9| Gefühleschaos

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-Claires Sicht-

Eine Woche war bereits vergangen, das hieß, wir hatten den letzten Schultag, bevor die Weihnachtsferien anfangen würden. Den ganzen Tag hatte man bereits die Nervosität der jüngeren Schüler bemerkt, als auch die Erleichterung all der Schüler, die mit den Ferien erst einmal eine kleine Pause von den ganzen Prüfungen nehmen konnten. Ich gehörte zu ihnen.

Aber nicht nur deswegen freute ich mich auf die Ferien, sondern vielmehr wegen der damit freiwerdenden Zeit, die ich haben würde. Die letzten Tage hieß es hauptsächlich lernen und eher selten entspannen mit Freunden.

Aber man merkte uns allen an, dass wir diese Zeit nachzuholen wussten. Nicht umsonst würden wir uns draußen auf dem Schulhof gesammelt haben – umgeben von Schnee und Kälte –, um den letzten Schultag mit Chaos unter uns zu beginnen.

Dean, Phillip, Ashley, Logan, Liz und Jason saßen alle hier, sogar die Zwillinge und auch Nick. Nur Nathan war nicht hier.

„Bestimmt krallt er sich gerade Ivy", lachte Mike heimtückisch und wackelte dabei mit seinen Augenbrauen. Bei dem Gedanken wurde mir schlecht, vor allem, weil ich es nicht als abwegig betrachtete.

Zwar dachte ich letzte Woche, dass er vielleicht auch Interesse haben könnte, aber die ganze Woche hatte er sich mir distanziert und stattdessen die meiste Zeit mit Ivy verbracht.

Ich verstand es, wenn er sich distanzieren musste wegen seiner Familie, aber Ivy war kein Wunsch seiner Familie. Ivy war Nathans Wunsch alleine. Weshalb ich es wusste? Ganz einfach. Samstag hatten sich die beiden getroffen auf Wunsch von Mrs. Williams wegen der Nachhilfe. Sonntag waren sie hingegen aus.

Ivy ist definitiv ein Mädchen, welches schöne Bilder macht, um Erinnerungen festzuhalten, und dann im Social Network teilt. Es war von daher nicht schwer, zu sehen, dass die beiden zusammen im Disneyland waren. Aber es war okay. Ich meine, neben dem Stechen und der Enttäuschung, dass er die Zeit nicht mit mir verbrachte.

Ich wollte auch ins Disneyland.

Aber mir war bewusst, dass ich lediglich eifersüchtig war und daher keinen Grund hatte, beleidigt zu sein oder verletzt. Ich wusste schließlich, dass ich ihn mochte.

Naja, den Rest der Woche, also Montag bis heute, hatten wir uns kaum gesehen. Flüchtig getroffen, uns angelächelt und fertig. Sogar in Theater, wo wir normalerweise – sofern nicht gespielt wurde – den meisten Quatsch machten, war er mit Ivy gewesen, hatten ihren Text wiederholt und die Kussszene.

Bei dem Gedanken daran, wie sie sich geküsst hatten, wurde mir flau im Magen. Ich konnte den Gedanken einfach nicht unterdrücken, mir zu wünschen, ich sei an ihrer Stelle. Aber andererseits hatte mich dieser Kuss zwischen ihnen wieder auf den Boden der Tatsachen gebracht. Er mag gespielt sein, aber ich hatte an Ivys Körperhaltung gesehen, wie sie sich dem Kuss hingegeben hatte und selbst Nathan sie enger an sich gezogen hatte.

Ich fühle die Situation noch viel zu sehr in meinen Knochen.

Mich unwohlfühlend versuchte ich, mir meine Gefühlsachterbahn nicht anmerken zu lassen. Ich wollte wegschauen, der Wahrheit entgehen und einfach für mich alleine sein, aber meine Augen hefteten sich an die beiden Personen, welche sich leidenschaftlicher küssten, als ich mir einen Kuss bisher immer vorzustellen wagte.

„Sieh nicht hin, Claire", hörte ich das Murmeln von Dean, gefolgt von seiner Hand, die mitleidig meine mit Wärme umschloss. Ich reagierte jedoch nicht.

Von einem auf den anderen Moment spürte ich Jacks Anwesenheit hier. Als würde er mich betrachten, mich auslachen und sich amüsieren. Ich fühlte mich unwohl, ich fühlte mich gehasst und hässlich. Vielleicht war ich es äußerlich nicht, aber vielleicht hinterließ die Narbe an meinem Rücken ein großes Loch in mir, welches nun gefüllt von Unsicherheit, Hass und Verzweiflung gefüllt war. Und das Loch konnte nicht verdeckt werden. Es war da und es ließ mich mich hassen, weil ich vielleicht nur ein Kunststück von Jack war.

Und vielleicht dachte nicht nur ich so. Vielleicht war ich es einfach nicht wert.

„Claire, hallo? Hörst du uns?" Brutal wurde mein Bauch mit einer Wasserflasche attackiert, während acht Augenpaare auf mir lagen – Nick hatte seine Augen an Liz Lederarmband gekettet – und gespannt auf eine Reaktion von mir warteten.

Ich brachte ihnen aber nichts außer verwirrter Blicke entgegen, woraufhin sie seufzten. Naja, nicht jeder. Ich hatte nämlich noch einen Dean, der mich durchschauen konnte und beschützend seinen Arm um mich schlang und mich an seine Brust zog.

Tiefeinatmend versuchte ich, meine Fassung wiederzuerlangen, und krallte mich dabei an seiner Jacke fest.

„Nathan ist ein richtig großes Arschloch, wenn er sich tatsächlich für Ivy entscheiden sollte." – „Aber Ivy ist lieb zu uns! Sie spielt immer mit mir", unterbrach Nick den Aufmunterungsversuch.

Ein bitteres Lächeln breitete sich aus. Ja, sie war auch sehr lieb, darum sollten sie so etwas nicht sagen.

Nathan war gut bei ihr aufgehoben und sie passten zueinander. Sie passten besser zueinander.

„Claire, Nathans Vater veranstaltet Samstagabend eine Gala, das ist am 27. Dezember, um Weihnachten gemeinsam abzuschließen. Es wird sehr groß und bisher war es immer ganz lustig, wir haben auch gewichtelt und so. Erinnerst du dich daran, dass ich mal erzählt hatte, wie unsere Siedlung sich immer ab und an getroffen hat? Liegt daran, dass unsere Eltern alle ein Unternehmen oder Ähnliches führen. Ich würde dich gerne dazu einladen. Dean und Ash sind ja leider nicht da, Logan hatte mir auch bereits abgesagt, aber du kannst gerne noch jemanden mitnehmen."

Überrascht über den plötzlichen Themawechsel schaute ich Jason an, schwieg aber vorerst. Jason schien meine Zweifel bemerkt zu haben, denn er fing an, weiter zu erklären. Wie die Töchter und Söhne der Älteren einen eigenen Raum hatten, jeder seine Freiheiten hatte und es einfach Spaß machte, wenn man mit den richtigen Menschen war.

Ebenso von dem Wichteln, in dem ganz viele Geschenke, die von uns selbst gekauft werden mussten, einfach auf einen Stapel abgestellt wurden und wir dann jeder einfach irgendeines aussuchen durften. Das machten wir separat je nach Alter geteilt.

Ich mochte die Idee, sie war süß, aber dennoch hatte ich nicht so wirklich Lust darauf, wenn ich ehrlich zu mir selbst war. Aber ich hätte ohnehin nichts zu tun gehabt; von daher sagte ich einfach zu und hoffte, es nicht bereuen zu müssen.

Schöne Ferien an alle, die jz Ferien haben!xT

Please, once againWo Geschichten leben. Entdecke jetzt