Grasgrün

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Die Sonne kitzelte in meiner Nase und ich nieste verstimmt. Eine Hummel summte dicht an meinem Ohr vorbei und ich erwischte bloß noch ihren pelzigen Hintern, als ich sie mit der Hand wegschubsen wollte. Ich war keine verdammte Blume.

Jimin sang leise irgendeinen Popsong aus dem Radio vor sich hin und ich hätte fast klein beigegeben und das Bild, dass sich einem bei unserem Anblick bieten musste, als idyllisch bezeichnet. Nur hatte ich keine Ahnung wie wir aussahen und ich war mir sicher, dass ich herausstach wie ein rostiger Nagel.

„Wir brauchen einfach ein bisschen Abstand voneinander", erklärte Namjoon gerade seine derzeitige Beziehungslage und verschlang dabei lauthals sein Sandwich.

„Es ist ja nicht so das ich sie nicht mag, aber... ich weiß auch nicht."

Ich seufzte leise in mich hinein und fragte mich zum X-ten Mal wieso ich mich in diesen Wahnsinn namens „draußen essen" mit hineinziehen hab lassen. Erneut nieste ich und rieb mir genervt meine juckende Nase. Plötzlich prickelte meine Haut und meine Nackenhaare stellten sich auf. Hoseok beobachtete mich vom anderen Ende unserer Runde. Irgendwo zwitscherte ein von Frühlingsgefühlen gepackter Vogel. Ich wandte das Gesicht halb ab und versuchte das ekelhafte brennen in meinen Augen und meiner Kehle los zu werden.

Unsere Freundschaft – wenn man das überhaupt noch so nennen konnte – stand schon länger unter keinem guten Stern mehr. Hatte sie vermutlich auch nie. Doch seit ich im Winter betrunken über Hoseoks Lippen hergefallen war, herrschte eine angespannte Atmosphäre die ich nicht ganz benennen konnte.

Ich hatte das Gefühl, dass Hoseok ein wenig mehr auf Abstand zu mir ging. Was mir natürlich auch ganz recht war, denn obwohl ich so tat als ob ich mich nicht mehr an die Küsse erinnern konnte, bekam ich ein unwohles Gefühl im Magen sobald ich weniger als ein paar Schritte von Hoseok entfernt war.

An die Küsse selbst dachte ich nicht wirklich. Na gut, ich dachte öfter daran als mir lieb war, aber immer noch seltener als es jeder normale Mensch getan hätte. Auch wenn ich betrunken war, hatte es gestimmt. So ein großer Unterschied zu einem Mädchen war es nicht. Hoseoks Gesicht war zwar Kantiger und die Haut um seinen Mund war rau von einigen Bartstoppeln gewesen, aber seine Lippen waren weich und warm.

Ich seufzte leise und legte den Kopf in den Nacken um nun doch ein wenig Sonnenlicht auf mein Gesicht fallen zu lassen. Aus alter Gewohnheit kniff ich die Augen zusammen, so als ob mich die Sonne blenden würde. Worüber dachte ich da überhaupt nach?

Hoseoks Blick kribbelte immer noch auf meiner Haut und ich runzelte genervt die Stirn.

„Ist was?"

Scheinbar hatte ich Namjoon mitten im Satz unterbrochen, denn plötzlich breitete sich Stille in der kleinen Runde aus. Irgendwo bellte ein Hund, ein Kind begann zu Brüllen und zwei Ente stritten sich weiter unten am Teich.

„Nein", kam Hoseoks ruhige Antwort nach einigen Augenblicken," Ich finde bloß, dass du gut im Sonnenlicht aussiehst, Hyung."

Jimin versuchte ein Kichern zu unterdrücken und ich vermutete, dass Namjoon mit ganz ähnlichen Problemen zu kämpfen hatte. Ich bemerkte wie mir die Röte den Hals emporkroch und riss eine Handvoll Gras aus.

„Ach leck mich doch, Jung Hoseok", knurrte ich und zupfte dann an meinem Shirt herum, welches an meinem überhitzten Körper zu kleben schien.

„Wenn du drauf bestehst", kam Hoseoks schlagfertige Antwort keine Sekunde später.

Fast verschluckte ich mich an meiner eigenen Spucke. Genervt schüttelte ich den Kopf und stieß laut die Luft zwischen den Zähnen hervor.

„Ich glaub Yoongi – Hyung mag dich", schaltete sich nun auch Jimins hohe Stimme ins Gespräch ein.

„Er lässt dir erstaunlich viel durchgehen. Ich würde mich sowas nie trauen."

„Ich weiß."

Ich würde mein Gehör darauf verwetten, dass Hoseok gerade zufrieden und selbstsicher lächelte. Genervt schüttelte ich bloß den Kopf und rupfte weiterhin Grashalme aus. Nichts was ich jetzt zu sagen hätte, würde sie davon überzeugen können, dass das genaue Gegenteil der Fall war.

Als wir einige Zeit später wieder Richtung Ausgang spazierten, klebten meine Finger von dem ganzen Pflanzensaft. Eine warme Hand die sich perfekt um meine legte, kam plötzlich aus dem Nichts und inspizierte meine – vermutlich giftgrünen – Finger. Ich wusste, dass es Hoseok war.

„Die Stelle an der du gesessen hast ist jetzt vermutlich kahl", merkte er an.

Meine Hand kribbelte. Ich zog sie nicht weg und ließ ihn weiter meine grünen Finger ansehen. Es hätte sowieso keinen Sinn sich zu währen. Hoseok klebte schlimmer an mir, als Kaugummi in den Haaren.

„Weißt du welche Farbe deine Finger gerade haben?"

Ich seufzte und unterdrückte ein Augenrollen. Wo waren die anderen?

„Grün", sagte ich monoton.

„Ja, aber welches grün?"

Hoseok ließ nicht locker und mein ohnehin schon dünner Geduldsfaden wurde fast durchsichtig.

„Na was wohl, Grasgrün!", pampte ich und entzog ihm meine Hand.

Hoseok ließ sich wie immer nicht von meiner Laune stören – was mitunter an Lebensmüdigkeit zu grenzen schien – und schlenderte entspannt neben mir her. Ich würde ein Bein darauf verwetten, dass er seine Hände gerade lässig in den Manteltaschen vergraben hatte.

„Nnnope", er betonte das P, sodass es ein richtiges Pop Geräusch machte," riech mal an deinen Fingern."

Ich runzelte die Stirn, tat aber aus irgendeinem Grund wie mir geheißen wurde und schnupperte widerwillig an meinen Händen. Sie rochen leicht nach der Zigarette, die ich geraucht hatte bevor ich aufgebrochen war, nach dem Apfelstück, dass ich zerrupft hatte bis nur noch Muß davon übrig war und Erde.

Doch neben dem süßen, leicht modrigen Duft von Frühlingserde biss mir der Grasgeruch förmlich in die Nasenspitze. Vor meinem inneren Auge sah ich die saftigen Wiesen im Park von denen ich immer grüne Flecken auf den Hosen bekommen hatte. Ich sah meinen kleinen Hund Pochi, der sich immer gefreut hatte, wenn wir in den Park gegangen waren und der sich Stunden ohne Unterbrechung im Gras gewälzt hatte. Pochi war später von einem Motorrad vor einem der Parks überfahren worden. Danach war ich nie wieder dorthin zurückgegangen.

Ich lächelte leicht bei den ganze Erinnerungen und fand auf einmal, dass die Sonne nicht mehr ganz so stark in der Nase kitzelte.

Blinded by your smileWhere stories live. Discover now