···VI···

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Wieder p.o.v. von Maja :

Da Felix nun wusste, wo ich wohnte klingelte er am nächsten Morgen um 11 Uhr bei mir an der Tür und weckte mich somit aus meinem Ausnüchterungsschlaf. Ich spürte die Kopfschmerzen aufsteigen und griff nach der Wasserflasche und suchte möglichst schnell ein paar Klamotten und eine Schmerztablette.
Schnell schluckte ich das Zeug hinunter und streifte mir eine Jeans und ein lockeres T-shirt über. Meinen BH hatte ich auf die Schnelle nicht gefunden und hoffte er würde es nicht bemerken. Ich ahnte, dass er es war, da ich mich noch etwas schwach daran erinnerte, dass er mich gefragt hatte ob wir uns heute nochmal sprechen könnten.

Meine Eltern waren zum Glück noch am schlafen. Die bekam man so leicht nicht geweckt. Nachdem ich ihnen sagte ich würde mit Leoni feiern gehen und danach bei ihr schlafen waren sie auch ausgegangen und spät nach Hause gekommen.
Ich war trotzdem später als sie nach Hause gekommen und daher wussten sie nicht, dass ich doch nicht bei Leoni geschlafen hatte.

So sprintete ich zur Tür und band mir einen Dutt während er mich durch das Türglas anlächelte und mir zuzwinkerte.
,,Guten Morgen. Bist du erst gerade aufgestanden?", fragte Felix.
,,Ja... Problem damit?", ich war wohl noch etwas gereizt. ,,Ähm... sorry... Kater.“, versuchte ich mein Verhalten direkt zu entschuldigen. Aber die Schmerzen im Kopf ließen langsam nach.
,,Sollen wir spazieren gehen und reden oder darf ich reinkommen?"
,,Komm rein.", antwortete ich knapp.

,,Ich weiß nicht wie und wo ich anfangen soll Maja..."
,,Ich auch nicht Felix... ich versteh das alles nicht. Das war doch nicht nur der Alkohol oder?"
,,Also...ähm...du meinst zwischen uns?"
,,Nein zwischen denen!"
,,Musst ja nicht gleich ausflippen..."

Ich atmete tief durch, nickte, bot ihm was zu trinken an und wir gingen in mein Zimmer.

,,Ok. Ich sag es jetzt einfach wie es ist.
Leoni hat geweint, weil ich ihr sagte ich kann nicht mehr mit ihr zusammen sein, wenn ich ein anderes Mädchen mag. Sie wollte mir nicht glauben und ich wollte ihr nicht wehtun, indem ich ihr den Namen des Mädchens sagen würde, also hab ich ein wildfremdes Mädchen geküsst, das mir auch direkt eine geklatscht hat, damit sie mich in Ruhe ließ. Ja das war dumm, ich weiß. Aber ich war betrunken. Und daher zahle ich das alles mit diesem unerträglichen Kater heute früh am morgen aus.", er setzte sich auf mein unordentliches Bett.
Die Unordnung schien ihn aber gar nicht zu stören, was mich beeindruckte.

,,Maja... was ich gestern gesagt habe, meinte ich auch so. Ich hab was zwischen uns gespürt und das schon, als du gestern zum Vortrinken in ihr Wohnzimmer kamst. Ich wollte Leoni gegenüber nicht fies sein und hab mich daher etwas abgekoppelt, um nachzudenken. Und... sag doch auch mal was."

Ich war mal wieder sprachlos. Ich musste erst alles begreifen und sacken lassen, von dem was er gesagt hatte. Ich sah ihn einfach nur an.
Dann fand ich meine Sprache endlich wieder.
,,Ja... ich hab das auch irgendwie gespürt. Und ja das war scheiße von dir aber du scheinst trotzdem ehrlich und gutmütig zu sein. Du hast dich ja von ihr getrennt. Immerhin bist du früh aufgestanden um hierher zu kommen. Und jetzt siehst du mich in meinem schlimmsten Zustand."
Er lachte nur, erhob sich vom Bett und umarmte mich.

,,Das mit Julian tut mir Leid. Aber ich wusste irgendwie, dass Leoni ihn mag und schon lange rumkriegen wollte. Sie hat oft von ihm geschwärmt und sich dann schnell korrigiert zu euch beiden als tolles couple. Ich hab auch die raschen Blicke von ihr zu euch beiden bemerkt auf der Tanzfläche. Und auch ich habe zu euch geguckt... du weißt ja jetzt warum."
,,Ja... hab es auch selbst bemerkt. Du hast sie anders angesehen, als sie dich. Also... ich mein...", langsam wurde mir das Gespräch peinlich. Und seine Nähe machte mich wahnsinnig.

