(kein) Mitleid

369 40 3
                                    


„Warum fragst du nicht?"

Meine Stimme zerschnitt die angenehme Stille zwischen uns und ich spürte mehr in der Luft, als das ich hörte, wie Hoseok aufblickte.

„Hm?"

Irritiert runzelte ich die Brauen und ließ meine Finger unmerklich stärker auf die Tastatur niederhämmern.

„Warum fragst du nicht warum ich blind bin?"

Stille war die einzige Antwort und zum ersten Mal wusste ich nicht, welchen Gesichtsausdruck Hoseok gerade hatte. Perplex, Traurig, Überrascht oder sogar Mitleidig? Ich biss die Zähne zusammen und versuchte das seltsame Gefühl, das ätzend wie Säure in meine Kehle stieg, abzuwürgen.

„Oder hat es dir Jimin schon erzählt?"

Meine Stimme war ruhig wie immer. Nichts verriet das plötzliche Chaos von grellfarbigen Gefühlen und Emotionen in mir. Mit jeder Sekunde die Still vorüberstrich, wurde ich irritierter. Am liebsten hätte ich die Tastatur gegen die Wand geschmissen und Hoseok zum Teufel geschickt, doch ich blieb weiterhin ruhig sitzen, tippte auf der Tastatur herum und biss die Zähne noch Fester zusammen.

„Jimin hat mir nichts erzählt", kam dann Hoseoks Stimme aus dem Off und erneut hatte ich nicht den blassesten Schimmer mit welcher Miene er mich gerade bedachte und anders als sonst, gab seine Stimme nichts über seine Gedanken preis.

„Ach nein? Ansonsten redet er doch auch gerne über andere Leute."

Meine Stimme triefte vor Sarkasmus und tief drinnen wusste ich, dass ich unfair war. Aber die Welt war eben unfair und ich gab im Moment einen Scheiß drauf, korrekt zu sein. Inzwischen war ich mir nicht mehr sicher ob das, was ich auf dem Keyboard schrieb überhaupt noch Sinn ergab und plötzlich hatte ich die unbändige Lust eine Schlägerei zu starten. Mir einfach eine zwielichtige Kneipe zu suchen, mich unter den Tisch saufen und dem nächstbesten Idioten der mich schief ansah die Fresse zu polieren.

„Yoongi, Jimin hat kein Wort über dich verloren..."

Doch ich hörte gar nicht mehr auf das was Hoseok sagte. Dieses unbeschreibliche Gefühl füllte inzwischen meinen ganzen Körper aus, ätzte sich schwer und beißend in meinen Magen und mein Herz. Die Luft im Raum fühlte sich unerträglich warm und schwer an. Bei jedem Atemzug hatte ich das Gefühl, dass meine Lungen mit Blei gefüllt würden.

„Wer erzählt denn nicht gerne über seinen behinderten Freund? Dann können die Leute schön Mitleid mit ihm haben und sagen wie schrecklich denn alles nicht ist und sich wie gute Menschen fühlen die aber in echt keinen Scheiß darauf geben-..."

Erst als sich zwei kühle, langgliedrige Hände um meine schlossen und abrupt daran zogen, sodass ich fast auf die Schnauze geflogen wäre, merkte ich, dass Hoseok aufgestanden war. Vor dieser seltsamen Wut schäumend wollte ich gerade loslegen und ihm gehörig den Kopf waschen, als mir ein Stoß vor die Brust die Sprache verschlug.

„Komm", Hoseoks Stimme war kühl und ein wenig distanziert, "wir gehen raus."

Ich war noch immer geschockt von seinem plötzlichen Handeln, sodass ich nichts weiter tun konnte als ein paar Sekunde wie versteinert da zu stehen. Dann setzte ich mich langsam in Bewegung und folgte Hoseoks in der Ferne verhallenden Schritten. Das ätzende Gefühl puhlte immer noch in meinem Magen, doch war die Intensität ein wenig zurückgegangen.

Wir liefen schweigend die Straße entlang, Hoseok ein paar Schritte vor mir. Die kühle Luft klärte meinen Kopf wieder ein wenig und ich musste zugeben, dass es nicht richtig von mir gewesen war auf Jimin los zu gehen. Nicht, dass ich das zugeben würde.

Das Schweigen zwischen uns zog sich in die Länge. Ich war immer noch frustriert, dass ich nicht wissen konnte, was Hoseok gerade dachte. Normalerweise, war es für mich nie ein Problem gewesen zu wissen welchen Gesichtsausdruck er gerade machte oder was er dachte und der Gedanke, dass ich das alles nur wissen konnte, weil Hoseok nicht versuchte es vor mir zu verstecken, dass ich nicht annähernd so gut war wie ich gedacht hatte, verursachte etwas in meinem Inneren von dem ich nicht genau wusste, was es war.

Nach und nach wurde ich ruhiger und plötzlich war mir mein Ausbruch mehr oder weniger unangenehm. Es war selten, dass mich etwas derartig aus der Fassung bringen konnte und wäre ich nicht Min Yoongi, Lord und Gott des Swags persönlich, dann hätte ich Angst. So aber stellte sich nur ein mulmiges Gefühl in meinem Magen ein, dass mir riet ein weniger vorsichtig um Hoseok herum zu sein.

Die kühle Nachtluft strich an meinen überhitzten Wangen entlang und biss in meine Nasenspitze. Hoseok lief immer noch einen Ticken zu schnell als das ich neben ihm hätte gehen können. Etwas, dass so manchen in meiner Situation irritiert hätte, mich aber freute. Hoseok nahm keine Rücksicht auf mich.

Blinded by your smileWhere stories live. Discover now