Kapitel 24

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Shirley zitterte. Und wie sie zitterte. Noch nie hatte sie sich so vor Rico gefürchtet. Was hatte sie nur jemals an ihm gefunden? Kaum zu glauben, dass sie sich jemals wie eine Verrückte nach ihm verzehrt hatte.

Nun stand sie auf dem Kampus und wartete auf ihn. Sie war extra die letzten drei Tage wider zum College gegangen, damit er ihr näher kam. Nicht dass die irgendetwas von dieser mörderischen, verräterischen Qualle wollte. Nein, sie ließ ihn mit Absicht an sich heran. Es gehörte zu Leons komischen Plan.
Sie hatte es am Anfang nicht machen wollen, weil sie solche Angst vor Rico hatte.

Was zuerst noch Abneigung gewesen war, hatte sich in panische Angst verwandelt. Er hatte jemanden erschossen. Das war ihr mehr als bewusst, als er in seinem üblichen Schleichgang zu ihr über den Hof trottete.

Joanna hatte ihr natürlich einen Haufen fragen gestellt. Leider konnte Shirley ihre mittlerweile gute Freundin nicht einweihen. Niemand durfte wissen, was sie vor hatte. Das könnte sie nämlich ihn riesige Schwierigkeiten bringen. Zumindest wusste Joanna, dass sie sich vor Rico und Justin mehr als nur fürchtete. Also blieb sie mit Abstand neben dem Kirschbaum auf der andern Seite stehen und beobachtete Shirley pausenlos.

Während Rico sich grinsend zu ihr bewegte, fing ihr Blick eine weitere Gestalt auf, deren Blick ungehemmt auf ihr lag. Es war Will. Der gute Will, sie hatte ihn total vernachlässigt, dachte Shirley.

Doch sie hatte keine Zeit mehr sich mit ihrem schlechten Gewissen aufzuhalten. Rico war bei ihr angekommen und lächelte verführerisch. Sofort musste Shirley einen Würgereiz unterdrücken.

Warum konnte nicht Leon vor ihr stehen und sie so anschmachten, wie er es immer tat? Sie hatte lange nicht mehr mit ihm geflirtet oder ähnliches. Dabei hatte sie doch solche Sehnsucht nach ihm. Konnte man einen Menschen so sehr vermissen, obwohl man ihn täglich sah und mit ihm sprach? Wie konnte man einem Menschen nur derartig verfallen?

„Hey Shirley", grüßte Rico freundlich. Der hatte Nerven so verdammt freundlich zu ihr zu sein. „Wir geht es dir?"
„Nicht besser als gestern. Du weißt doch, dass man Leon immer noch wegen Mordes sucht."
„Ach ja richtig."

Er rieb ein paar mal seine ausgelatschten Schuhe über den trockenen Boden unterhalb der Rotbuche und sah dabei auf den Staub, den er dabei aufwirbelte. Shirley wollte überall sein nur nicht bei ihm. Sie wollte weg von ihm.

Seine Hände sollten sie bloß nicht anfassen. Sobald sie seine blutigen Hände berühren würden, würde sie den Verstand verlieren. Ganz sicher!
„Es ist bedauerlich, dass man sich sein Leben so kaputt machen muss."
So ein mieser Heuchler, dachte sich Shirley und hoffte man könnte ihr die Gedanken nicht vom Kopf ablesen.

„Hör mal, ich weiß, dass ich einige Dinge zu dir gesagt habe, die ich besser nicht gesagt hätte. Ich war nur so schockiert, weil du plötzlich einen neuen Freund hattest. Ich hätte zwar nicht von dir erwartet ewig single zu bleiben, aber dass du so schnell über mich hinweggekommen bist, hat mich in Rage gebracht."

Ach auf einmal kann er wieder nett sein.
„Ja, Rico, ich bin über dich hinweg."
„Gibt es für mich gar keine Chance mehr das zu ändern? Ich will mich ändern, Shirley."
„Ich weiß nicht so recht. Ich habe noch ein kleines Trauma, von der Sache mit Justin."
„Justin ist ein Idiot."
„So weit ich weiß, sagt er das selbe über dich."
Er lächelte verlegen. Dabei strahlten seine Augen wie polierte Saphire. Es war das einzig schöne an ihm. Nur sprachen auch die ganzen Lügen aus ihnen.

„Justin und ich sind wie Blutsbrüder. Wir streiten und können doch nicht ohne einander."
Sie nickte nur, als hätte sie diesen absurden Quatsch verstanden. Das hatte nichts mit Blutsbruderschaft zutun. Die beiden waren einfach nur gleichermaßen krank im Kopf.
„Ich will dich nicht nerven, aber bist du noch mit Leon zusammen?"
Bravo, dachte Shirley und triumphierte innerlich, eine bessere Vorlage hätte ich gar nicht bekommen können.

Für immer Sommer Where stories live. Discover now