Kapitel 27

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Die Tage vergehen schnell, die Jungs und ich sind zu einer richtigen großen Familie geworden. Oft zocken wir zusammen, Chan und ich kochen des Öfteren und wegen den nächtlichen Knutschereien mit Felix schlafe ich ein paar Stunden weniger. Wir sprechen nicht wirklich über unser Verhältnis, ob ich ihn jetzt meinen festen Freund nennen kann oder nicht. Wir genießen einfach unsere Zeit.

Heute bin ich wieder alleine im Dorm, weil die Jungs einen Auftritt haben. Ich sitze mit einem Joghurt und einer grauen Kuscheldecke von Changbin auf der Couch und schaue auf dem Fernseher irgendwelche YouTube Videos. Hauptsächlich irgendwelche fmvs von Felix, die mich ständig zum Schmunzeln bringen. Oder ich schaue mir irgendwelche Musikvideos an. Durch die Jungs habe ich angefangen, mich wirklich für K-Pop zu interessieren.

"Hey, meine Süße", ertönt auf einmal eine tiefe Stimme neben meinem Ohr und ich muss nicht einmal den Kopf drehen, um zu wissen, wem sie gehört. Es ist Felix' Stimme.

"Hey." Ich drehe den Kopf zu dem Blonden, lege die Hände auf seine Wangen und küsse ihn zur Begrüßung. Das Gefühl seiner Lippen ist immer wieder überwältigend. 

"Alaaarm, Liebe!!", kreischt Woojin, der gerade durch die Tür kommt. Er trägt noch immer den dunklen Lidschatten von der Show.

"Was schaust du dir an?" Felix schmeißt sich neben mir auf die Couch und sieht auf den Bildschirm. "Seit wann magst du denn Block B?", fragt er verdutzt und sieht auf das pausierte Musikvideo von Yesterday. 

"Seit ein paar Tagen", gebe ich mit einem nervösen Lachen zu. "Ich mag Zico."

"Ey, du gehörst zu Felix, schwärm' nicht von einem Anderen", mahnt Hyunjin, der sich auf den Sessel neben uns fallen lässt, die schwarzen Haare komplett verwuschelt.

Ich lache leise und sehe den Schwarzhaarigen an. In den letzten Tagen haben wir viel miteinander gesprochen, ich habe erfahren, dass er Sushi liebt und seine Lieblingsfarben schwarz und weiß sind. 

"Ruhe." Ich lache und kuschle mich an Felix, der sofort einen Arm um mich legt. 

"Haruka, hast du heute Abend noch Zeit?", fragt Hyunjin dann.

"Wenn ich fertig mit ihr bin", sagt der Blonde neben mir und sofort werde ich rot. Das ist mir in den letzten Tagen unglaublich oft passiert und langsam habe ich so das Gefühl, dass Felix es auch oft darauf anlegt. 

"Genug", sagt Chan mit geweiteten Augen, er hat seinen braunen Mantel in der Hand und sieht Felix verstört an. "Wir haben einen anwesenden Maknae." Er sieht zu Jeongin, der ihm hinterhergetrottet kommt. Dieser schlägt ihm mit einem verlegenen Grinsen gegen den Arm.

"Und wann seid ihr fertig?", fragt Hyunjin in gedehntem Ton, das e zieht er ganz besonders lang.

"Entscheiden wir spo-"

"Halt die Klappe", lache ich und halte Felix den Mund zu. Auch, wenn ich nicht sehen kann, wie seine Mundwinkel in die Höhe wandern, erkenne ich sein aufkommendes Grinsen doch schon an dem Funkeln seiner Augen.

"Es gibt bald essen, ich habe heute mal wieder Lust, zu kochen", erklärt Chan. Erst jetzt bemerke ich so richtig die gräuliche Einkaufstüte in seiner Hand. Wann war er denn bitte noch einkaufen?

"Soll ich dir helfen?", frage ich ihn mit einem Lächeln und setze mich dabei wieder aufrecht hin.

"Nein, Haruka." Er schmunzelt. "Du sollst deine Zeit lieber mit Felix verbringen." Als er das sagt, schleicht sich ein mattes Lächeln auf seine Lippen, mit einer Spur von... Trauer, möchte ich behaupten. Aber warum sollte Chan traurig sein? Weil Felix und ich beide glücklich sind? Das macht doch keinen Sinn.

"I-In Ordnung", lenke ich ein, noch immer ein wenig verwundert über seinen Gesichtsausdruck. Felix und ich stehen auf und stampfen die Treppe hinauf.

"Hast du Chans Gesichtsausdruck gesehen?", frage ich Felix mit gerunzelter Stirn. "Irgendwas stimmt doch nicht..."

Felix antwortet mir nicht sofort, erst, als wir am anderen Ecke der Treppe angelangt sind. Er dreht sich zu mir, in seinen Augen liegt der gleiche Schmerz wie in denen von Chan, nur sehr viel deutlicher und ausgeprägter. 

"Deine Eltern haben gestern Herrn Park angerufen... die Scheidung ist durch. Sie wollen, dass du für einen Gerichtstermin so schnell wie möglich zurück nach Deutschland kommst."

Meine Schultern erschlaffen, das Leben scheint meinen ganzen Körper zu verlassen. In den letzten Tagen war ich so glücklich und nun wird alles abrupt wieder zerstört. Ich will eigentlich gar nicht mehr zurück nach Deutschland, ich habe Gefallen an Seoul gefunden, mit seinen abertausenden Facetten. Außerdem sind mir die Jungs so sehr ans Herz gewachsen, sie sind wie eine zweite Familie für mich. Wie etwas, an das man sich klammert, weil man weiß, dass man ohne es unglücklich ist. 

"Felix...", sage ich mit kratziger Stimme, etwas anderes bringe ich nicht hervor. Ich ernte einen mitleidigen und traurigen Blick von dem Jungen, von dem ich mir nichts anderes wünsche, als dass er mich endlich fragt, ob wir nun fest zusammen sind, denn irgendwie will mir die Frage nicht über die Lippen kommen, obwohl mich diese ungewisse Situation mehr als nur wurmt.

Der Blonde kommt auf mich zu und schließt mich in seine Arme. Seine großen, warmen Hände streichen über meinen Hinterkopf, meine braunen Haare, die ich heute morgen noch bei einem fröhlichen Song gewaschen habe, wobei ich sogar leise mitgesungen habe. Aber jetzt gerade ist mir einfach nur nach heulen zumute und das tue ich auch. Heulen. Die Tränen fließen einfach über meine Wangen. Zuerst versuche ich noch, sie aufzuhalten, doch es bringt nichts. Es ist, als wären sie mit dem Schmerz, der sich von meinem Herzen aus auf meinen ganzen Körper ausbreitet, tief verankert.

"Ganz ruhig, meine Kleine. Ganz ruhig." Er küsst meine Schläfe. Er weiß, wie sehr ich es liebe, wenn er mich so nennt und wie sehr es mich beruhigt. Nach jedem Alptraum, jedem Finger, den ich mir beim Gemüse schneiden geschnitten habe, hat er mich so genannt, weil es mir stets ein Lächeln aufs Gesicht zauberte. Heute bewirkt es, dass ich ihn nur noch enger an mich drücke, als hätte ich Angst, er könne auf einmal verschwinden. 

Und das wird er auch. Lee Felix und all die anderen Menschen, die mir wichtiger sind als meine ganze Familie zusammen, sie alle werden aus meinem Leben verschwinden.



Dance With Me » Stray KidsWhere stories live. Discover now