22.12

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Rosalie

Die Nacht war der Horror. Während Derek seelenruhig neben mir schlief, lag ich nach Mitternacht immer noch wach und war weit davon entfernt ins Land der Träume zu gelangen. Resigniert schlug ich meinen Teil der Decke zurück und hob behutsam Dereks Arm hoch. Irgendwann nachdem er eingeschlafen war, hatte er einen seiner Arme um mich gelegt und ich hatte gehofft, dass die Wärme seines Körpers mir dabei helfen würde einzuschlafen. Doch was normalerweise eine beruhigende Wirkung auf mich hatte, hatte jetzt leider nicht den gewünschten Effekt gehabt.

Vorsichtig öffnet ich meine Zimmertür, um Derek nicht zu wecken und schlich den Flur entlang zur Treppe. Ich ging runter und wollte mir in der Küche irgendwas machen. Einen Kakao oder eine heiße Milch mit Honig oder so. Womit ich zu dieser Uhrzeit allerdings nicht gerechnet hatte, war meinen Dad an unserem Herd zu entdecken.

»Was machst du da?«, fragte ich und schien ihn damit etwas zu überraschen, denn beim Klang meiner Stimme zuckte er leicht zusammen. »Ich wollte mir einen Kakao machen. Möchtest du auch einen?«, fragte mein Dad als er mich über die Schulter hinweg anblickte. Kurz nickte ich zur Bestätigung und kletterte dann auf einen der hohen Stühle, die vor der Kücheninsel standen.

»Erzähl aber bloß nicht deiner Mom was wir hier machen«, sagte er mit einem neckenden Unterton.

Dad und ich hatten schon früher immer, wenn ich nachts nicht schlafen konnten in der Küche zusammen Kakao getrunken. Natürlich ohne jemals meiner Mutter davon zu erzählen. Sie wäre mit Sicherheit im Dreieck gesprungen, wenn sie das mitbekommen hätte. So spät konnte man schließlich keine Kalorien mehr zu sich nehmen. Zumindest war das ihre Meinung, ich hingegen sah das vollkommen anders.

»Kannst du auch nicht schlafen?«, fragte ich Dad während ich ihm dabei zu sah, wie er die Milch in den Topf goss und die Herdplatte anstellte.

»Ich wollte mit dir etwas besprechen und habe darüber nachgedacht wie ich das am besten anstelle.«

»Worum geht es denn?«, hakte ich nach.

»Ich mache erstmal den Kakao fertig und dann reden wir.«

Die Minuten bis mein Dad das Heißgetränk vor mir abstellte, fühlten sich endlos an. Er hatte diesen ernsten Blick drauf, den ich bisher eher selten bei meinem Dad gesehen hatte. Zum letzten Mal hatte er hin aufgesetzt als er mit mir vom Tod meiner Großeltern sprechen musste und versucht hatte seine wahren Gefühlen zu verbergen.

»Dad, was ist los?«, fragte ich und versuchte mir nicht irgendwelche negativen Szenarien in meinem Kopf auszumalen, die womöglich am Ende doch schlimmer waren als der eigentliche Grund.

Mein Vater setzte sich zu mir, stellte meinen Kakao vor mir ab, nahm einen Schluck von seinem und drehte sich erst dann in meine Richtung um. Wenn ich es nicht eigentlich besser wüsste, würde ich meinen, dass er ein klein wenig nervös war, aber das war eine Gefühlsregung, die ich an ihm noch nie hatte beobachten können.

»Ich wollte dich fragen, was du davon halten würdest, wenn ich deiner Mom meine Hälfte des Hauses schenke.« Entgeistert sah ich ihn an, dass konnte unmöglich sein Ernst sein. Wieso sollte er so etwas Dummes nur tun wollen?

»Dein Blick spricht Bände.«

»Das ist ja auch eine verdammt dumme Idee. Wieso willst du ihr das ganze Haus einfach so überlassen?«

»Sie würde es mir nie abkaufen, dass weißt du genauso gut wie ich. Deine Mom liebt den Schein von einer heilen Familie, trotz unserer Scheidung, viel zu sehr. Sie kann aber nichts wirkliches machen, wenn ich es ihr schenke.« Er hielt kurz inne und nahm einen weiteren Schluck von seinem Getränk. Ich hingegen hatte meins immer noch nicht angerührt. Dads Worte schwirrten in meinem Kopf umher und mir war bewusst, dass er im Grunde recht hatte. Mom würde weder Dad seine Hälfte abkaufen, noch würde sie jemals freiwillig aus ihrer Hälfte des Gebäudes ausziehen.

»Sie könnte es zwar ablehnen, aber...«

»Aber?«

»Ich denke, dass es an der Zeit ist hier auszuziehen. Vermutlich wäre es damals schon viel besser gewesen für alle. Vor allem für dich.«

»Du willst ausziehen?« Der Entschluss meines Vater kam für mich vollkommen überraschend, doch wenn er es so wollte, würde ich ihm bestimmt nicht im Wege stehen. Auch wenn das bedeutete, dass Mom das ganze Hause besitzen würde. »Ich wollte mit dir darüber reden, weil du hier aufgewachsen bist und ich werde es auch nur mit deinem Einverständnis tun.«

»Für mich wäre es in Ordnung«, versicherte ich ihm mit einem Lächeln. Ich wollte, dass Dad glücklich war und ich wusste, dass meine Mom mit ziemlich großer Sicherheit auch während meiner Abwesenheit weiterhin anstrengend gewesen war. Mir war es zuwider, dass sie alles bekommen sollte, doch manchmal musste man wahrscheinlich einfach Opfer bringen, um seinen Seelenfrieden zu finden.

»Weißt du schon, wo du wohnen willst?« Ich nahm einen Schluck von meinem Kakao und wie immer schmeckte er fantastisch. Mein Dad konnte ihn schon immer am besten machen.

»Da kommen wir auch schon zum nächsten Punkt über den ich mit dir sprechen wollte.« Aufmerksam musterte ich meinen Vater, konnte aber nichts wirklich Außergewöhnliches an ihm entdecken. Selbst seine anfängliche Nervosität war verschwunden.

»Als meine Eltern vor ein paar Jahren gestorben sind, wollten sie dir etwas hinterlassen und da deine Mom und ich bereits geschiedenen waren, hatten sie mich von vornherein als Verwalter eingesetzt. Sie wollten nicht, dass deine Mutter die Möglichkeit bekommt dir irgendetwas von dem wegzunehmen, was dir zusteht und ich wollte das auch nicht.« Ich hörte meinem Dad aufmerksam zu, hatte jedoch keine Ahnung worauf er genau hinaus wollte.

»Sie haben dir ihr Haus hinterlassen«, erzählte er weiter und meine Augen wurden immer größer. Das Haus meiner Großeltern war riesig, jedenfalls hatte ich es so in Erinnerung. Ein großes, gemütliches Haus, in welchem ich mich immer pudelwohl gefühlt hatte. Es war Teil meiner Kindheit gewesen und unvorstellbar, dass es jetzt mir gehören sollte.

»Ich wollte es dir eigentlich erst nach deinem Abschluss sagen damit es wie ein Abschlussgeschenk von den beiden für dich ist«, führte er seine Aussage fort.

»Und warum erzählst du es mir dann jetzt?«, fragte ich sichtlich überrumpelt. Man erfuhr schließlich nicht jeden Tag, dass einem ein Haus gehörte.

»Weil ich nicht einfach in dein Haus ziehen kann ohne dich zu fragen, ob das in Ordnung für dich ist. Ich würde selbstverständlich wieder ausziehen, sobald ich eine passende Wohnung gefunden habe, doch heutzutage kann so etwas leider manchmal etwas dauern und...«, bevor er die Chance bekam seinen Satz zu Ende zu bringen.

»Stopp, Dad. Natürlich kannst du in dem Haus wohnen und du musst auch nicht ausziehen. Auch wenn mich die ganze Situation ziemlich verwirrt und ich mich ein wenig überfordert fühle. Ich dachte immer, dass das Haus verkauft worden sei«, meinte ich und erkannte im Gesicht meines Vaters ein leichtes Grinsen.

»Nein, wurde es nicht. Es gehört dir, also gewöhne dich besser an den Gedanken«, aufmunternd blickte er mich an und deutete dann mit dem Kopf auf meine Tasse, in der der Kakao bereits kalt geworden war.

»Ich mache uns mal noch einen und dann reden wir noch ein wenig in Ruhe über alles. Was hältst du davon?« Zustimmend nickte ich und trank meinen kalt gewordenen Kakao aus, um Platz für den neuen zu schaffen. 

The Christmas DateWhere stories live. Discover now