehenden Sonne hindurch. Plötzlich hörte ich Stimmen. "...Ich warne dich! Untersteh dich es zu tun!", fauchte jemand. Es war Nelios Stimme. "Ich habe keine andere Wahl", gab eine andere Stimme zurück. Es war die von Lucifer. Was machten die beiden so früh am Morgen im Wald? Ich blieb stehen und sah mich um. Zwischen den Bäumen konnte ich zwei Silhouetten ausmachen. "Du weißt genau, wie er ist, wenn ich versage!", fuhr Lucifer fort. "Ja, aber du musst doch nicht immer tun, was er sagt. Wehr dich mal, zeig ihm, dass du ein freier Mensch bist!", sagte Nelio, worauf Lucifer bitter auflachte. "Verstehst du es echt nicht?! Ich bin kein freier Mensch! Ich wurde nur geboren, um seinen Diener zu spielen! Wenn ich auch nur versuchen würde, mich gegen ihn aufzulehnen, würde er mich sofort vergiften und sterben lassen." "Gut, dann mach es und zerstöre gleichzeitig unsere Freundschaft, wenn du willst", meinte mein Bruder. "Nelio, verdammt noch mal!", rief Lucifer entnervt auf, "Ich will das doch gar nicht, wann verstehst du das endlich?! Ich muss das tun oder es wird nicht nur schlimme Folgen für mich, sondern auch für dich und deine ganze Familie haben!" "Ja ja, ich verstehe es doch", die beiden bewegten sich aus dem Dickicht zum Weg hin, "aber ich finde, du könntest dich wehren. Du bist stark genug!" Sie kamen immer näher. Was sollte ich tun?! Ich wollte nicht, dass sie mich beim Lauschen erwischten, also tat ich so, als ob ich einfach nur vorbei joggen würde. "Ich? Stark genug um gegen ihn anzukommen?", Lucifer schnaubte. "Ja", erwiderte Nelio, "Weißt du nicht mehr? Damals in der 5. Klasse, nachdem du dieses Ehepaar umgebracht hast..." Er unterbrach sich. Sie waren auf dem Weg angekommen, blöderweise genau vor mir. Die beiden starrten mich an und ich blieb wie angewurzelt stehen und starrte zurück. Was hatte mein Bruder da gerade gesagt?! Lucifer hatte bitte was getan?! Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. "Oh scheiße", fluchte er, "Ich weiß, was du jetzt denkst, Teona, dass ich ein Mörder bin und so, aber ich kann das erklären!" Ohne groß nachzudenken wirbelte ich herum und rannte los, so schnell ich konnte. In meinem Zimmer angekommen, schlug ich die Tür zu und lehnte mich dagegen. Ich war komplett außer Atem. Alice kam im Pyjama und mit verstrubbelten Harten verschlafen in den Flur geschlurft. "Was is? Warum bissu so fertig?", murmelte sie, noch im Halbschlaf. "Ach nichts", keuchte ich und rang nach Atem, "Ich war nur grade... joggen." "Okay, bin dann mal im Badezimmer", gähnte Alice und schlurfte weiter ins Bad.

Diesen Morgen verließ ich das Zimmer extra früher als sonst. Die Geschichte mit dem Ehepaar hatte mich verunsichert und ich hatte wenig Lust Lucifer zu begegnen. Er hatte zwar gesagt, er könne es erklären, aber ich konnte mir keine vernünftige Erklärung dafür denken. Offensichtlich war er ein Mörder. Doch seltsamerweise fühlte ich mich trotzdem noch immer zu ihm hingezogen. Was war nur falsch mit mir?! Ich war in einen Mörder verliebt, den ich gerade mal drei Tage kannte! Das war albern und komplett dämlich! Ich war so in meinen Gedanken versunken, dass ich gar nicht merkte, wo ich hin lief. Wo war ich? Na ganz toll, jetzt habe ich mich auch noch verlaufen!, dachte ich. Gerade wollte ich um die Ecke biegen, als ich Lucifer und Nelio dort stehen sah. Ich presste mich an die Wand. "Ist dir klar, in was für eine blöde Situation du mich gebracht hast?!", fuhr Lucifer Nelio gerade an. "Ich kann doch nichts dafür, dass sie genau in dem Moment durch den Wald gelaufen ist!", fauchte Nelio zurück. "Ist mir klar, aber du hättest das echt nicht durch den ganzen Wald posaunen müssen", entgegnete Lucifer, "Wie soll ich ihr das jetzt erklären?! Warte... Ich glaube jemand ist hier..." Oh nein! Meine Knie wurden weich. Was soll ich tun, was soll ich tun, was soll ich tun?!, hämmerte es in meinem Kopf. Ich wollte mich leise wegschleichen, doch eine Hand legte sich auf meine Schulter und zwingte mich mich umzudrehen. Lucifer, der einen halben Kopf größer war als ich, blickte zu mir runter, direkt in meine Augen. "Es kann sein, dass du das heute im Wald falsch verstanden hast", er sprach so eindringlich, als wollte er mich manipulieren, "Ich habe niemanden umgebracht. Du kannst es nicht verstehen, wenn du damals nicht dabei gewesen bist." Aus irgendeinem Grund glaubte ich es sofort. Lucifer nahm die Hand von meiner Schulter und wandte den Blick ab. "So", meinte er dann, "nachdem wir das jetzt geklärt hätten, ich bin mir sicher, dass es zu deinem Klassenraum da lang geht. Komm. Nelio, wir sehen uns in der Pause." Er zog mich in die andere Richtung davon.

Im Bann des Teufels [Completed]Donde viven las historias. Descúbrelo ahora