Kapitel 13

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Abigail

Ich verstand mich manchmal selbst nicht. Ich wollte Ben und er wollte mich. Die Sache war eigentlich glasklar und ich verkomplizierte sie nur mit meiner plötzlichen Zurückhaltung. Dabei war es nicht einmal so, dass ich befürchten müsste, dass er mir nur etwas vorspielte und mich verarschte. Er würde niemals einen Streit mit Matt riskieren, wenn es nur um etwas Belangloses gehen würde. Und dann gab es ja auch noch den Ring an meinem Finger. Außerdem traute ich ihm so ein Verhalten auch nicht zu und dennoch hielt mich irgendwas zurück. Es fühlte sich zum Teil wie Angst an, aber richtig greifbar, war dieses Gefühl nicht für mich. Hinzu mischte sich auch ein Hauch von Panik und Nervosität, aber diese Erkenntnis half mir auch kein Stück weiter.

»Ich bin mir nichtmal sicher, ob es Angst ist«, gab ich leise zu und verbarg meinen Kopf in meinen Händen, während ich mich gegen seine Schulter lehnte. Wie sollte ich Ben etwas erklären, was ich selbst nicht verstand? Das alles fühlte sich an wie eine Mamutaufgabe und ich wusste nicht, wie ich sie bewältigen sollte. Ich spürte, wie Bens Finger Kreise auf meinen Oberschenkeln malten. Er ließ mir Zeit, zeigte mir aber gleichzeitig auch, dass er für mich da war und irgendwie fühlte ich mich dadurch noch schlechter. »Ich liebe dich, dass tue ich wirklich, aber kannst du bitte aufhören so verständnisvoll zu sein«, murmelte ich leise vor mich hin.

»Und wie soll ich sonst sein?« Seine Stimme drang in einem ruhigen Tonfall an mein Ohr und innerlich verfluchte ich mich bereits dafür, meinen Satz überhaupt ausgesprochen zu haben. Wünschte sich nicht jeder einen verständnisvollen Freund? Warum kritisierte ich ihn also für genau diese Eigenschaft? Eigentlich war das doch etwas Gutes.

»Vergiss, was ich gesagt habe.«

»Ich glaube nicht, dass ich vergessen kann, dass du mir gerade gesagt hast, dass du mich liebst«, meinte Ben leicht amüsiert und zog mich ein klein wenig näher zur Bettkante, ehe er seine Arme um meine Mitte legte. »Magst du deine Gedanken mit mir teilen?«, hakte er leise nach und gab mir einen flüchtigen Kuss auf den Hals.

»Ich will mich nicht zwischen dich und Matt drängen«, entwichen neun kleine Wörter aus meinem Mund, die mir zuvor kein einziges Mal durch den Kopf gegangen waren. Verblüfft über das, was ich gesagt hatte, hob ich den Kopf und ließ meine Hände in meinen Schoß fallen, während ich Ben nur überrascht ansehen konnte. So perplex ich allerdings auch war, ich bemerkte, dass es genau das war, was mir auf dem Herzen lag. Wie hatte ich diese Tatsache nicht schon eher erkennen können?

»Aber das tust du doch gar nicht. Ziehe dir nicht diesen Schuh an, er passt nicht.«

»Doch genau das habe ich getan und deswegen streitet ihr«, hielt ich stur dagegen.

»Ich weiß, dass die Situation beim Camping nicht unbedingt schön war, aber Matt beruhigt sich auch irgendwann wieder, dass hast du selber gesagt. Außerdem haben wir schon davor gestritten. Wir sind Brüder, das ist quasi normal.« Vorsichtig legte er eine Hand in meinen Nacken und strich sanft mit dem Daumen über meine Wange. Der Ausdruck in seinen Augen war einfühlsam und immer noch nicht wertend und ich konnte gar nicht fassen, dass das alles real sein sollte. »Matt und ich sehen viele Dinge anders. Das fängt bei Kleinigkeiten an, geht bei Dads Unternehmen weiter und hört irgendwo bei dir auf, das heißt aber nicht, dass du irgendwie daran Schuld bist. Ich habe ebenso Gefühle für dich, wie du für mich und ich bin einfach nicht bereit sie länger unter Verschluss zu halten. Damit muss mein Bruder klarkommen.«

»Hast du manchmal Angst, dass ihr euch zu doll streiten könntet?«, fragte ich zögerlich. Bei Violet hatte ich nie solche Sorgen, ich wusste, dass wir uns immer wieder zusammenraffen würden. Sie war immerhin meine Schwester und ich liebte vom ganzen Herzen. Nie im Leben würde mir einfallen, sie aus meinem Leben zu streichen, aber ich wusste auch, dass jedes Geschwisterpaar anders war.

