Kapitel 47

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Kapitel 47:

Jeta

Ich stand auf, noch müder als zuvor, völlig zugefroren, und ging auf das Wohnzimmer zu. Die Wohnung fühlte sich nach wie vor völlig kalt und fremd an. Man sagt, nach der 1. Nacht gewöhnt man sich an das neue Heim. Doch ich konnte mich einfach nicht gewöhnen. Mich überkam erneut eine Traurigkeit, die mein Gesicht betäubte und mir die Sinne raubte. Die erst schlimmer wurde, wenn ich an den Traum mit Luan dachte. Verzweifelt versuchte ich die aufkommenden Tränen zu unterdrücken.

Ich war nie eine Person gewesen, die sehr viel weinte. Ich weinte, wie jeder Mensch auch, aber nicht über alles mögliche. Ich hatte früh im Leben gelernt, dass weinen die Probleme nicht lösen konnte, man fühlte sich nur kurzfristig etwas freier, nur um dann wieder die Trauer zu verspüren.

Doch die Umstände hatten mich zu einem emotionalen Wrack gemacht, das nicht wusste wo ihr der Kopf stand.

Ich schaute auf die Wanduhr. 8:34. Schon hörte ich auch Albert das Wohnzimmer betreten. Gähnend legte er sich auf die Couch.

"Wir haben nicht mal nen Fernseher hier" motzte er, wirkte jedoch bei weitem nicht so feindseelig wie gestern.

Ich versuchte die Situation auszunutzen und setzte mich neben ihn, um mit ihm über seine Gefühlslage zu sprechen. So wie in alten Zeiten.

"Wie hast du geschlafen?"

Er sah mich an, überrascht ob dieser Frage:

"Gut. Das Bett ist richtig gut."

"Albert, hör mal, ich weiß nicht wie ich das hier finden soll. Wir konnten doch immer miteinander sprechen, warum denn nicht jetzt? Ich will doch nur, dass es so wird wie früher. Lass uns zurück nach Deutschland".

Er sah mich zuerst mitleidig an, ehe er anfing laut zu lachen. Zwischen Gelächter brachte er schließlich hervor: "Wie früher, sagt sie".

Ungläubig schüttelte er den Kopf, nahm einen Joint aus seiner Tasche und zündete ihn sich genüsslich an. Der Gestank trieb mir sofort die Kopfschmerzen herbei.

"Albert, bitte.."

"Albert, bitte.." äffte er nach.

"Jetchen, du fickst einen anderen, während du noch mit mir verheiratet bist und möchtest jetzt was genau? Glaubst du denn nicht, dass mir bewusst ist, dass du mich gnadenlos verlassen hättest, wenn ich diese verfickten Bilder nicht gehabt hätte?!".

Ich wollte etwas erwidern, doch er unterbrach mich rau: "Mach mir was zu essen, ich sterbe vor Hunger.

Stumm gehorchte mich und bemitleidete mich selber, als ich wie ein gehorsamer Hund in die Küche ging und genau das tat.

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Eine Woche war vergangen seitdem wir in der Schweiz waren. Ich hatte mich langsam an diesen Dauerzustand der Schläge, des Niedermachens und der Trennung meiner großen Liebe gewöhnt. Gewöhnt war vielleicht das falsche Wort, denn ich lag immer noch jeden Abend weinend und zusammengekauert im Sofa oder im Badezimmer, aber langsam hatte ich die Hoffnung aufgegeben, dass sich etwas ändern würde.

Albert begann sich mit dem Nachbar anzufreunden. Er war eben ein guter Schauspieler und machte gute Miene zum bösen Spiel. Ich war froh, dass er einen Freund gefunden hatte, denn er ging mit ihm ein paar mal raus, was für mich bedeutete ihn für ein paar Stunden los zu sein und meinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Er hatte auch langsam begonnen nicht mehr die Tür abzusperren sondern mir den Schlüssel zu überlassen, denn es war einmal vorgekommen, dass die Nachbarin zu mir wollte, während er mit ihrem Mann weggegangen war. Es war für uns mehr als peinlich gewesen eine Ausrede zu erfinden, warum er den Schlüssel mitgenommen hatte und mich eingeschlossen hatte. "Schlüssiges  Handeln" hatte er es genannt, "dass er völlig unbewusst gemacht hatte". Ich hatte daneben gestanden und gelacht, dieses kranke Spiel mitgespielt.

Genauso wie heute. Die Nachbarin, Florije, war mit ihrem Mann Burim und dem Kind vorbeigekommen, zu Kaffee und Kuchen. Ich hatte schon Muskelschmerzen davon, dass ich dauernd gezwungen Lachen musste.

Florije machte einen guten Eindruck, sie wirkte stets fröhlich und gesprächig und erinnerte mich ein bisschen an Tante Merita, jedoch war mir ihre Art momentan einfach zu viel. Sie verlangte mir meine gesamte Kraft zu sprechen und zu lachen ab.

Schließlich gingen die Männer raus. Mir war das nur recht, denn ich konnte seine Nähe einfach nicht ertragen.

Wir saßen da mit Florije, tranken Qaj und sie erklärte mir wie sie Burim vor Jahren kennen gelernt hatte. Ich lauschte halbherzig hin, ihren kleinen Sohn im Arm, der ein kleiner Sonnenschein war. Weinte kaum, ging zu jedem und stets brav. Ich genoß es ihn zu halten und mir dabei vorzustellen, wie es gewesen wäre eines mit Luan zu haben. Mich machte der Gedanke zwar traurig, ich konnte jedoch auch in eine Traumwelt fliehen, die mir die Situation einigermaßen erträglicher machte.

Schließlich rief Florije keine zwei Minuten später entsetzt: "Puuuuh o ka vjen era". Ich stimmte zu und lachte, ob der Tatsache, dass ein derart kleines Wesen so einen Geruch verursachen konnte.

"Ich geh ihm Mal die Windeln wechseln. Shihem neser e dashur" sagte sie knapp, gab mir einen Kuss auf die Wange und ging.

Ich merkte, dass sie den Teddy von ihrem Sohn liegen gelassen hatte. Genau in dem Moment klopfte es an der Tür.

Ich öffnete und streckte den Teddy entgegen: "Ich glaub, ohne den wird er heute nicht mehr einschlafen..."

Një jet me tyTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang