Kapitel 30

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Schmerz. Alles, was ich fühle, ist Schmerz. Warum müssen diese verdammten Schuhe auch so hoch sein?

Ich zupfe das schwarze Kleid und den Mantel zurecht, welche ich beide schnell aus meinem Koffer gefischt habe. Sie kamen mir angemessen für eine Verhandlung vor. Warum auch immer um die Scheidung jetzt so ein großes Theater gemacht wird. Aber gerade habe ich keine Zeit, mir darum Gedanken zu machen. Mein Flug hatte Verspätung, weswegen ich gerade noch rechtzeitig an dem braunen, edlen Gerichtsgebäude angekommen bin.

Leise öffne ich die großen Flügeltüren und stöckle hinein. Der Richter hat sich gerade hingesetzt, also bin ich ja nicht allzu dramatisch spät. Ich setze mich in die hinterste Reihe und sehe mir erstmal alles genau an. 

Soweit ich sehen kann, sind nur Familienmitglieder von Seiten meiner Mom anwesend. Sie selbst sitzt an einem kleinen Tisch, vor dem Richter. Links daneben mein Vater mit seinem Anwalt.

Meine Mutter dreht sich zu mir um und verdreht die Augen, dann hebt sie den Arm und deutet mit ihrem spitzen, blauen Fingernagel auf ihr Handgelenk.

Ja, ich freue mich auch total darüber, sie zu sehen.

"Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir behandeln heute hier den Fall Park gegen Monroe", setzt der Richter mit seiner hellen Stimme an. Er ist generell eine sehr schmächtige Gestalt, mit zurück gegelten, grauen Haaren und dicker, brauner Hornbrille.

Die Verhandlung zieht sich, meine Mutter ist so selbstsicher und manchmal auch schnippisch, wie immer. Mein Vater ist die Ruhe in Person und mustert sie nur aus seinen braunen, ruhigen Teddyaugen. Das wäre für mich unmöglich gewesen, ich hätte sie mit so viel Hass angesehen.

Letztendlich halte ich ihre Streitereien nicht mehr aus und verlasse das Gebäude. Ich schnappe mir mein Gepäck und nehme den nächsten Bus nach Hause.

Dort angekommen, möchte ich irgendwie nicht wirklich realisieren, wieder hier zu sein. An dem Ort, über den ich in den letzten Wochen nur negative Gedanken hatte. Nur konnte ich diese immer leicht wieder loswerden, weil die Jungs mich immer irgendwie abgelenkt haben. Die Jungs... was sie wohl gerade tun? Was Felix wohl gerade tut? Der Junge, der mir seine Liebe gestand und mich damit auf dem ganzen Flug nach Deutschland durchheulen ließ...

Ich krame mein Handy aus meinem Rucksack und schaue nach neuen Nachrichten und tatsächlich. Felix hat mir geschrieben, dass er mich vermisst, Minho hat mich mit Bildern von den Katzen bombardiert und Jeongin und Hyunjin spamen Sticker und GIFs. Wie viel würde ich nur dafür geben, jetzt wieder bei ihnen sein zu können.

Seufzend schleppe ich mich und meinen Kram ins Haus. Auf dem Küchentisch liegen zahlreiche Formulare durcheinander geworfen. Moms Handschrift. Auf dem Wohnzimmertisch liegt nochmal das Gleiche, nur in einzelne Haufen unterteilt. Eindeutig Dad. Sonst hat sich hier nichts verändert. Auch mein Zimmer ist noch exakt so, wie ich es verlassen habe.

Wie schön es wäre, hier mit Felix zu liegen und Netflix zu gucken... Sich nächtelang zu küssen, wie wir es in Korea getan haben.

Lustlos werfe ich alles auf meinen mit Klamotten befüllten Sessel und werfe mich aufs Bett. In der letzten Nacht in Korea habe ich wegen Felix kaum geschlafen und das Jetlag haut mich wirklich um. Und obwohl es erst 17 Uhr ist, schlafe ich ein.

"Haruka... Aufstehen, Schatz..."

Es ist die Stimme meines Vaters. Unverkennbar. Nur ist sie ruhiger als beim letzten Mal.

Ich schlage die Augen auf und sehe direkt in die meines Vaters. Er lächelt. "Schön, dich zu sehen, Kind." Er küsst meine Stirn. "Wir haben uns gestern gar nicht mehr gesehen, du hast ja schon geschlafen, wie war dein Flug?"

"Gut...", murmle ich und stehe auf.

"Wie spät ist es...?", murmle ich dann. 

"Halb elf", antwortet mein Vater und zieht die Vorhänge auf. Er muss sie gestern zugezogen haben, denn ich weiß sicher, dass ich es nicht war. "Wir müssen gleich zur Verhandlung."

Mit diesen Worten geht mein Vater. Ich nehme es ihm nicht übel, dass er nicht großartig mit mir gesprochen hat, schließlich hat er ziemlich viel Stress um die Ohren im Moment. Also mache ich es nicht noch schwerer, stehe auf und gehe unter die Dusche. Es ist komisch, nicht auf Changbin oder Hyunjin warten zu müssen, die ständig die Dusche im Dorm besetzen.

Auch das Schminken, ohne, dass jemand ins Bad platzt und mich vollquatscht, oder gar Küsse auf meinem Hals verteilt... löst Trauer aus.

Frühstücken tue ich nicht, ich habe keinen Appetit. Ich verbiete mir jegliche Gedanken an meine Jungs am anderen Ende der Welt, um nicht anzufangen zu weinen, als ich schließlich das Haus mit meinem Vater verlasse und in seinen schwarzen BMW steige. Auf die Frage, wo Mom denn ist, bekomme ich nur ein leises "Im Hotel seit gestern Abend".

Die Verhandlung verläuft wie gestern. Ich sitze in der hintersten Reihe, puhle an der Haut neben meinen Fingernägeln und schreibe ab und zu mit den Jungs, langweile mich, versuche, die Zankerei meiner Eltern vorne auszublenden. Warum bin ich überhaupt hier? Soll ich noch mehr kaputtgehen?

Gerade, als ich nach einem Flug nach Seoul gucken will, springt meine Mutter auf und schlägt mit der Faust auf den hölzernen Tisch. Ihr rotes Kleid untermalt ihr selbstbewusstes Auftreten nur noch deutlicher und ihr Pony fällt ihr fast in die Augen.

"Ich möchte endlich Anklage einreichen", schluchzt sie und ich sehe sie nur misstrauisch an. 

"Gegen häusliche Gewalt."

Dance With Me » Stray KidsWhere stories live. Discover now