···IV···

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Julian zog mich erfreut auf die Tanzfläche. Er war noch nicht zu betrunken aber gut genug, um sich zu trauen mit mir zu tanzen.
Er sah mir tief in die Augen und umfasste meine Taille. Behutsam und doch leicht angespannt. Wir tanzten zur Musik mal schnell und verrückt und mal langsam und liebevoll.
Ab und zu machten wir Pausen, um Chips zu futtern, kurz zu reden oder zu trinken.

Leoni tanzte eng umschlungen mit Felix. Es störte mich nicht... oder doch? Aber ich hatte ein seltsames Gefühl, wenn ich sah wie Felix sie ansah. Er sah sie nicht so an wie Julian mich ansah. Er schien nicht wirklich bei der Sache, bei ihr zu sein. Eher ziemlich abgelenkt.
Ich schüttelte den Kopf und versuchte dabei auch gleichzeitig den Gedanken wegzuschütteln.

Hör auf alles verstehen und analysieren zu wollen. Hab mal Spaß!, meckerte meine innere Stimme.
Und sie hatte Recht.

Es verging über eine halbe Stunde.
In der Zeit konzentrierte ich mich wieder voll und ganz auf Julian, seine Berührungen, seine Zuwendungen und Aufmerksamkeit konzentrieren. Er schenkte mir sehr viel davon. In letzter Zeit und besonders heute. Ich konnte förmlich spüren, wie sehr er mich wollte und mochte. Es war ein schönes Gefühl.
Oder war er einfach betrunken und ich war zum Glück da?! Ich erschrak selbst vor dem Gedanken. Ich war mir sicher, dass es nicht so war. Keinesfalls. Das wäre wirklich furchtbar.

Ich sah ihm dann tief in die Augen und küsste ihn. Er verstand anscheinend meine kleine Botschaft und fing an mich gieriger zu küssen. Zwischendurch quetschte er noch ein “Ich liebe dich“ wispernd hervor. Das beruhigte mich ein wenig und der erschreckende Gedanke verschwand aus meinem Fokus.

,,Soooo und jetzt noch eine Shotrunde für uns alleeee!“, kreischte Leoni uns auf einmal entgegen während sie uns zwei kleine, mit grüner Flüssigkeit, gefüllte Gläser in die Hände drückte. Es war höchstwahrscheinlich Pfeffi oder Jägermeister. Sie hatte den schlechtesten Moment ausgewählt!
Warum Leoni? WARUM JETZT?
Ich war echt genervt. Und Julian anscheinend auch, wie ich durch sein Augenrollen und seinen verzweifelten Blick zur Decke deuten konnte.

,,Los, los, looos! Runter damit!“, schrie sie uns zu. ,,Der Spaß fängt jetzt... richtig an!“
Was war nur mit ihr los? So war sie normalerweise nicht. Nachdem wir angestoßen hatten und Leoni knapp die Hälfte verschüttet hatte, sah ich dass ihre Wimperntusche verschmiert war und sie auf jeden Fall schon mehr als sechs Shots intus hatte.

Was war passiert? Wo war Felix überhaupt? Sie hatten doch noch vorhin engumschlungen getanzt. Hatte ich doch etwa richtig Verdacht geschöpft? Ich hoffte nicht.
Diese beiden Fragen wollte ich nicht verbinden und selbst beantworten, daher zog ich sie beiseite und sagte Julian vorher bescheid, dass ich kurz mit ihr rausgehen würde und er ein Glas Wasser für sie holen sollte.

Sie taumelte mir wortwörtlich hinterher und stolperte fast über die Schwelle der Clubterrassentür. Ich hielt sie fest und sah wie sie kaum noch gerade stehen konnte. Sie versuchte meinem Blick standzuhalten und ich merkte selbst, dass mir etwas schwindelig war. Ich hatte auch ein wenig mehr getrunken als geplant. Draußen stand eine kleine Gruppe von gleichaltrigen Mädchen und Typen die am rauchen waren und Leoni einen angeekelten beziehungsweise abwertenden Blick zuwurfen. Ich zeigte ihnen den Mittelfinger, warf ihnen einen strafenden Blick zu. Daraufhin drückten sie ihre Zigaretten aus. Schließlich verschwanden alle wieder nach drinnen.

,,Leoni... was ist los? Du hast doch irgendwas.“, versuchte ich das Gespräch zu beginnen. Ich wusste nicht einmal, ob sie mich wirklich verstand. Doch sie antwortete mir noch halbwegs verständlich.
,,Oh man... Maja... er-er...ähm... er hat mit einer anderen rumgemacht. Er ist so ein Arsch. Ich versteh nicht wa-warum... Maja... es tut weh!“
,,Du meinst Felix? Oh Gott Leoni. Es tut mir Leid. Wann denn? Vorhin?... Ok... Vielleicht liegt das nur am Alkohol!“, versuchte ich selbst zu verstehen und gleichzeitig zu beantworten. Sie konnte ja nicht mehr so klar denken.