»Das würde Mom nie im Leben zu lassen, eher sperrt sie uns in einen Raum ohne Fenster bis wir uns wieder vertragen haben«, antwortete er leicht amüsiert. »Und wenn das nicht hilft, geht bestimmt automatisch irgendwo ein Fernseher an und beschallt uns mit Dokus über die Herstellung von Käse. Der einzige Weg diesem Horror zu entgehen, wird eine Versöhnung sein.«

»Das klingt definitiv nach deiner Mom.«

»Wie wäre es, wenn ich morgen nochmal mit Matt rede und ihm versuche alles zu erklären?«, schlug Ben vor und platzierte einen Kuss auf meiner Stirn. Gott, ich liebte es, wenn er das tat. Diese Geste sagte so viel mehr aus, als es Worte je konnten.

»Wollen wir runtergehen und unser Nudeln essen?« Zustimmend nickte ich und war viel erleichterter als noch vor der Dusche. Ich wartete darauf, dass Ben sich wieder erhob. Allerdings stand er nicht auf, sondern kam meinem Gesicht näher und küsste mich. »Dann lass uns gehen«, sagte er, nachdem er sich wieder von mir gelöst hatte. Der Kuss war nicht besonders lang gewesen und dennoch hatten in ihm so viele Versprechen mitgeschwungen. Versprechen, die mir ein wenig die Last nahmen und mein Inneres beruhigten. Als Ben stand, reichte er mir eine Hand und zog mich schwungvoll an seine Seite. »Auf zu unserem Essen.«

Ben

Die Stimmung war wesentlich entspannter als wir gemeinsam im Wohnzimmer vor dem Fernseher saßen mit unserem Essen. Ich hatte keine Ahnung wie die Sendung hieß, für die Abs sich entschieden hatte. Es war irgendeine dieser Datingshows, wo es darum ging den perfekten Partner für sich zu finden. Als ob das in einer solchen Sendung überhaupt möglich wäre. Spätestens nach ein paar Wochen schlachten diese Paare doch sowieso ihre Trennung in der Presse aus. Nichtsdestotrotz musste ich zugeben, dass die Show an sich sehr unterhaltsam zu sein schien.

»Flynn ist viel zu gut für diese Fiona«, kommentierte Abs das Geschehen auf dem Bildschirm. Ein großgewachsener Kerl mit ziemlich vielen Tattoos unterhielt sich gerade mit einer blonden Frau, was einer Brünetten so gar nicht zu gefallen schien. Wenige Augenblicke später stellte sie ihn wütend zur Rede, woraufhin der Kerl, der offensichtlich Flynn hieß, nicht so recht wusste, was er sagen sollte. Ich konnte ihn gut verstehen, denn selbst mir war unbegreiflich, was die Frau für ein Problem hatte.

»Wer ist denn da jetzt eigentlich wer?«, erkundigte ich mich und versuchte durch das ganze Chaos durchzublicken, welches sich auf dem Bildschirm abspielte. Abs gab ihr Bestes mir zu erklären, wer in dieser Sendung mit wem angebandelt hatte und zwischen welchen Personen praktisch Krieg herrschte. Darüber hinaus erfuhr ich, dass die Show offenbar Finding my Future Man hieß und bereits eine ganze Zeit lang im Fernsehen lief. Nach dieser kurzen Einführung hatte ich das Gefühl wenigstens ein wenig den Durchblick zu haben.

»Fiona würde ihm am liebsten verbieten mit jeder Frau zu reden, die ebenfalls dort mitmacht«, regte sich Abs über die Brünette auf. »Ich verstehe nicht, dass Flynn das mit sich machen lässt. Nur gut, dass er sie mittlerweile los ist.«

»Woher weißt du das denn?«

»Naja, das ist eine Wiederholung. Die Staffel lief letztes Jahr und kaum hatte Fiona mit ihm gewonnen, hat sie ihn abserviert«, meinte Abs, während sie die letzten Nudeln auf ihre Gabel schaufelte.

»Du kennst die Staffel schon?«, fragte ich und sah sie neugierig an.

»Ähm, vielleicht«, gab sie etwas kleinlaut zu, ehe sie ihren Teller auf den Tisch stellte. Bevor sie sich wieder zurück in unsere kleine Fernsehwiese sinken lassen konnte, schnappte ich sie mir und umfing ihre Hüften mit meinen Armen, um sie an mich zu ziehen. Mein Teller stand bereits seit einigen Minuten auf dem Tisch und um ehrlich zu sein, hatte ich nur darauf gewartet, dass sie endlich fertig wurde damit wir kuscheln konnten.

»Muss ich mir Sorgen machen, dass du diesen Flynn aufsuchst und mit ihm durchbrennst?«, hakte ich in einem neckischen Tonfall nach und platzierte einen flüchtigen Kuss in ihrem Nacken.

»Niemals, dann müsste ich dich ja ganz allein lassen«, antwortete sie mir und drehte ihren Kopf in meine Richtung, um mich auf dem Mund zu küssen.

Every little Peace of LoveOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz