Kapitel 2 | Die Strafarbeit

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Snape saß an seinem Schreibtisch, etliche Pergamentrollen lagen ausgebreitet auf einem Stapel zu seiner Rechten und langsam, mit einer roten Tintenfeder bewaffnet, schrieb er ein „S" für „Schrecklich" unter den Text einer zwölfjährigen Ravenclawschülerin, die aber auch wirklich rein gar nichts Intelligentes in ihrem Aufsatz hervorgebracht hatte. Kopfschüttelnd sah er sich die krakelige, unleserliche Schrift an. Bevor er jedoch einen weiteren Gedanken daran verschwenden konnte, klopfte es an der Tür – nicht zaghaft, sondern bestimmt.

„Bewundernswert.", dachte er schmunzelnd, denn auch wenn ihm Hermine Granger mit ihrer besserwisserischen, penetranten Art keinesfalls sympathisch war – Sympathie war auch nicht grade das Wort, was er normalerweise für Schüler übrig hatte – so freute es ihn ungemein, dass er auch SIE einmal zum nachsitzen verdonnern durfte, ganz ohne Potter und Weasley, ja, aufgrund ihrer alleinigen Schuld.

„Herein.", rief er barsch, erhob sich von seinem Stuhl und starrte auf seine Bürotür.

Nach wenigen Sekunden erschienen dort braune, krause Haare und ein Kopf, mit einem mürrisch dreinblickenden Gesichtsausdruck, den er wohltuend zur Kenntnis nahm.

Hermine trug die weiße Bluse ihrer Schuluniform, jedoch ohne Rock, sondern mit einer hellen, engen Jeans, die ihre schlanken Beine definitiv auf eine interessante Art und Weise zur Schau stellten. Für seinen Geschmack waren sie jedoch zu schlank. Ärgerlich verbat er seinen Gedanken den Weg in diese unprofessionelle Richtung fortzuführen und sah seine Schülerin mit einem abschätzigen Blick an.

„Ich hatte fünf Uhr gesagt, Miss Granger, nicht früher und nicht später.", begrüßte er sie verärgert und sofort hob sie ihren Kopf, um ihn mit zornigen, bernsteinfarbenen Augen anzublicken.

Merkwürdigerweise bereitete es ihm Genugtuung sie so zu provozieren. Auch wenn er jeden anderen seiner Schüler so behandelte, war die darauffolgende Reaktion seiner intelligentesten und hochbegabtesten, wenn auch penetrantesten und nervigsten, Schülerin, wesentlich amüsanter, als er es sich je eingestehen würde.

„Es ist zwei Minuten nach fünf, Professor.", erwiderte Granger bitter, was er mit einem Augenbrauenhochziehen quittierte.

„Fünf Uhr ist fünf Uhr, Miss Granger, und nicht zwei Minuten nach fünf.", sagte Snape sachlich, hob seine Hand und bedeutete ihr, sich auf dem Stuhl ihm Gegenüber niederzulassen.

Mit verdrossener Miene nahm sie dort Platz, um ihn dann erwartungsvoll anzublicken. Niemand, aber auch niemand, wagte es, ihn mit einem so verächtlichen Blick anzusehen, noch nicht einmal seine boshafte Kollegin Minerva McGonagall.

Naserümpfend setzte er sich wieder auf seinen Stuhl, lehnte sich gelassen zurück und neigte seinen Kopf leicht zur Seite, um sie mit einem gelangweilten Blick zu forcieren.

„Nun, Miss Granger, bevor wir mit Ihrer Strafarbeit anfangen, würde es mich doch ungemein interessieren, was Sie letzte Nacht tatsächlich zu so später Stunde in den Gängen von Hogwarts zu suchen hatten...?", begann er das Gespräch, wobei ihr Gesicht immer röter zu werden schien, entweder vor Wut über seinen ironischen Unterton, oder aber vor Scham, aufgrund...?

„Schlafwandeln, Sir, das habe ich Ihnen doch schon gesagt.", entgegnete sie ihm bestimmt und versuchte seinem durchdringenden Blick standzuhalten.

„Schlafwandeln, ja?"

„Ja, Sir."

„Miss Granger, die jahrelange Gesellschaft von Potter und Weasley tut ihren Gehirnzellen leibhaftig nicht gut. Meinen Sie wirklich, ich wäre so naiv Ihnen diese Lüge abzukaufen?", sagte er scharf. „Also, was hatten Sie letzte Nacht in den Gängen von Hogwarts verloren?"

Unwohl wandte sie ihren Blick ab und Snape triumphierte innerlich, denn anscheinend war ihr der wahre Grund überaus unangenehm.

„Ich bin in der Bibliothek eingeschlafen.", murmelte sie leise und kaum vernehmbar.

„Wie bitte?", fragte er, obwohl er trotz der leisen Worte ihren Satz durchaus verstanden hatte.

„Ich bin in der Bibliothek eingeschlafen!", sagte sie etwas lauter, wobei sie ihren Kopf hob und ihm erneut tief in die Augen blickte.

„Ich glaube ich habe Sie immer noch nicht ganz...", sagte Snape voller Genugtuung.

„ICH BIN IN DER BIBLIOTHEK EINGESCHLAFEN, SIR!", brüllte sie plötzlich. Der Nachhall ihrer Stimme war noch Sekunden später in seinem Büro zu hören.

„Wie überaus amüsant.", sagte Snape kalt. „Auch wenn ich an Ihrer emotionalen, aufbrausenden Art durchaus gefallen finde – Zügeln Sie ihren Ton!"

Schockiert starrte Hermine in sein blasses Gesicht, nicht wirklich begreifend, was er da eben gesagt hatte.

„Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?", schnappte sie heftig nach Luft und kurz entgleiste Snape seine kontrollierte, emotionslose Maske.

Was dachte sich dieses nervige Biest eigentlich, wie Sie mit ihm sprechen konnte?

„Sie finden Gefallen an meiner „emotionalen, aufbrausenden Art?", fragte sie ihn mit weitaufgerissenen Augen, wobei sie jede Silbe der von Snape benutzten Adjektive stark betonte.

„Es ist wirklich unterhaltsam, Sie zu provozieren, Miss Granger, ja.", stimmte er ihr zu. Anscheinend dachte Hermine nicht daran ihm auch nur einen Funken Respekt entgegenzubringen, was ihn gleichermaßen verärgerte, aber auch staunen ließ.

„Also macht es Ihnen Spaß mich zu tyrannisieren, Professor Snape?", fragte sie höflich, auch wenn ihr sarkastischer Unterton nicht zu überhören war.

Perplex starrte Snape sie an. Seit wann war Hermine Granger so ein aufmüpfiges Weib geworden? Wo nahm sie auf einmal diesen unbändigen Mut, oder war es eine gehörige Portion Dummheit, her, sich ihm gegenüber so zu verhalten?

„20 Punkte Abzug für Gryffindor.", sagte er verstimmt.

„Das ist ja wohl die Höhe, Professor!", rief sie empört, wobei sie wütend ihr Gesicht verzog. „Das ist viel zu übertrieben!"

„Was hier übertrieben ist und was nicht, das entscheide immer noch ich, Miss Granger, und jetzt würde ich Ihnen doch dringend raten, Ihren vorlauten Mund zum Schweigen zu bringen.", entgegnete Snape kalt.

„Natürlich, Sir. Sie müssen ja immer das letzte Wort haben, um zu zeigen, wer hier den längeren Hebel in der Hand hält.", schnaubte sie leise, was ihn fassungslos werden ließ.
Was?!

„Miss Granger, stehen Sie unter Drogen?", fragte er eisig.

„Müssen Ihre Schüler doch tatsächlich unter Drogen stehen, damit Sie Ihnen Kontra geben, Sir?", erwiderte Hermine bissig und verengte ihre Augen zu schmalen Schlitzen.

Er begegnete ihrem sturen Blick und kam nicht umhin zuzugeben, dass ihm ihr Verhalten imponierte.

„Nein, obwohl mir jeder normaldenkende, halbwegs intelligente Mensch niemals in diesem Ton widersprechen würde, Miss Granger."

Sein kühler Ton, gepaart mit seinem mörderischen Blick, brachte seiner Schülerin anscheinend wieder eine einigermaßen, angebrachte Vernunft bei, denn sie schwieg und wandte ihren Blick ab.

Er wusste nicht, wieso es ihm so einen Spaß machte sie zu provozieren – es hatte definitiv Potential, da ihn ihre Reaktion offensichtlich beeindruckte.

„Tja, Sie haben ja schon eben festgestellt, dass sich ein Teil meiner Gehirnzellen verabschiedet hat.", bemerkte sie trocken und wieder hoben sich seine Augenbrauen in die Höhe.

„Miss Granger, ihr Verhalten ist...", begann Snape konsterniert, wurde aber von ihr unterbrochen.

„Unangebracht? Atypisch? Was haben Sie eigentlich für ein Problem mit mir, Professor Snape?"

Sprachlos sah Snape seine aufsässige Schülerin an, die mit verschränkten Armen auf seinem Stuhl saß und ihn mit einem wirklich unhöflichen Blick fixierte.

Er atmete hörbar aus, da ihre Art ihn mittlerweile überaus zornig werden ließ und er nicht gewillt war, die Kontrolle zu verlieren. Ohne auf ihre Frage einzugehen, stand er langsam auf, die Fingerspitzen auf dem Tisch abstützend, um sich dann vornüberzubeugen und Hermine mit bedrohlich, zusammengekniffenen Augen anzustarren.

„Ich würde Ihnen wirklich raten Ihren Ton zu zügeln.", wisperte er leise, mit seinem tiefen, dunklen Timbre, was ihr eine Gänsehaut bereitete.

Den Blick weiterhin auf ihr entsetztes Gesicht geheftet, ging er auf ein Regal zu und holte mehrere, dunkle Boxen heraus. Er stellte sich neben sie und knallte die Boxen auf seinen Schreibtisch, wobei er Hermine bedrohlich nahe kam. Zitternd wagte es die junge Hexe nicht zu atmen und starrte mit angsterfüllten Augen auf den Tisch.

Schnaubend ließ er von ihr ab, ging um seinen Schreibtisch herum und nickte den Boxen zu.

„Aufmachen.", befahl er. Sofort gehorchte Hermine, da sie durch die vorherige, bedrohliche Nähe ihres boshaften Professors anscheinend ihre Vernunft wiedergefunden hatte.

Zufrieden verschränkte er seine Arme vor der Brust.

„Das sind alte Karteikarten, Miss Granger. Fünfhundert Stück. Sie müssen alle neu beschriftet werden, was für Sie durchaus von Vorteil sein kann, da sie währenddessen noch ein wenig für die Abschlussprüfungen lernen können, auch wenn ich bis eben daran gezweifelt habe, ob Sie das wirklich nötig haben.", erklärte Snape samtig. „Da ich mich anscheinend geirrt habe, wünsche ich Ihnen viel Spaß dabei!"

Mit diesen Worten wandte er seinen Kopf ab, schnappte sich seine Feder und begann den nächsten Aufsatz seiner inkompetenten Schüler mit roter Tinte zu versehen.

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