···VII···

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Die 10 Minuten im Bus kamen mir länger vor als eine Geschichtsstunde in der Schule, bei der Schlaftablette persönlich.

Ich legte mir einen Satz zusammen, den ich Leoni sofort ins Gesicht schmettern würde. Ich musste etwas loswerden, mich wenigstens ein wenig entladen.
Selbst wenn mir schon bei der Vorstellung ihr Gesicht vor mir zu haben und den ganzen "Es tut mir so Leid"- Mist aus ihrem Mund zu hören, schlecht wurde und ich meine Fäuste vor Wut zusammenballte.

Sie hatte mir ein halbes Jahr mit Julian genommen, mein Vertrauen gebrochen und mich auf das Größte enttäuscht. Wieso war sie überhaupt so traurig gewesen, nachdem Felix Schluss gemacht hatte, wenn sie doch Gefühle für meinen... für Julian hatte. Und wieso hatte ich das nie bemerkt? Ich kannte sie doch in und auswendig. Dachte ich jedenfalls.

Es zeriss mich innerlich.
Sie waren beide wirklich das Letzte.
Ich war also für Julian wert genug gewesen bis zum ersten Mal ein halbes Jahr zu warten... aber dann doch nicht oder wie?!
Ich verstand ihn nicht.

Nach einigen Metern stand ich schon vor ihrer Tür.
Ich klingelte und wenige Sekunden später wurde die Tür schon aufgerissen.

,,Oh mein Gott! Maja! Endlich... Ich will es dir erklären. Du musst mich verstehen und meine Entschuldigung annehmen... bitte!", brachte Leonie vollkommen aufgebracht mir entgegen.
Ich erwiederte nichts. Ich sah sie nur an und versuchte meine rechte Hand davon abzuhalten ihr eine zu scheuern. Sie verzog verzweifelt ihr Gesicht und machte große traurige Augen, wie ein bettelnder Hund. Man merkte ihr an, dass sie überhaupt nicht wusste, was man in solch einer Situation seiner - ehemaligen - besten Freundin sagen sollte. Wie man sich für so einen Vertrauensbruch und Dolchstoß ins Herz entschuldigen sollte. Trotzdem versuchte sie was zu sagen. Aber jedes Wort, dass Leonis Lippen verließ machte mich nur noch wütender. Ich wollte nur einen Monolog halten, einen dramatischen Abgang machen und sie schmoren lassen.

Und dann kullerten ihr auch schon einige Tränen über die Wange. Ich wusste nicht ob sie nur eine Show abzog oder es ernst meinte. Letzteres zog ich vor.

Mindestens hat sie ein schlechtes Gewissen!, dachte ich dann schadenfroh.
,,Sag doch bitte was, Maja! Du bist doch nicht einfach so gekommen...?", bettelte Leoni weiter nach einer Antwort, nach Aufmerksamkeit.
Eine richtige Antwort würde sie nicht bekommen. Nur meine für sie zurechtgelegten Worte.

,,Wieso hast du mir nie vorher von deinen Gefühlen für Julian erzählt? Warum hast du, obwohl du meine beste Freundin bist und du weißt, dass ich Julian liebe und er MEIN Freund... war, mit ihm geschlafen? Du bist einfach das Letzte! Ehrlich... hätte nie gedacht, dass man sich in einer Person so Täuschen kann."

Sie weinte und flehte um meine Vergebung. Sie brabbelte irgendwelche Erklärungen vor sich hin, die ich nicht hören wollte, da ich wusste, dass es nur Lügen waren. Es schmerzte schon genug vor ihr zu stehen und diese Lügen zu hören.

Aber als ob dies nicht genug schmerzen würde, kam auch noch passend Julian die Treppe runter und als er mich sah blieb er geschockt stehen.
Er öffnete seinen Mund aber bekam kein Wort heraus.
Er hatte ernsthaft noch bei ihr übernachtet. Wahrscheinlich haben sie es sogar nochmal getrieben. Es war als ob er den Dolch wirklich noch extra tiefer in mein Herz gestochen hätte. Mindestens hatte ich damit 2 in 1 und musste nicht noch extra zu ihm fahren, um ihm eine Abschlussrede zu halten.

