Kapitel 32

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Ich schlüpfe in meine eigenen Sachen und verlasse dann mit meinem Vater das Haus. Wir laufen ein wenig durch die Kälte und die mir alt bekannte Nachbarschaft. In dem roten Haus wohnt eine alleinerziehende Mutter, der Sohn ist bei der Bundeswehr, sie ist schizophren. Daneben wohnt ein altes Ehepaar, die Frau hat Alzheimer. 

Ich richte den Blick auf meinen Vater, der weiter geradeaus sieht, die Hände in den Taschen seines eleganten Mantels vergraben.

"Wie war Seoul?", fragt er dann plötzlich.

"Es war wunderschön...", antworte ich, die Verwirrung in meiner Stimme unüberhörbar. Ich hatte eigentlich erwartet, dass er mit mir über die Anschuldigungen meiner Mutter spricht. Aber bitte, ist mir nur recht, dass auch er das Thema meidet. Um Evelyn wird sowieso viel zu viel Wind gemacht.

"Und wie waren die... Jungs so?" In seiner Stimme liegt Unbehagen. Es geht ihm um die Videokonferenz, ganz klar. Um die Dinge, die ich ihm an den Kopf geworfen habe.

"Dad, das, was ich gesagt habe, tut mir leid", sage ich leise und senke den Blick, mustere den Kies unter mir genau, wie meine Füße über ihn knirschen.

"Das ist nicht das Thema", sagt er kühl und sieht zur Seite, zu mir. Auf seinen Lippen liegt ein warmes Lächeln. "Heute will ich mit dir nur über deine Abenteuer in Seoul sprechen."

"Na gut..." Ich sehe in die Ferne. Wir kommen nun an einer großen Wiese vorbei. Ein Kind spielt dort gerade mit ihrem Hund, es ist noch ein Welpe.

"Ich war bei 9 Jungs untergebracht. Chan. Changbin. Minho. Jisung. Jeongin. Hyunjin. Seungmin. Woojin. Und Felix." Ich lächle der Erinnerungen wegen, die in mir aufsteigen. "Jeder von ihnen war auf seine eigene Art besonders. Sie haben mich immer, wenn sie da waren, zum Lachen gebracht und von dem Grund meines Besuches in Korea abgelenkt. Naja also- Hyunjin hat mir Seoul ein wenig gezeigt. Diese Stadt ist wirklich außergewöhnlich." Ich lächle melancholisch und mustere gefühlt jeden Grashalm auf der Wiese. Vor meinem inneren Auge laufen einige Szenen mit den Jungs ab.

"Und das da war dann wohl der Staubsauger?"

"Huh, was?" Völlig aus den Gedanken gerissen sehe ich meinen Vater an, welcher mit dem Finger auf meinen Hals deutet.

Scheiße, ich habe doch versucht, ihn abzudecken.

"Felix... was tust du da?" Seine Haare fühlen sich weich an, als ich mich mit den Fingern in sie hineinkralle. "Ich zeige jedem, dass du zu mir gehörst." Ich muss nicht hinsehen, um zu wissen, dass ein verschmitztes Grinsen auf seinen Lippen liegt. Und dann spüre ich auch schon wieder seine weichen Lippen auf meinem Hals, im Bruchteil einer Sekunde wieder diesen dumpfen Schmerz, als er beginnt, zu saugen und zuzubeißen. Seine Hände wandern an meine Hüften und drücken mich gierig an sich.

Tränen stehen in meinen Augen. "Das war Felix...", sage ich und traue mich nicht zu atmen, weil ich Angst habe, dass dieser Atemzug den Damm, der meine Tränen zurückhält, zum Einsturz bringen könnte.

Mein Vater nimmt meine Hand und drückt sie sanft, was mich ungemein beruhigt. Ich sehe ihn etwas erleichtert an. 

"Ich habe mich verliebt in dieser Stadt...", sage ich dann leise. "Und ich musste die Leute verlassen, die Moms Job und den einer besten Freundin hundert Mal besser gemacht haben."

Mein Vater bleibt stehen und zieht mich in seine Arme. Ich fühle, wie er meinen Kopf küsst.

"Meine Süße, ich wollte nie, dass es so weit kommt...", sagt er mit brüchiger Stimme und ich lege nur schutzsuchend die Arme um seine Mitte.

"Dad?", frage ich dann. 

"Ja?", antwortet er mit etwas Vorsicht in der Stimme, als könnte ich wieder etwas Verletzendes sagen.

"Ich weiß, dass du das nicht getan hast."

Mein Vater schiebt mich etwas von sich und sieht mich aus wässrigen Augen an. In seinen Augen steht so viel Schmerz und doch so viel Liebe. Etwas, das ich bei meiner Mutter so gut wie nie erlebt habe.

"Danke, Prinzessin."

Dance With Me » Stray KidsWhere stories live. Discover now