Er sollte gar nicht hier sein und mit mir sprechen. Ich sollte anständig mit Julian sprechen, doch dazu war ich nicht annähernd in der Lage. Ich wollte beiden nicht mehr ins Gesicht sehen. Es würde schwer werden in der Schule aber zum Glück war es bis zum Abitur ja nicht mehr lang. Bei einem kurzen Blick auf mein Handy, erblickte ich 13 Anrufe in Abwesenheit von Julian, meine Mailbox war voll und ich hatte  78 Nachrichten auf Whatsapp von Leoni.
Ich schaltete mein Handy aus.

Auf jeden Fall war ich wütend. Aber gleichzeitig spürte ich die eigene Scham, die ich versuchte hinter der Wut auf Julian und auf meine beste Freundin Leoni zu verstecken.

Ich musste mit ihm reden. Noch ein letztes Mal und dann könnte ich es hinter mir lassen. Das redete ich mir zumindest ein.

Doch da saßen wir dann auf meinem Bett. Nach einer kurzen Stille fing er wieder an mir Fragen über meine Hobbies und vieles mehr zu stellen.
Wir sprachen den ganzen Nachmittag, bis wir Hunger bekamen und unsere Mägen angefangen hatten zu knurren. Wir bestellten was und ich informierte ihn über meinen Plan, nochmal mit Leoni und später auch irgendwann mit Julian zu sprechen.

Bei dem langen Gespräch bemerkte ich immer mehr wie unglaublich viele Gemeinsamkeiten wir hatten, so dass es langsam immer unheimlicher wurde.
Wir mochten dieselbe Musik, dasselbe Essen und auch viele Filme. Wir planten schon Serien zusammen zu gucken und auch in Kinofilme zusammen zu gehen.
Es war zu perfekt. Aber es heilte einen großen verletzten Teil meiner Seele in der Zeit.

Daher wurde mir auch bewusst wie falsch das alles ist. So falsch aber zufällig und schicksalshaft, dass es doch irgendwie Sinn ergab und richtig war. Das redete ich mir jedenfalls ein.
Nichts war perfekt. Eher genau das Gegenteil.
Alles. Wirklich ALLES ist schiefgegangen, was nur schiefgehen konnte.
Ich war komplett durcheinander und meine Gedankengänge daher auch.

Ich war einerseits froh und stolz auf mich nicht mit Felix geschlafen zu haben und alles bewusst frühzeitig gestoppt zu haben. Andererseits verspürte ich immer noch diese Sehnsucht nach ihm. Es war so unbeschreiblich eigenartig. Beim ersten Blickkontakt hatte ich nicht das Bedürfnis ihm die Kleider vom Leib zu reißen, das wollte ich bei Julian tun, oder?

Vielleicht liebte ich nun Julian und auch Felix.
Ich verstand es selbst nicht. Ich verstand mich gar nicht.
Es fühlte sich immer noch unrealistisch an. Aber den Abend und die Nacht würde ich nie vergessen können. Leider.

Ich entschied mich daher, mich von Felix mit einer raschen Umarmung zu verabschieden nach dem zusammengekochten Essen. Wir waren jetzt gute Freunde, von mir aus gesehen.

Er ging zur Tür hinaus und ich zog mir schnell einen BH an aber blieb in dem Sonntagsoutfit und verschwand wenige Minuten später nach ihm auch aus der Tür. In gewisser Weise war ich etwas glücklicher nach der Zeit mit Felix und hatte fast das ganze Drama drumherum vergessen. Aber nur fast.

Ich stieg in den Bus, der zum Glück sofort kam. Felix hatte nun meine Nummer aber ich hatte mein Handy noch immer abgeschaltet. Ich wollte es am liebsten nie wieder einschalten.

Ich war stark mit Nachdenken beschäftigt. Zu viele Gefühle überfielen mich auf ein Mal.
Was sollst du jetzt nur machen?, meckerte meine innere Stimme wieder.

Kurz konnte ich der Realität entfliehen. Ganz kurz. Aber ich musste dem Problem in die Augen sehen. Ich konnte der Konfrontation sowieso nicht ausweichen. Also wollte ich das lieber so schnell wie möglich hinter mich bringen und auch zumindest so vernünftig wie möglich sein. Ohne zu weinen. Ich hatte mir vorgenommen Stärke zu zeigen vor dem nun entjungferten Julian. Es schmerzte. Einfach alles.

Ich erinnerte mich an den Moment, der den ganzen Abend so gewendet hatte. Es war der Moment, in dem Leoni zu viel getrunken hatte. Viel zu viel. Ich wollte ihr nicht die ganze Schuld für diesen ganzen Mist geben aber sie trug mindestens den Großteil davon. Ich wollte erst gar nicht wissen, wer den ersten Schritt gemacht hatte.

Was wäre, wenn...
Ich unterbrach diese Vorstellung lieber, denn so wie es jetzt war, so war es eben nun mal. Scheiße aber die nackte Wahrheit. Wortwörtlich.
Man konnte nichts mehr ändern.

Ach gäbe es doch nur Zeitmaschinen...

The First TimeWhere stories live. Discover now