Ich schüttelte einfach nur den Kopf warf die Hände in die Luft und rief schon völlig aufgebracht und wütend durch die ganze Straße ,,WOW... wow!"
Ich konnte es einfach nicht fassen.
,,Es ist schon schlimm genug und dann toppt ihr die Situation natürlich nochmal. Ihr seid die Besten... wirklich. Arschiger, hinterlistiger und rücksichtsloser kann man echt nicht sein! Aber ok... Ich hab echt Glück solch tolle Freunde zu haben, die einem so kalt in den Rücken fallen. Danke." Mein Sarkasmus war on top.

,,Du... Was hast du denn mit Felix gemacht? Hmm?! Du kannst doch hier keine Vorwürfe machen, wenn du genauso schlimm bist!'', platzte es plötzlich aus Julian total entsetzt.
,,Bitte was?! Das ist jetzt nicht dein Ernst! Ich habe ihn geküsst, ja, und dafür wollte ich mich bei dir entschuldigen... Ich wollte es dir erzählen und mit dir anständig darüber reden... Ich habe es unterbrochen bevor es überhaupt so weit kam. Ich habe nicht mit ihm geschlafen! Du bist wirklich das Letzte! Auch in dir habe ich mich komplett getäuscht. Kannst deinen Schwanz wohl doch nicht in der Hose behalten!'', schoss es dann auch aus mir heraus.

Man konnte die Wut und die Enttäuschung schon in der Luft flackern fühlen.
Wütend drehte ich mich um und wich den gaffenden Blicken der Leute aus, die sich an der furchtbaren Situation ergötzten. Ein paar der Nachbarn hatten die Situation schon von Anfang an beobachtet, da auf ihren Terrassen, Balkonen und in ihren Gärten um diese Zeit noch beschäftigt waren. Sonst standen noch drei Kinder dort und sahen mich sehr mitleidig an, obwohl sie wahrscheinlich nicht verstanden hatten, worum es überhaupt wirklich ging beziehungsweise was passiert war.

Ich hielt einfach meinen Mittelfinger hoch, sodass sowohl Leoni und Julian ihn schön sehen konnten und alle ungebetenen Zuschauer sahen ihn leider auch. Das war mir in dem Moment realtiv egal.
,,Das ist kein Kino hier verdammt!", ermahnte Julian dann die Gaffer, die sich augenblicklich wieder ihrem Alltag widmeten.

Diesmal riefen sie mir nicht hinterher. Sie hatten selbst bemerkt wie dämlich sie waren und ich hoffte so sehr, dass sie unter den Schuldgefühlen schlimmer litten als ich. Ich hatte mit Felix auch einen Fehler begangen an dem Abend, der bei Weitem aber nicht so schlimm war wie das was zwischen meinem Ex-Freund und meiner besten - verdammt nochmal ... ehelmals allerbesten - Freundin passiert ist.

Auf dem Weg zurück kamen die Kopfschmerzen wieder und der Schwindel. Ich wollte einfach nur wieder ins Bett. Einfach die ganze Welt vergessen, die Zeit anhalten und mein Zimmer nie wieder verlassen.
Mindestens hatte ich meine Worte gesprochen, meinen Teil getan.

Ein Obdachloser an der Bushaltestelle sah mich an, bemerkte, dass ich komplett fertig war und das nicht nur an meinen Klamotten und rief mir zu:
,,Life sucks, hmm?!"
Ich nickte nur und musste verzweifelt anfangen zu lachen.
Ja das Leben ist ätzend. Sehr ätzend.
Aber für wen war es denn auch einfach?

Als ich dann endlich zu Hause ankam begrüßte mich sofort meine Mutter und sah mir augenblicklich an, dass was nicht stimmte. Sie nahm mich in den Arm und ich konnte so oder so nichts vor ihr verheimlichen. Daher fing ich weinend an ihr alles zu erzählen.
Sie hörte mir verständnisvoll zu und tröstete mich herzlich. Es tat so gut es ihr zu erzählen. Sie kannte mich gut genug, um auch kein falsches Bild von mir zu bekommen, obwohl ich schon ein wenig Angst hatte ihr zu erzählen, dass ich schon irgendwie fast mit Felix geschlafen hätte.

Abends, kurz vor dem einschlafen, rief mich plötzlich Felix an.

The First TimeOnde histórias criam vida. Descubra agora