Kapitel 6

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Kapitel 6:

Jeta

Das Lachen verging mir. Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Er hatte ja so recht. Ich fühlte mich so, als hätte ich überhaupt kein Recht über etwas zu lachen – egal was. „Ich ... es tut mir leid, natürlich nicht" stotterte ich, während ich ihm zitternd die Wunde desinfizierte.

„Entspann dich. War nur 'n Scherz. Also, wie geht es dir heute so ... Jeta?" sagte er, während er mein Namensschild las. Ich hatte schon sehr oft Fragen zu meinem Namen gehabt. Hier in Deutschland war es nicht üblich, dass man Jeta hieß. Manche machten es sich sogar schwieriger, als es eigentlich war ... von Tscheta bis Jutta hatte ich schon einiges an Kombinationen gehört. Also wollte ich „Loui" zuvor kommen und ihm die Fragerei ersparen. „Kommt aus dem Albanischen. Heißt überesetzt ‚Leben'" erklärte ich.

„Soso. Interessant" sagte er und lächelte dabei so breit, dass ihm die perlweißen Zähne hervortraten und seine Augen lebendig funkelten. Wow, wie schön. Wenn es etwas gab, worauf ich bei Menschen gerne Acht gab, dann waren es Augen und Zähne. An den Augen erkennt man doch sofort, ob ein Mensch von Grund auf Gut oder Böse ist. Es ist im Grunde genommen so, als würde man durch sie in die Seele blicken können. Auch wenn sich Menschen noch so mühe gaben gut zu wirken, die Augen verrieten sie oft. Und diese Augen, ja die waren echt lebendig, auch wenn sie schwarz wie die Nacht waren. „Erkennt man überhaupt seine Pupillen?" dachte ich und machte damit meiner Vorliebe für Details mal wieder alle Ehre. Ich war kurz davor das zu überprüfen, ließ es aber bleiben, denn das wäre echt zu komisch geworden, oder?!

„Und du hast dich auch wirklich von deiner ... Verletzung ... erholt, ja?" setzte er an und sein provokanter Ton brachte mich schon wieder fast zum Rasen. Wenn es etwas gab, worauf ich gerade Null Lust hatte, dann war es über den gestrigen Vorfall zu sprechen. Zumal ich mich meiner Kollegin schon hatte erklären müssen - mit der gleichen Ausrede. "Mir geht es gut, wie Sie sehen. Das war halb so wild. Ich neige zur Übertreibung" log ich, während ich darüber nachdachte, was Albert gerade machte. Ich liebte Albert zwar nicht, aber ich hatte ein unheimliche Zuneigung zu ihm. Ich wollte einfach, dass es ihm gut geht. Ich schätze ihm ging es genauso mit mir, naja zumindest ...

„Erde an Krankenschwester ... bitte melden" sagte „Loui" amüsiert und sah mir dabei intensiv in die Augen. Um das Thema zu wechseln sagte ich nur: „Haben Sie Schmerzen? Tut das weh?" während ich versuchte abzuwiegen, mit welchem Druck ich seine Wunde behandeln konnte. „Ein LÖWE hat nie Schmerzen" grinste er selbstbewusst, während ich einfach so stärker zudrückte, um heimlich befriedigt mitanzusehen wie er kaum merklich die Zähne zusammen knirschte. „Oh. Pardon, Herr 'Löwe' sagt ich gespielt unschuldig ehe er in ungläubiges Gelächter ausbrach.

„Passiert Ihnen das eigentlich oft? Also, Verletzungen meine ich. Ich kann mir gut vorstellen, dass das eine Art Berufsrisiko ist" sagte ich während ich mich heimlich verfluchte. Na klar war das eine Art Berufsrisiko, du Neunmalkluge. Das wusste jedes Kind. Beschämt lief ich rot an und blickte zu Boden. „Äh ... nein, eigentlich nicht so oft. Dass wir angegriffen werden kommt eigentlich selten bis gar nicht vor. Wir haben hier echt Glück, weil es hier mehr Verticker und Konsumierer gibt als Banden, die auf körperliche Kriminalität setzen".

„Interessant" bemerkte ich in Gedanken versunken und dachte über das Gesagte gründlich nach. Nachdem ich die Wunde gesäubert hatte, schnappte ich das Verbandzeug und wickelte es um seinen Arm und dachte darüber nach, was genau „Loui" machte, um seinen Bizeps derart in Form zu bringen. Ich musste wohl ganz beeindruckt darauf gestarrt haben, denn der Polizist antwortete, als könne er meine Gedanken lesen, „ich boxe". Ich kam mir in diesem Moment ein bisschen blöd vor. Dennoch verspürte ich aber ein wohliges Gefühl, was vermutlich daran lag, dass dieser Typ zwar egozentrisch und übertrieben selbstbewusst wirkte, aber gleichzeitig scheinbar die Macht hatte ein Gespräch so flüssig wirken zu lassen, dass man das Gefühl hatte, man kenne ihn ewig. Oder? Ja, bestimmt.

„So das hätten wir dann wohl. Es ist kein tiefer Schnitt, daher sind Medikamente eigentlich nicht notwendig. Es ist wichtig, dass Sie den Verband täglich wechseln und die Wunde vorher desinfizieren. Verband und Desinfektionsmittel erhalten Sie rezeptfrei an der Apotheke. Wenn Ihnen irgendwas auffallen sollte, kommen Sie bitte wieder" sagte ich im professionellen Ton und wartete darauf, dass er ging.

„Danke. Ein verwundeter Löwe kommt niemals wieder. Er versorgt sich selbst" sagte er und zwinkerte  mir zu, während ich rot anlief und ein „Auf Wiedersehen" mit Mühe herausbrauchte. „Auf Wiedersehen, Krankenschwester" sagte er und eilte mit großen Schritten davon. Komischer Kerl. Hatte er etwa gerade mit mir geflirtet? Mit einer verheirateten Frau, von der er auch noch zu allem Übel wusste, dass sie verheiratet war? „Brems dich ein, Jeta" dachte ich „er hat dir nur zugezwinkert, das war sowas wie ein ‚Alles easy'Zwinker. Und außerdem, ich war verheiratet, mich interessierten andere Männer nicht, auch wenn Albert ... naja, Albert war.

Um 23 Uhr verließ ich das Unfallkrankenhaus ermüdet und eilte zu meiner Wohnung, die nur wenige Minuten zu Fuß entfernt war. Ich rechnete damit, dass Albert zuhause war und seinen Rausch ausschlief, deshalb versuchte ich so wenig Geräusche wie möglich zu machen, während ich die Tür öffnete.

Ehe ich reinkam hörte ich seine Stimme. „Jeta ..." und machte mich auf das Schlimmste gefasst ...

Një jet me tyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt