Kapitel 1

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Shirley saß bei ihrem Vater im Auto und schaute schlecht gelaunt aus dem Fenster. Nicht nur, dass sie von nun an in einer neuen Stadt leben und auf ein neues College gehen musste. Nein, jetzt wurde sie von ihrem Vater auch noch dort hin gebracht. Das wäre ja nicht weiter schlimm gewesen, wenn er nicht als Polizist arbeiten würde und sie mit dem Dienstwagen dorthin bringen musste.

Er hatte darauf bestanden sie zu fahren, wo sie heute den ersten Tag an einem neuen College verbringen würde. Aber ihm war es nicht unangenehm mit dem Streifenwagen vor dem College aufzutauchen. Im Gegenteil. Er nahm es als Vorwand, um dort nach dem Rechten zu sehen.

Sie hatte nicht weiter mit ihm diskutieren wollen. Es war ohnehin ungewohnt für Shirley jetzt so viel Zeit mit ihrem Vater zu verbringen. Nach der Scheidung ihrer Eltern, war sie mit ihrer Mutter nach Alaska gezogen und hatte ihren Vater hin und wieder in den Ferien besucht. Jetzt würde sie bis nach dem College-Abschluss bei ihm wohnen. Er war kein komplizierter Mensch, doch kannte sie ihn noch nicht so gut.

„Na wenigstens scheint heute die Sonne", meinte Shirleys Vater Jack, um die angespannte Stimmung im Wagen etwas zu lösen und eine lockere Unterhaltung zu beginnen.

„Das ist North Carolina, Dad." Shirleys Antwort klang eher desinteressiert. Auf diesen Teil der Erde schien zu guten achtzig Prozent immer die Sonne.

Doch Jack gab nicht so schnell auf.
„Bist du nervös?"
„Nein. Wenn, dann nur auf Grund der Tatsache, dass ich in einem Polizeiwagen zum College fahre."

Eigentlich hatte sie das nicht so bissig sagen wollen, aber Shirley hatte wirklich schlechte Laune. Selbst ohne Streifenwagen hätte sie diese gehabt. Seit drei Monaten war ihr Leben nicht mehr in der richtigen Bahn. Erst hatte ihre Mutter diesen blöden Autounfall, für den sich Shirley noch die Schuld gab.

Anschließend musste sie bei ihrer Tante Clara wohnen - die Shirley überhaupt nicht leiden konnte. Dann fand sie heraus, dass ihr Freund Rico sie betrogen hatte und zu guter Letzt musste sie jetzt in North Carolina bei ihrem Vater leben, weil sie sich keine eigene Wohnung leisten konnte und nicht bei Tante Clara bleiben wollte. Schon jetzt vertrug sie die Hitze nicht. Dabei war es nicht einmal Hochsommer.

„Komm so schlecht ist das gar nicht. Meinst du nicht, dass du dich in diesem Wagen sicherer fühlst? Es gibt eine menge Idioten in dieser Stadt."
Das war Jacks hilfloser Versuch die Situation zu retten.

„Man wird mich verspotten", klagte Shirley genervt und rutschte im Sitz runter. Sie fühlte sich ja so gar nicht wohl in ihrer Haut.
„Glaub ich nicht."
Shirley war nicht aufzumuntern. Egal was Jack auch versuchte.

„Ich weiß ja, dass das alles eine neue, unangenehme Situation für dich sein muss. Doch sieh es mal von der Seite...du kannst hier vollkommen neu anfangen. Bald hast du auch deinen Abschluss. Dann kannst du machen, was du willst. Du kannst arbeiten gehen, dein eigenes Geld verdienen und dir eine Wohnung suchen. Mach dir neue Freunde. Keine Schläger-Typen, die regelmäßig trinken und Drogen nehmen. Ich meine richtige Freunde, die dich so nehmen wie du bist. Für die du dich nicht verstellen musst."

„Ich hatte richtige Freunde in Alaska. Konnte nur nicht ahnen, dass sie sich in die falsche Richtung entwickeln würden."
„Naja, jetzt hast du ja Gelegenheit bessere Leute kennen zu lernen."
Was für Jack „bessere Leute" waren, hielt Shirley eher für Langweilige-Vorzeige-Kinder. Mit denen konnte sie nichts anfangen.
Shirley antwortete also nichts mehr darauf und so schwiegen beide für den Rest der Fahrt.

Jack hielt den Wagen einen Block weit vom College entfernt an. Er wollte nicht, dass seine Tochter sich noch unwohler fühlte, als es ohnehin schon der Fall war.
„Da wären wir."
„Danke führ's fahren", sagte Shirley in einem trockenen Ton. Sie bemühte sich die Stimmung zwischen Jack und ihr nicht noch negativer werden zu lassen. Aber ganz freundlich zu klingen, schaffte sie doch nicht.
„Hey, ähm...", begann Jack.
„Was?"

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