Kapitel 04

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Ben

Ich liebte meine Gigs im Monkeys, doch heute hätte ich meinen Auftritt am liebsten abgesagt. Abs konnte meine Unterstützung viel besser gebrauchen und doch war ich jetzt nicht bei ihr, sondern wartete mit meiner Gitarre in der Hand darauf, dass ich dran war. Mein Bein wippte rauf und runter vor Ungewissheit. Der Besuch bei ihren Eltern würde sie einige Kraft kosten, auch wenn die Lowes es nur gut meinten und das Beste für ihre Töchter wollten, meinte sie es doch manchmal zu gut mit ihren Ratschlägen. Wenigstens konnte Abs damit auftrumpfen nicht obdachlos oder arbeitslos zu sein, das sollte doch etwas helfen. Nichtsdestotrotz musste ich permanent daran denken, wie das Abendessen wohl verlief. Am liebsten würde ich sie anrufen, doch wenn es wirklich mies lief und ich ihre geknickte Stimme hören würde, wäre ich schneller bei ihr als der Wind. Auftritt hin oder her. Ein Blick auf meine Armbanduhr zeigte mir, dass ohnehin kaum noch Zeit übrig war, um sie anzurufen. Ich musste jeden Moment auf die kleine Bühne, die wie jeden Sonntag und Montag in der Mitte des Raumes aufgebaut worden war und meine Songs spielen. Trotz meinem Wunsch jetzt lieber woanders zu sein, freute sich ein winziger Teil in mir auch darauf vor dem altbekannten Publikum aufzutreten.

Das Monkeys war eine recht beschauliche Bar, doch mit seiner nicht allzu großen Theke - an dem gerade mal vier Hocker Platz fanden - und den Retroschildern an der Wand, hatte es seinen ganz eigenen Charme. Die Wand gegenüber der Holztheke war eine große Tafel, an der Gäste verschiedene Botschaften hinterlassen konnten. Einmal im Monat wurde diese dann abgewischt, nachdem Mr Cartwright - der Besitzer des Monkeys - ein Foto mit seiner alten Polaroidkamera gemacht und dieses an einer anderen Wand befestigt hatte. Jeder in Clark City liebte diese Tradition, ganz besonders ich. In der Vergangenheit hatte ich bereits den ein oder anderen persönlichen Satz dort niedergeschrieben und wenn man sich einzelne Polaroidfotos genau ansah, konnte man sie noch immer lesen.

Vollkommen in Gedanken versunken, wanderte mein Blick über die Wand, während ich nach meinem Bier griff, welches Mr Cartwright für mich auf der Theke abgestellt hatte, ohne dass ich es bestellen musste. Ein weiterer Vorzug, den das Monkeys zu bieten hatte. Er kannte seine Gäste so gut, dass kaum einer sagen musste, was er wollte.

»Ich habe gehört, dass Abigail wieder in der Stadt sein soll«, riss mich die tiefe Stimme von Mr Cartwright aus meinen Gedanken. »Bist du deswegen heute nicht bei der Sache?« Er war gerade dabei ein Glas abzutrocknen und beäugte mich dabei ganz genau. Ich wusste nicht, was er sich von seiner Frage erhoffte, doch ich würde mit Sicherheit nicht zugeben, dass Abs gerade eine große Rolle in meinen Gedanken gespielt hatte. Erneut führte ich die Bierflasche zu meinem Mund, um meine Antwort noch ein wenig hinaus zu zögern. Mr Cartwright ließ sich davon allerdings nicht beirren. Ohne auf eine Erwiderung zu warten fuhr er einfach fort, stellte das abgetrocknete Glas zu den anderen und griff sich im nächsten Augenblick ein Neues. »Du hattest schon immer eine Schwäche für sie, mein Junge«, meinte er und deutete mit dem Kopf zu der Polaroidwand. »Glaube ja nicht, dass mir deine ganzen Nachrichten entgangen wären. Ich kenne jede einzelne.«

»Ich weiß nicht wovon Sie sprechen«, versuchte ich mich aus der Affäre zu ziehen.

»Rede keinen Unsinn. Du weißt genau, was ich meine.«

»Hör auf ihn, er hat mehr Lebenserfahrung als wir beide zusammen«, mischte sich Elijah ein, der anscheinend mal wieder zu spät zur Arbeit kam. Seit seinem Abschluss arbeitete er als Barkeeper im Monkeys und obwohl ich ihn schon mein halbes Leben lang kannte, war er für mich immer noch wie ein Buch mit sieben Siegeln. In der Schule war er stets der coole Außenseiter gewesen, der sich für nichts zu interessieren schien. Er hatte sich selbst isoliert, aus was für einem Grund auch immer. Dank seiner böse wirkenden Miene hatte sich auch nie jemand die Mühe gemacht ihn kennernzulernen, außer Abs' Schwester Violet. Die beide waren zusammen zu seinem Abschlussball gegangen, doch irgendwas ist danach schiefgelaufen. Seitdem schien seine Miene noch eine Spur finsterer geworden zu sein. Hin und wieder erschien zwar auch mal ein Grinsen auf seinem Mund, allerdings erreicht das nie seine Augen.

Every little Peace of LoveOnde histórias criam vida. Descubra agora