Kapitel 11

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Als ich die Augen aufschlug war es bereits hell. Ich schaute mich um. Alice war nicht da. Ein Blick auf mein Handy verriet mir, dass es schon 09:04 Uhr war! Mist! Ich hatte verschlafen! Ich wollte gerade panisch aufspringen, als Alice herein kam. "Hä?!", entfuhr es mir. Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Heute war Samstag! "Happy Birthday!", rief Alice und umarmte mich. Ach ja, da war ja was... Mein Geburtstag. "Jetzt aber raus aus den Federn oder wir kriegen kein Frühstück mehr!", sagte sie.

Eine halbe Stunde später saß ich wieder auf dem Sofa mit dem Paket meiner Eltern auf dem Schoß. Ich seufzte kurz und öffnete es. Es war ein weißes Sommerkleid aus der neusten Sommerkollektion meine Mutter. Ich hatte es geahnt. Das Kleid bestand fast komplett aus Spitze und war mit Perlen bestickt. "Los, zieh es an! Und frisier dich und mach dich zurecht! Schließlich hast du heute Geburtstag! Hopp hopp!", Alice scheuchte mich ins Badezimmer. Ich zog das Kleid an, steckte meine Haare hoch und schminkte mich mit etwas Lippenstift und Wimperntusche. "Es hat geklopft!", brüllte Alice plötzlich. "Ich mache auf!", rief ich zurück. Ich lief zur Tür und öffnete sie. Kyle lächelte mich an. "Hey, Teo. Alles Gute", grinste er. "Danke. Komm rein und setzt dich aufs Sofa", sagte ich, "Alice, das ist mein bester Freund Kyle. Kyle, das ist meine Mitbewohnerin Alice." Kyle nickte ihr zu und hielt mir ein kleines Päckchen hin. Es war ein goldenes Armband mit einigen kleinen Anhängern, das ich schon lange haben wollte, aber ich war mir nie nie sicher, ob ich es kaufen sollte. "Dankeschön", strahlte ich und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Es klopfte wieder. Ich machte auf. Da stand Lucifer. "Wow, du siehst bezaubernd aus!", entfuhr es ihm. "Ähm.. danke", ich lachte verlegen auf. "Ähem", er räusperte sich, "Nelio kommt auch gleich. Lass die Tür dann doch offen." "Ja mach ich. Komm doch rein", ich ließ ihn vorbei. Kaum war er im Wohnzimmer, stieß er ein genervtes Stöhnen aus. Kyle gab ein unmenschliches Knurren von sich und in seinem Blick lag etwas raubtierhaftes. "Habe ich dir nicht gesagt, dich von ihm fernzuhalten?", zischte er mir zu. "Sie kann denke ich selber entscheiden, mit wem sie ihre Zeit verbringt und mit wem nicht. Du brauchst ihr gar keine Befehle geben, Schoßhündchen", gab Lucifer zurück. "Jungs kommt schon!", sagte ich, "Entweder hört ihr auf euch gegenseitig anzugiften und vertragt euch wenigstens heute, oder ihr könnte beide wieder gehen!" Ich hörte, wie die Tür geschlossen wurde und Nelio kam auf mich zu. Er umarmte mich und sagte:"Alles Gute zum Geburtstag!" "Danke, gleichfalls", lachte ich. "Wer ist das denn?", fragte Kyle irritiert. "Das ist Nelio. Mein Zwillingsbruder", entgegnete ich. Kyle zog die Augenbrauen hoch. "Dein was?! Du hast einen Zwilling?!", rief er. "Ja", ich zuckte mit den Schultern, "Weiß ich aber auch erst seit vorgestern." Kyle musterte Nelio mit hochgezogenen Augenbrauen. Dieser drehte sich zu Lucifer um und flüsterte:"Ist er..." Lucifer nickte. "Ist er was?", hakte ich nach. "Ach", machte Lucifer und warf Kyle einen spöttischen Blick zu, "Hast du es deiner besten Freundin etwa nicht erzählt?" Was sollte Kyle mir nicht erzählt haben? "Das geht dich gar nichts an", knurrte Kyle. "Okay, was ist euer Problem?!", mischte ich mich ein, "Warum hasst ihr euch so?!" Kyle biss sich auf die Lippe. "Na, Kyle", Lucifer verschränkte die Arme, "Willst du deiner besten Freundin nicht erzählen, was du getan hast? Nein? Dann mach ich es eben." "Wehe! Ich warne dich!", zischte Kyle, doch Lucifer lachte nur. "Du weißt schon, dass du mich damit nur noch mehr motivierst Teona alles zu erzählen?", sagte er während Kyle die Augen verdrehte, "Damals auf der Grundschule hatten alle anderen Kinder Angst vor mir, nur Kyle nicht. Unter dem Druck meines Vaters wurde ich zum Tyrannen, gegen den selbst die Lehrer nichts unternehmen wollten. Nur Kyle hatte es sich zur Aufgabe gemacht, mich Tagtäglich zu provozieren, bis es ein Mal in einer Schlägerei endete. Er war aber nicht stark genug, um gegen mich anzukommen, also landete er im Krankenhaus. Dämlich wie er ist, wollte er sich natürlich an mir rächen. Doch anstatt mich anzugreifen, entschied er sich dafür, meiner 2-jährigen Schwester Leid zuzufügen. Er... verabreichte ihr ein Gift, von dessen Wirkung er keine Ahnung hatte. Und meine kleine Schwester starb..." Niedergeschlagen schaute Lucifer zu Boden. "Kyle, du hast was?!", kreischte ich. "Es... es war ein Versehen! Ich war sechs Jahre alt!", sagte Kyle. "Das ist keine Entschuldigung!", gab Lucifer zurück, "Aber lass uns Teona einen Gefallen tun und es jetzt einfach mal vergessen", er hielt mir eine kleine Schatulle hin, "Alles Gute, Teona." Ich nahm sie und klappte den Deckel auf. Dort drinnen lag eine silberne Kette mit einem blutroten Anhänger in Form einer fliegenden Taube, die so fein gearbeitet war, dass man jede einzelne Feder sehen konnte. "Wow, die ist wunderschön. Danke!", hauchte ich. Lucifer nahm die Kette und hängte sie mir um den Hals. "Sie soll dich vor bösen Kreaturen beschützen", meinte er. "Ha-ha-ha", sagte Kyle trocken. "Das ist übrigens echtes Silber", fügte Lucifer grinsend hinzu. Kyle verdrehte die Augen. "Ganz toll", knurrte er. "Was ist denn so schlimm an Silber?",wollte Alice wissen. "Nichts", entgegnete Kyle. Es klopfte erneut. Als ich die Tür öffnete, stand da Patrizio. "Ich habe gehört, du hättest heute Geburtstag. Ich wollte dir gratulieren. Darf ich rein kommen?" "Ja", ich trat zur Seite. Als ich die Tür schließen wollte, wurde sie aufgehalten und wieder aufgedrückt. Ich stöhnte leise auf. "Jason, was willst du?", fragte ich genervt. "Dir zum Geburtstag gratulieren", meinte er und betrat ungefragt das Zimmer. Ich seufzte und folgte ihm. Als er die anderen vier Jungen sah, lächelte er grimmig. "Sieh an, sieh an, sieh an. Wenn haben wir denn hier?", sagte er, "Ich kenne alle eure kleinen Geheimnisse, also probiert erst gar nichts!" Lucifer, Nelio, Kyle und Patrizio lachten. "Hat dein Vater mal wieder Spione ausgesandt?", spottete Lucifer. "Ja", erwiderte Jason, "Und er hatte sogar die 'Ehre' deinen Vater persönlich zu treffen." "Aha", machte Lucifer, "Und? Ist dein Vater lebend von diesem Besuch wieder gekommen?" Jason schnaubte. "Natürlich! Und ich weiß jetzt auch von deinem Plan." Nelio ging auf ihn zu und packte ihn am Kragen. "Erwähne ja nie wieder diesen Plan", zischte mein Bruder, "Ich warne dich!" "Ach und du bist Teonas Bruder", meinte Jason mit einem abfälligem Blick, "Natürlich willst du nichts von diesem Plan hören. Versuchst du denn nicht deinen kleinen Freund hier aufzuhalten?" "Ich bin sicher, er schafft es nicht", warf Patrizio ein. "Halt dich da raus!", fauchten Lucifer und Nelio gleichzeitig. "Ich denke, Patrizio hat recht", mischte sich Kyle ein, "Lucifer ist zu sehr von sich selbst überzeugt, um sich aufhalten zu