8| Patsch

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-Nathans Sicht-

Noch immer verwirrt von dem Anwesen meiner Eltern und von der Tatsache, dass Claire meinen Dad bereits kannte, lehnte ich meinen Oberkörper nach hinten.

Nachdem sich Claire erneut umgeschaut hatte, hatte sie sich auf mein Bett geschmissen und war liegen geblieben. Ich musste sie dann erst einmal so hochziehen, dass sie zumindest aufrechter saß, damit sie den Film auch verfolgen könnte. Oder musste.

Doch auch jetzt, während der Film lief und Claire neben mir hinter Kissen versteckt die Szenen beobachtete – immer über die Dummheit der Menschen fluchend –, ließ mich das Verhalten meines Dads nicht los, aber noch weniger das vorherige Gespräch.

„Du kennst meinen Dad?" – „Ja, wir haben uns in der-"

Das war der Moment, in dem mein Vater sie panisch unterbrochen hatte, indem er laut lachte und meinte: „In der Stadt kennengelernt. Wir sind ineinander gerannt, nicht wahr, Claire?" Kurz zögerte sie. „Ja, sind wir."

Allein an Claires verblüfftem Gesichtsausdruck konnte ich die Lüge entlarven. Denn wenn Claire überrascht darüber ist, dass eine Tatsache, eine wahre Begebenheit vorliegt, dann zieht sie die Augenbrauen ein wenig hoch. Bei Lügen, die sie bemerkt, zieht sie sie zusammen.

Ein Pieksen in meine Rippen ließ mich aufzucken. Fragend blickte ich sie an und wartete auf ihre Anmerkung.

„Natti, hör auf, so in Gedanken versunken zu sein und fang an, den Film zu schauen."

Belustigt zog ich eine Augenbraue hoch, als sie mich bei dem Spitznamen nannte, welchen mein Vater zu nutzen pflegte. Dazu sagen tat ich jedoch nichts, weil sie Recht hatte. Ich sollte mich konzentrieren, immerhin hatte ich sie hierher eingeladen.

-

Einen Horrorfilm und viel Geschrei von Claire später lagen wir immer noch in meinem Bett.

Wir befanden uns in meinem Zimmer auf meinem Bett, schweigend und die Stille genießend. Ich hatte mich irgendwann während des Filmes an sie gekuschelt, mit der Ausrede, die Weihnachtstemperaturen seien zu niedrig für mich. Genau genommen war es nicht einmal gelogen, denn es war sehr kalt und ich trug lediglich ein T-Shirt und eine Jogginghose. Dass ich absichtlich ein T-Shirt heute Morgen angezogen hatte, um diese Ausrede später zu verwenden, verschwieg ich ihr.

„Claire, ich muss dir etwas über meine Familie erzählen", durchbrach ich die Stille und zog sie noch ein wenig näher zu mir. Den Kopf, welcher auf meiner Brust ruhte, wand sie ein wenig und vergrub ihn in meiner Halsbeuge, während sie auffordernd murmelte, zu reden.

Ein Lächeln entwich mir. Meine Hand, welche ich durch ihre Haare gleiten ließ, stoppte und piekte ihr stattdessen in die Wange. „Nicht einschlafen, Claire." Auch, wenn es bereits ein Uhr nachts war.

„Ich bin wach, keine Sorge", murmelte sie gegen meinen Hals. Wenn sie wüsste, was sie bei Jungs anrichten könnte. „Ach, bist du das?", lachte ich leicht und schaute zu ihr herunter. Wobei alles, was ich sehen konnte, ihre Haare waren, die mir ohnehin schon im Gesicht klebten.

Nach wenigen Sekunden seufzte Claire und stemmte sich mit einem Gegendruck auf meine Brust ab. Dass ihre Hände auf meiner Brust verweilten, auch als Claire bereits im Schneidersitz saß, und Muster draufmalte. Ihr schien es nicht einmal aufzufallen, wenn man ihre schläfrigen Augen beachtete, welche gedankenverloren auf ihre Finger starrten.

„Du weißt über meine Eltern Bescheid? Meine Mum, weltbekanntes Model, Teilinhaberin der Firma ‚Wills' und mein Vater, Gründer und Besitzer der Firma ‚Wills', Investor in Krankenhäuser, Produktion von Technik und blabla. Sie sind sehr berühmt, werden auf viele Galen eingeladen und ebenso müssen sie nahezu täglich an Geschäftsessen teilnehmen. Ich wollte kein Teil davon sein. Habe mich stets der Aufmerksamkeit entzogen und vermieden, in den Vordergrund zu gelangen und habe versucht, als ein normaler Teenager zu leben.

Hat bisher auch gut geklappt, mein Vater hat mich verstanden und wollte mich nicht nötigen, irgendwas zu tun. Meine Mutter hingegen fing an, es persönlich zu nehmen und mir anzuweisen, wie ich zu sein und zu tun hatte. Ich glaube, sie hat eine Art Hass gegenüber mir entwickelt. Seit meinem vierzehnten Lebensjahr hörte sie auf, mit mir zu reden, wenn es nicht nötig war. Wenn wir redeten, dann, weil sie mich zum Essen rief, meine Noten wissen wollte, mir Bescheid gab, unterwegs zu sein und auch, um mich zu warnen, keine Freunde einzuladen.

Neuerdings ist meine Mutter jedoch der Ansicht, mich in den Vordergrund zu rücken. Ich muss mit auf Geschäftsessen, Verantwortung übernehmen, öfter in der Firma vorbeischauen. Und wenn ich es nicht tue, dann verwehrt sie mir die Geschenke meines Vaters und diese sind für mich eines der Wichtigsten Dinge auf der Welt."

Zwanghaft lächelte ich sie kurz an, ehe ich zu dem eigentlichen Punkt kam, welcher für sie relevant zu wissen war. Während sie mir zuhörte, spielte sie an meiner rechten Hand.

„Was ich mit der ganzen Tragödie eigentlich sagen möchte, ist, dass ich in naher Zukunft nicht viel Zeit für dich finden werde. Für uns finden kann. Meine Mutter hat mich bei vielen Leuten als Gast angemeldet und ich kann mich nicht drücken, ohne, dass mir danach der Arsch versohlt wird. Tut mir leid, falls ich dich vernachlässigen sollte und sei mir nicht sauer."

Überrascht beobachtete ich, wie Claire anfing, müde zu lächeln. Ihre Hand hob sich und näherte sich meinem Gesicht, doch ich hätte nicht gedacht, sie würde tatsächlich die Dreistigkeit besitzen, mich zu *patschen*, wie sie es zu nennen pflegte, und sich dann wieder wie zuvor auf mich legen.

„Du bist doch blöd, wenn du denkst, ich wäre sauer oder so auf dich. Danke, dass du mir das sagst, das bedeutet mir viel. Und egal, was noch auf uns zukommen mag, wir schaffen das."

Und mit den Worten schlief sie wieder ein. Ein Glück, dass ich so ein aufmerksamer Freund war, und ihrem Bruder bereits ihr spontanes Übernachten hier mitgeteilt hatte.

Yep, ich mag das Patschen. xxT

Please, once againWo Geschichten leben. Entdecke jetzt