Kapitel 3 | Unsittliches Auftreten

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Hermine hätte sich innerlich treten können. Wie bescheuert war sie bitte gewesen! Jetzt würde Snape ihr das Leben noch mehr zur Hölle machen, aufgrund ihrer aufsässigen, verblödeten Kommentare!

Dabei waren ihr einfach die Sicherungen durchgebrannt! Seine herablassende, abschätzige Art – wie er sie immerzu behandelte, obwohl sie sich solche Mühe gab seinen Anforderungen gerecht zu werden. Nie, aber auch nie, hatte er ihr dafür auch nur einen Funken Anerkennung oder Bewunderung entgegen gebracht. Nie! Auch nicht bei ihren langen, mühevoll geschriebenen Pergamentrollen – nicht ein einziges Mal in all den Jahren, in denen er sie unterrichtete. Es war zum Verzweifeln und raubte ihr fast den Verstand, so sehr nagte sein absichtliches Übergehen an ihrem Ego.

Wütend griff sie nach einer Feder und begann, die ersten Karteikarten neu zu beschriften. Lernen! Sie! Pah! Was für ein Schwachsinn! Sie hatte keinerlei Ambitionen dieser stumpfsinnigen Arbeit Beachtung zu schenken. Es war demütigend und respektlos, ihr eine solche Beschäftigung aufzudrücken. Zumal diese mithilfe von Magie ohne menschliches Handeln durchführbar war, was die Sinnlosigkeit dieser Tätigkeit nochmals bestärkte.

Immer wieder ärgerte sich die junge Hexe über ihr unüberlegtes Verhalten, fast schon verhielt sie sich wie Ron!

„Erst denken, dann sprechen.", hatte ihr Vater immer gesagt und seit sie denken konnte, hielt sie sich an dieses Mantra. Doch dieser Mann machte sie rasend. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Voller Wut schrieb sie mit zitternden Händen das nächste Wort auf eine neue Karteikarte, wobei ihr fester Druck die Feder auseinanderbrechen ließ.

Sofort hob Snape seinen Kopf und blickte sie missbilligend an.

„Miss Granger, haben Sie irgendein Problem?", fragte er süffisant und schon alleine für diese Tonart hätte sie ihn am liebsten angesprungen! Wieso war sie auf einmal so gereizt? War es der frustrierende Stress, den sie seit Monaten hatte, weil Harry ihr einfach nicht erzählen wollte, was er bei Dumbledore tat oder die Stunden in der Bücherei, die sie verbrachte, um sich so viel Wissen wie möglich anzueignen, was selbst für die hochintelligenten Hexe schier unmöglich war oder waren es doch die schlaflosen Nächte, sie sie in ihrem Bett verbrachte, weil ihr die Gedanken an einen bevorstehenden Kampf Angst bereiteten? Oder war es einfach alles zusammen? Sie wusste es nicht. Fakt aber war, dass sie vor Wut raste und aufpassen müsste, was sie von sich gab.

„Nein, Sir.", antwortete sie mit bebender Stimme, griff nach einer neuen Feder und versuchte sich auf den nächsten Begriff zu konzentrieren.

Nach einer Weile hob sie ihren Kopf, um die Feder in Tinte zu tauchen und erschrak, als sie bemerkte, wie Snape sie anstarrte. Nicht gehässig oder bösartig, sondern vollkommen ungeniert und fast schon mit einer gewissen Faszination.

Ungläubig öffnete sie ihren Mund, nicht wissend, was ihr Lehrer in diesem Moment dachte.

„Ist irgendetwas, Professor?", meinte Hermine und versuchte dabei so höflich wie möglich zu klingen, obwohl ihre Stimme, vor Entrüstung über seinen unverfrorenen Blick, zitterte.

Amüsiert zuckten seine Mundwinkel nach oben.

„Ganz und gar nicht, Miss Granger.", erwiderte er lächelnd.

Irritiert senkte sie wieder ihren Blick, nicht wirklich verstehend, was seine Bemerkung für einen Sinn machte. Hatte sie etwas im Gesicht? War ihre Wimperntusche verschmiert? Beim Barte des Merlin, wieso dachte sie überhaupt darüber nach? Was interessierte es sie, was Snape äußerlich von ihr hielt?
Verblüfft arbeitete sie einige Karteikarten ab, ohne den Blick nochmals zu heben, auch wenn sie seine Augen auf ihrer Haut verspürte – oder war das nur Einbildung?

Sicherheitshalber versuchte sie, ohne den Kopf zu heben, zu ihm herüber zu schielen, doch ihre lockigen, krausen Haare versperrten ihr eindeutig die Sicht. Also unterbrach sie ihre Schreibarbeit und hob leicht den Kopf, um dann aufgewühlt festzustellen, dass er sie immer noch anstarrte.
Verärgert erwiderte sie seinen durchdringenden Blick, um Spott oder Hohn zu finden, begegnete jedoch nur einem undefinierbaren Blick, den sie nicht einordnen konnte. Verharrt in ihrer Position, hielt sie diesem stand und beobachtete Snapes Gesichtszüge, die augenscheinlich kurz vor einer erneuten Entgleisung standen. Es war verblüffend mit anzusehen, wie ihr buchstäblich ein Schauer über den Rücken lief, während er sie mit seinen Augen regelrecht durchbohrte.

Keiner der beiden sagte ein Wort.

Hermine beobachtete ihren Professor währenddessen, um dann festzustellen, dass er bei genauerer Betrachtung durchaus ansehnlich war. Seine schwarzen, schulterlangen Haare lagen gepflegt auf seinen Schultern, geschwungenen Lippen stellten einen krassen Kontrast zu seinen sonst so böswillig, dreinblickenden Augen dar und schmunzelnd fragte sie sich, ob diese Lippen wohl gut küssen...

Heilige Scheiße! Was war das denn bitte für ein Gedanke? Kopfschüttelnd wandte sie ihren Blick ab, um sich erneut ihren Karteikarten zu widmen. Immer noch hatte Snape seinen Kopf nicht von ihrem Gesicht gelöst.

„Alles in Ordnung, Miss Granger?", säuselte er ölig, was ihren Kopf unweigerlich in die Höhe schießen ließ.

„Mit mir?", fauchte sie wütend. „Sie sind doch derjenige, der mich so ungeniert anstarrt, Professor!"
Lächelnd schnaubte Snape.

„Naja, wenn man mal von ihrer nervigen Art und ihrem penetranten, besserwisserischen Verhalten absieht – sprich, wenn Sie ihren Mund halten – dann sind Sie durchaus nett anzuschauen."

Entgeistert riss Hermine ihren Mund auf und glotzte ihn bestürzt an.

„Mund zu, Miss Granger. Sonst kommt man noch auf falsche Gedanken...", schmunzelte er belustigt.
Sofort klappte sie ihren Mund zu, wobei ihre Wangen sich rötlich verfärbten, über diesen zweideutigen, unprofessionellen Kommentar.

Erheitert über ihren verlegenen Gesichtsausdruck, wandte er seinen Kopf ab und fuhr mit seinen Korrekturen fort.

Truth | Fan-FictionWhere stories live. Discover now