lassen." Daraufhin verfielen die fünf in einen heftigen Streit. Alice und ich wechselten einen verständnislosen Blick. Mir ging ihr gestreite auf die Nerven. "Raus hier! Alle! Aber schnell!", schrie ich. Die Jungs verstummten und schauten mich an. "Habt ihr sie nicht gehört?!", kreischte Alice, "Los! Haut schon ab!" Patrizio, Nelio und Jason gingen zuerst. Nach ihnen Lucifer und dann Kyle. "Oh man, was war deren Problem?", seufzte Alice nachdem die Tür ins Schloss gefallen war. Ich zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung. Mich würde interessieren, was für 'kleine Geheimnisse' Jason meinte. Die anderen schienen das irgendwie gar nicht schlimm zu finden, dass er sie kennt." "Warte, hörst du das?", flüsterte Alice. Ich lauschte. Vom Flur her hörte man Stimmen. Ich ging zur Tür und öffnete sie einen Spalt. "...hat gar nichts was dich interessieren könnte, oder deinen dämlichen Vater!", zischte Kyle gerade. "Oh doch, du bist nur zu dumm um es zu erkennen", gab Lucifer zurück. "Ich warne dich, führe auch nur eine Phase deines Plans durch und du bist tot!", giftete mein bester Freund. "Versuch es doch", man hörte in Lucifers Stimme, dass er grinste. Ich riss die Tür auf. Die beiden standen sich in der Mitte des Korridors gegenüber. Einige schaulustige Schüler hatte es ebenfalls vor ihre Türen gezogen. Kyle zog sein Taschenmesser. Ich schrie auf und einige der anderen mit mir, doch Kyle störte es nicht. Er rammte es Lucifer direkt ins Herz. Dieser schaute es ein Mal kurz an und fing dann aber an laut zu lachen. "So viele Jahre", lachte er, "und das ist alles was du drauf hast?!", er zog das Messer aus seiner Brust, "Weißt du, ich würde dir damit gerne die Kehle aufschneiden. Aber ich töte nicht in der Schule." "Ach", spottete Kyle, "Bist du etwa weich geworden?!" "Nein", entgegnete Lucifer, "Ich kann es dir auch beweisen wenn du willst." Bevor mein bester Freund sich wehren konnte, hatte Lucifer ihn gepackt und gegen die Wand geschlagen. Er hob das Messer und schnitt Kyle damit ins Gesicht. "Und jetzt hau ab, Schoßhündchen", fauchte Lucifer. Kyle ließ sich das nicht zwei Mal sagen und lief davon. Ich rannte ihn hinterher. Er hatte den Fahrstuhl genommen, weshalb ich die Treppen nahm. Ich holte ihn kurz vor dem Haupteingang ein und hielt ihm an der Schulter fest. "Kyle...", begann ich, doch er unterbrach mich:"Nein, Teo, geh wieder rein." "Wieso?! Willst du mich loswerden?!", ich ließ seine Schulter los und verschränkte die Arme. "Nein, es ist nur... ich... ich mag dich irgendwie mehr, als nur freundschaftlich...", mit diesen Worten drehte er sich um und ließ mich stehen. Ich war sprachlos. Langsam ging ich zurück ins Gebäude. In unserem Flur stand noch Lucifer. Die anderen Schüler waren verschwunden. "Du... du hättest ihn nicht umgebracht... oder?", stammelte ich. Lucifer schüttelte niedergeschlagen den Kopf. "Doch hätte ich", meinte er, "Du kennst mich nicht. Ich bin ein Monster. Hätte Vater mir nicht ausdrücklich verboten, in der Schule zu töten, hätte ich Jason vor ein paar Tagen umgebracht. Als du mich und Nelio gestern reden gehört hast, das war kein Missverständnis. Ich habe dieses Ehepaar wirklich getötet. Ich bin ein Mörder. Meinen ersten Mord beging ich mit nur 4 Jahren und ich habe mich bis heute nicht gebessert. Du willst nicht wissen, wie viele Leute ich schon auf dem Gewissen habe." "Nein", hauchte ich und lief in mein Zimmer.

Im Bann des Teufels [Completed]Donde viven las historias. Descúbrelo ahora