Teil 1

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Meine erste Woche in der neuen Schule war soweit ganz gut verlaufen. Natürlich konnte man das nicht wirklich Unterricht nennen, denn wie überall gab es auch hier erst mal eine Aufwärm- und Kennenlernphase. Gleich klingelte es zum Pausenende und ich machte mich auf den Weg zu meinem Geschichtskurs. Schon in der zweiten Stunde hatte uns Herr Bachert eine Lektüre bestellen lassen, die wir heute anfangen würden.
Als ich in den Raum kam, waren bereits fast alle da. Benni, ein Mitschüler, hatte eine Sammelbestellung getätigt und verteilte die Exemplare an seinem Platz. Auch ich ging nach vorne, um mir eins Abzuholen und ihm das Geld dafür zu geben. Als ich näher kam hörte ich schon aufgeregtes Gerede und kaum dass ich einen Blick auf die Bücher geworfen hatte, wusste ich worum es ging.
„Das ist das falsche Buch Benni", hörte ich eine Mitschülerin sagen, deren Namen ich schon wieder vergessen hatte, weil ich nur einen Kurs mit ihr hatte.
„Wie konnte das denn passieren?", stimmte ein anderer mit ein.
„Hast du denn nicht den Titel kontrolliert bevor du bestellt hast?"
Alle redeten auf ihn ein und irgendwie tat er mir leid. Dann verstummten jegliches Gerede plötzlich und jeder kehrte auf seinen Platz zurück.
Herr Bachert war eingetreten und schritt sicheren Ganges auf das Lehrerpult zu. Er war recht jung, höchstens Anfang dreißig, aber sehr streng, dass war schon nach der ersten Stunde klar geworden. Wer weiß, vielleicht war das auch nur Fassade, zur Abschreckung und er würde später aus sich rauskommen.
Ohne eine Begrüßung bat er Anna, ein dunkelhaariges schüchternes Mädchen die ersten Seiten des Buches vorzulesen.
Hilfesuchend richtete sie ihren Blich erst auf das Buch in ihrer Hand, dann zu Benni und schließlich in die ganze Klasse.
„Was ist los? Hast du deine Stimme verloren?", fragte er sarkastisch und ich spürte Wut in mir aufkochen. Wie konnte man nur so ungeduldig und gemein sein.
Nach längerem Zögern stand Benni schließlich auf und räusperte sich.
„Wir haben die falschen Bücher", bemerkte er knapp.
„Was soll das heißen, ihr habt die falschen Bücher?", fragte er einigermaßen sachlich.
„Ich habe eine Sammelbestellung aufgegeben und wohl die falsche ISBN eingetippt." Er kratzte sich peinlich berührt am Kopf. Erst schien es, als würde Herr Bachert leicht Lächeln, doch dann wurde er laut.
„Wie kann man denn so blöde sein? Nicht mal mehr ein Buch bestellen können! Vielleicht ist das hier nicht die richtige Schule für sie", fuhr er ihn an. Benni würde ganz klein auf seinem Stuhl. „Jetzt sammeln sie ihre nutzlosen Bücher ein und verlassen Sie meinen Klassenraum", schrie er weiter. Benni schluckte und stand langsam auf. Ich konnte es nicht mit Sicherheit sagen, aber es kam mit so vor als würde er Tränen unterdrücken.
„Na wird's bald, wir wollen dir nicht den Rest der Stunde zugucken müssen!" Keiner sagte ein Wort. Ich wollte das nicht länger mit ansehen. Wieso war er so ein Arsch.
„Jetzt machen sie ihn doch nicht so runter. Klar war das jetzt doof für die Stunde, aber Fehler können jedem mal passieren!" Alle Augen waren auf mich gerichtet.
„Ist das so Frau...?"
„Laicht", antwortete ich.
„Sie bemängeln also mein Unterrichtsverhalten?", fragte er mit einem scharfen Blick. Jetzt war ich diejenige die schluckte, aber nun gab es kein ausweichen mehr.
„Ich sage nur, Sie sollten nicht so mit ihm umgehen."
Er strich sich gespielt nachdenklich übers Kinn.
„Nun gut. Ich halte diese Stunde nun sowieso für unbrauchbar und entlasse sie daher alle für heute." Erstaunte Blicke flogen durch den Raum. Das hatte keiner erwartet.
Wie packten unsre Sachen und machten uns auf den Weg zur Tür.
„Halt!" rief er auf einmal „alle außer Ihnen Frau Laicht." Ein Schauer zog sich einmal über meinen Rücken. Mitleidige Augenpaare blickten mich beim Vorbeigehen an.
Nachdem der letzte gegangen und die Tür geschlossen war, fühlte ich mich deutlich unwohl.
„Legen Sie bitte ihr Material ab und kommen sie her." Seine Stimme klang ein wenig ruhiger und weniger sarkastisch. Also legte ich meine Sachen auf einen Tisch und trat ans Lehrerpult.
„Sie denken, nur weil sie mich vor der ganzen Klasse kritisieren schauen jetzt alle ihre Mitschüler zu Ihnen auf? Sie wollen zeigen, wer hier das Recht hat zu sprechen?", jetzt hatte er den selben selbstgefälligen Tod drauf, wie auch zuvor bei Benni.
„Nein, ich finde nur..."
„Hab ich ihnen das Wort erteilt?", unterbrach er mich scharf. „Als Strafe für ihr vorlautes Mundwerk erwarte ich sie heute Abend nach dem Essen in meinem Zimmer. Dort werde ich ihnen eine Aufgabe für morgen erteilen und jetzt verlassen Sie mein Klassenzimmer."
Ohne ein weiteres Wort, ich kochte zwar Innerlich, aber wollte es nicht noch schlimmer machen, stürmte ich aus dem Raum in mein Zimmer. Ich hatte jetzt sowieso eine Freistunde und bis zur nächsten Unterrichtsstunde würde ich mich wieder gefasst haben.

Lehrer meiner LustWhere stories live. Discover now