,,Maja... danke, dass du für mich da bisch... ich llliebe dich... bischt die beste Freundin! -oh gott mir ist schlecht!-“
Und dann war es schon zu spät und sie übergab sich auf die Terassenfliesen.
Ich sah schnell weg, um mich nicht auch übergeben zu müssen.

Langsam tastete ich mich an ihrem Rücken hoch, um sie ein wenig zu trösten und dann zu ihren Haaren hoch, um diese zu halten.
,,Ich liebe dich auch. Das wird schon wieder.“, versuchte ich sie weiterhin zu beruhigen und zu trösten. Ich wollte ihr trotz meiner Phobie eine gute Freundin sein. Sie würde dasselbe auch für mich tun. Dachte ich wenigstens.

Sie fing an zu schluchzen und konnte nicht mehr aufhören zu weinen. Als sie fertig war, setzte sie sich angelehnt an die Wand draußen auf die Fliesen, weg von ihrem Erbrochenen.
Ich war kurz zu Julian reingelaufen, um das Glas Wasser von ihm zu holen und nachdem ich ihm den Zustand von Leoni kurz und knapp schilderte, beschaffte er noch ein paar Salzstangen, die an der Bar standen.

Besorgt kam Julian raus auf die Terasse. Leoni beruhigte sich ein wenig, trank Wasser und aß ein paar Salzstangen. Dann hatte sie genug Kraft um aufzustehen. Wir halfen ihr hoch.
,,Könnt ihr mich nach Hause bringen...? Eigentlich...“- sie schluchzte kurz -,,eigentlich wollte Felix mich heimbringen. Aber er... er ist ein wiederliches ...ein Arschloch.“, sie brachte kaum noch anständige Sätze zustande.

Ich warf Julian einen Blick zu und ihm war klar, dass aus der Planung für uns beide nichts mehr werden würde.
,,Ich bring sie schon. Kümmer dich um Felix und trink nichts mehr, bitte!“, sagte Julian.
,,Sicher? Danke Schatzi.“, sagte ich während ich ihm einen schnellen Kuss auf die Wange gab. Er lächelte nur und nickte.
Er wusste dass ich Kotzen nicht mochte und er mir noch einen Gefallen schuldete nachdem ich oft seine Freunde nach Hause bringen musste, weil er auch schon zu betrunken war. Ich war froh, dass er sich jetzt genau richtig revanchieren wollte. Er war ein toller Freund.
,,Bestell dir dann ein Taxi und fahr nach zu Leoni. Wir holen das dann später schon nach, Baby.“, flüsterte er dann augenzwinkernd.

Dann verschwand er mit Leoni aus dem Club und legte sie behutsam in den Taxi-Wagen.
Ich ging geradewegs entschlossen zu Felix der auch stark betrunken herumtwerkte, seinen Hintern an dem von anderen Mädchen rieb und es anschließend mit der Luft trieb.

Ich schüttelte wütend und enttäuscht den Kopf. Gleichzeitig überkam mich aber auch ein kurzer Lacher. Er war schon ziemlich verrückt und lustig.

Aber warum war er so ein Arsch? Ich dachte er wäre endlich mal ein lieber Freund und hatte so gehofft, dass Leoni einmal Glück hatte. Auf den ersten Blick hatte Felix genau perfekt für Leoni auf mich gewirkt und...-ich unterbrach den Gedanken lieber schnell. Ich hatte was getrunken und kam da manchmal in seltsame Gedankenwege.

Ich packte ihn am Arm. Und das nicht sehr sanft. Der Alkohol im Blut lies meine hemmungslose Wut und Enttäuschung, des versauten ersten Males mit meiner wahren Liebe durch seine Schuld, herausbrodeln, als hätte ich sie jahrelang unterdrückt.
,,Felix! Wir müssen reden! SOFORT!“
Ich weiß nicht warum. Ich weiß auch nicht mehr genau, wie es dazu kam. Aber ich spürte plötzlich eine Spannung zwischen mir und ihm, als er mir nach draußen folgte und doch noch besser stehen konnte als Leoni. Als er mir in die Augen sah und ich ihn ausschimpfte.
Ich schrie und schrie ihn weiter an, um die Kontrolle über die Situation zu behalten. Aber ich verlor sie. Irgendwann hörte ich mir selber nicht mehr zu und unsere Gesichter näherten sich einander.

Nein! Das darfst du nicht! Auf keinen Fall!, warnte mich meine innere Stimme noch. Aber es war zu spät. Es funkte nur so vor hoher elektrischer Spannung zwischen uns.
Es war so falsch, aber es fühlte sich in dem Augenblick so richtig an. Mein Körper wollte endlich das, was ihm zu Anfang des Abends versprochen wurde... Nur von der falschen Person... Oder?
Seine weichen Lippen berührten die meinen.

The First TimeWhere stories live. Discover now