12- Der Morgen danach

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Die riesigen Berge ragten in einiger Enzfernung vor mir auf. Überall um mich herum waren Bäume. Ich wusste nicht warum, aber ich musste so schnell wie nur möglich aus diesem Wald raus und in dieses Gebirge. Es schien, als würde mich eine unsichtbare Kraft dorthin ziehen.

Ich fühlte mich beobachtet und ich wusste, dass irgendwer hinter mir war. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, als ich plötzlich das Knacken von Zweigen hinter mir hörte. Ich wurde verfolgt. Mein Verfolger rief mir irgendetwas zu, doch ich konnte nicht verstehen was. War das etwa Nate?

Die Gipfel der Berge konnte ich, trotz der vielen Pflanzen um mich herum, gut erkennen. Ich fing an zu rennen, um schneller dort zu sein. Mein Herz schlug wie wild und ich merkte, wie mir langsam die Puste ausging.

Endlich hatte ich das Ende des Waldes erreicht und die Rufe meines Verfolgers wurden immer leiser. Ich konnte einen schmalen Durchgang in einer Felswand erkennen, auf welchen ich auch zielstrebig zu ging. Es schien, als würden die Berge anfangen zu flüstert. Ich verstand zwar nicht ganz, was sie mir sagen wollten, aber je näher ich dem Spalt kam, desto lauter wurde das Gemurmel.

Alles um mich herum war schwarz, als ich die Lücke erreichte und darin verschwand. Ich kam in einen kleinen Tunnel und ganz am Ende, konnte ich ein Licht erkennen. Doch die Stimmen wurden lauter und schallten in meinen Kopf.

Plötzlich konnte ich auch verstehen, was sie sagten. "Er war unglaublich! Seine Hände waren überall und er konnte einfach nicht genug von mir bekommen!"

Die Stimme gehörte eindeutig zu einem Mädchen und ich hatte das Gefühl, diese Situation schon einmal durchlebt zu haben. Zudem kam mir diese Stimme schrecklich vertraut vor und ließ mir das Blut in den Adern gefrieren.

Eine andere Stimme antwortete daraufhin. "Das glaub ich dir, June. Wie er dich gestern Abend angestarrt hat! So als würde er dich verschlingen wollen."

Ein Hauch von Neid schwang in der Stimme mit und plötzlich wusste ich auch, wer sich da unterhielt. June und ihre Freundin Charlotte.

Im Hintergrund konnte ich weiterhin verschiedene Stimmen hören, doch die der beiden, konnte ich am besten verstehen.

Plötzlich kam eine dritte Stimme hinzu, die mich direkt anzusprechen schien. "Das ist total eklig, wenn die sowas über meinen Bruder erzählen."

Das war Tatiana! Eindeutig war das meine beste Freundin und nun konnte ich mich auch daran erinnern, wo sich diese Situation schon einmal abgespielt hatte...

Es war in der Schule auf dem Gang. Twenty und ich waren an ihren Spind, als Nates Freundin June vorbei lief und Charlotte von ihrer gemeinsamen Nacht mit ihm erzählte. Das war, kurz nachdem sie zusammengekommen waren.

Damals hatte mich eine beißende Eifersucht gepackt, obwohl ich doch gar nicht mehr in Nate verliebt war.

Auch jetzt spürte ich einen starken Druck auf meinen Brustkorb und das Atmen viel mir schwer. Besonders als ich hörte, was June als nächstes sagte. "Als es dann vorbei war, hat er mir ins Ohr geflüstert, wie sehr er mich doch liebt. Es war ja so romantisch!"

"Ekelhaft." komentierte Twenty und ich konnte mir noch bildlich vorstellen, wie sie damals angewidert die Nase gerümpft hatte.

Der Druck auf meiner Brust wurde immer größer und ich fing an, den Gang entlang zu rennen. Weg von den ganzen Stimmen und weg von dieser grausamen Erinnerung.

Als ich das Ende des Tunnels erreicht hatte und ins Freie trat, hätte ich mich jedoch am liebsten wieder umgedreht.

Es schien, als würde die komplette Oberstufe hier versammelt sein. Alle angesagte Schüler standen in kleinen Grüppchen beieinander und unterhielten sich, doch als sie mich sahen, fingen sie an zu tuscheln und zeigten mit ihren Fingern auf mich.

100 Million Reasons Where stories live. Discover now