Kapitel 09

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Abigail

Nachdem wir gegessen hatten, saßen wir alle an unserem kleinen Lagerfeuer und redeten über alles Mögliche, nur nicht über die bevorstehende Hochzeit. Kurz fragte ich mich, was Greta und ihre Mädels heute Abend wohl unternahmen, kam aber dabei zu dem Entschluss, dass es unmöglich so gut sein konnte, wie hier zu campen. Irgendwann beschlossen wir, dass es eine gute Idee wäre, wenn jemand eine Gruselgeschichte erzählen würde und Henry nahm sich dieser Aufgabe an. Wie sich schnell herausstellte, hatte er ein Talent dafür.

»Nach einer Weile kamen die drei Freunde an eine alte, verlassene Hütte. Der Mond stand hoch am Himmel und schien durch das dichte Gestrüpp der Bäume. In der Ferne hörte man eine Eule und eine kalte Brise wehte durch den Wald direkt über die unbedeckten Arme der drei Freunde. Vorsichtig näherten sie sich dem heruntergekommenen Gebäude und klopften an die Tür. Sie suchten einen Platz für die Nacht und wollten nicht draußen im dunklen Wald schlafen.« Ich lauschte Henrys Worten und rückte ein kleines Stückchen näher an Ben heran. In meinem Magen breitete sich ein mulmiges Gefühl aus und trotzdem wollte ich wissen, wie die Geschichte weiterging. »Niemand öffnete die Tür, also drückte Steven die Klinke herunter in der Hoffnung, dass keiner ein solches Gebilde abschließen würde. Die Gruppe hatte Glück und die Tür öffnete sich. Mit einem unangenehmen Gefühl, dass alle miteinander teilten, betraten sie das Haus. Es war düster und der Lichtschalter funktionierte nicht. Langsam schritten sie voran, immer ein Fuß vor den anderen. Die Hütte wirkte von innen genauso verlassen wie von außen. Überall lag Staub oder hingen Spinnweben und den Freunden war nicht ganz wohl dabei sich hier aufzuhalten. Nichtsdestotrotz bewegten sie sich tiefer ins Innere des Hauses hinein.« Mit jedem weiteren Satz konnte ich die Stimmung der Geschichte besser wahrnehmen. Wenn ich die Augen schließen würde, könnte ich mir bestimmt alles bildlich vorstellen. Ob ich das auch wollte, war eine andere Sache. Erneut rutschte ich ein Stück näher zu Ben bis mein Oberschenkel seinen streifte. Sein Kopf drehte sich in meine Richtung und er bedachte mich mit einem Lächeln, dann legte er den Arm um mich und sofort fühlte ich mich sicherer. Mein Blick wanderte von Ben weiter zu Henry und anschließend zu Matt. Bei meinem besten Freund angekommen bemerkte ich, dass er Ben und mich aufmerksam musterte. Sein Blick verdeutlichte mir, dass ihm ganz und gar nicht gefiel, was er sah. Henrys Geschichte war für mich längst in den Hintergrund gerückt, stattdessen hielt ich Blickkontakt mit Matt. Er schien mich stumm zu fragen, ob etwas zwischen Ben und mir lief. Leicht zuckte ich mit den Schultern. Was sollte ich auch großartig darauf antworten? Ben und ich hatten beschlossen noch nichts zu sagen und ich glaubte auch, dass es die richtige Entscheidung war. Ich versuchte Matts Blick zu ignorieren und weiter Henrys Geschichte zu zuhören. Irgendwann wurde mein Kopf schwer und meine Augen fielen immer wieder zu.

»Ich glaube, wir sollten langsam ins Bett gehen«, schlug Ben mit leiser Stimme vor. »Abs schläft sonst gleich ein.«

Ein paar Minuten später fand ich mich in meinen Schlafklamotten eingekuschelt im Zelt wieder. Bens Zelt war nicht recht groß, reichte für uns beide aber absolut aus. Das einzige, was mich störte, war, dass wir uns auf Grund des engen Raumes eine Decke teilen mussten. Es war zwar schön so nah an ihn geschmiegt zu liegen, doch normalerweise brauchte ich meine eigene Decke.

»Das war ein schöner Abend«, meinte Ben und platzierte einen flüchtigen Kuss auf meinem Kopf. Wir hatten nicht wirklich über unseren Kuss heute Mittag geredet. Genauso wenig wie über den Kuss in der Bar. Und ich wusste nicht so ganz, wo ich uns einordnen sollte. Irgendwas war zwischen uns, dass war uns beiden bewusst und wir leugneten es auch nicht mehr voreinander, aber was es tatsächlich bedeutete, hatten wir nicht geklärt.

»Ja, dass war er«, pflichtete ich ihm bei. »Du, Ben?«

»Hmm.« Stille. Ich sollte jetzt etwas sagen, aber auf einmal kam ich mir dumm dabei vor ihn auf dieses Thema anzusprechen. Was war, wenn er gar nicht darüber reden wollte? Oder vielleicht wollte er auch einfach gucken, was in Zukunft so passierte, anstatt sich jetzt schon Gedanken darum zu machen. Mein Schweigen zog sich in die Länge und setzte mich innerlich unter Druck. »Was ist los?«

Every little Peace of LoveWhere stories live. Discover now