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„Sag ihnen sie sollen warten bis ich da bin. Sonst… Ja, genau. … Ja, Louis, ich hab schon Schluss, alles ist gut. Ich bin grad noch mit ’ner Freundin bei Nandos. … Ich frag sie. Ja… Bis dann.“

Eleanor packte kopfschüttelnd ihr Handy wieder in ihre Tasche, während ich immer noch total überrascht da saß. Vier Kinder, krass. Vier Kinder! Wie zur Hölle hatte sie dann immer noch diese verdammte 90-60-90-Figur?

„Ich muss unbedingt los. Die Jungs sind völlig überfordert mit der Lage“, murmelte sie, mehr zu sich selbst als zu mir, während sie ihre Jacke anzog. Die Kellnerin sah uns misstrauisch an, als Eleanor sich so schnell anzog.

„Kannst du eigentlich backen?“, fragte sie und machte ihren Schal um. „Weil wenn ja, dann musst du einfach mitkommen. Bitte, bitte, bitte!“ Backen? Ich strich mir durch die Haare und Eleanor sah mich bettelnd an, was mich zum Lachen brachte.

„Ein bisschen was krieg ich hin, ja“, grinste ich und musste wieder lachen, als sie erleichtert aufseufzte. Wozu brauchte sie denn jetzt meine Hilfe beim Backen?

„Superklasse, du rettest gerade mein Leben“, erklärte sie todernst, was mich wieder zum Lachen brachte.

Nachdem auch ich mich wieder mit Jacke, Mütze und Schal eingepackt hatte –es war einfach viel zu kalt -, gingen wir zu Eleanors Auto, einem kleinem, roten Mini Cooper.

Glücklicherweise hatte Eleanor eine gut funktionierende Sitzheizung und innerhalb von fünf Minuten hätte ich meine Mütze und meinen Schal schon wieder ausziehen können, so warm war es. Eleanor drehte das Radio auf volle Lautstärke auf und fing an genauso laut mitzusingen. Wahrscheinlich hörten die anderen Autofahrer und die Fußgänger nur den Bass, aber das war mir in diesem Moment völlig egal. Ich genoss diesen Moment, der sich einfach so perfekt anfühlte. Gott, ich hörte mich an wie eins dieser frühreifen sechzehnjährigen Mädchen aus irgendwelchen Hollywoodfilmen. Neu an der Schule und gleich zwanzig allerbeste Freunde und so. Ich warf Eleanor einen Seitenblick zu, die immer noch fröhlich zu ‚Time of my life‘ sang und den Blick auf die Straße gerichtet hatte. Es war vermutlich ihre offene und freundliche Art und dieses immense Maß an Vertrauen, das sie fremden Menschen entgegenbrachte, was mich dazu gebracht hatte sie zu mögen. Sie schien auf jeden Fall der Typ Mensch zu sein, der ein wirklich guter Freund werden konnte.

Als nächstes kündete der Moderator eine britisch-irische Boyband namens One Direction an. Komischer Name. Aber es gibt ja auch Namen wie ‚Die Ärzte‘ oder so. Aber laut des übereuphorischen Moderatoren, er hieß Steve, wenn mich nicht alles täuschte, sollten sie die neuen Beatles sein und reihenweise Mädchen zum umfallen bringen.

Als das Lied begann musste ich mich halten nicht loszulachen. Oder zu heulen, dass sowas mit den Beatles verglichen wurde, ich konnte mich noch nicht so ganz entscheiden. Fünf verschiedene Jungenstimmen, vom gesanglichen her immerhin nicht ganz so schlecht, das musste ich zugeben, säuselten mir durch den Lautsprecher in Eleanors Mini zu, wie schön ich doch wäre, dass ich kein Make-Up bräuchte und ich nicht wüsste, dass ich einfach wunderwunderschön wäre. Na, die hatten mich aber noch nie nach einer Nacht mit wenig Schlaf gesehen. Oder generell ohne Make-Up. Wahrscheinlich waren die ihre ganze Jugend in einem Jungeninternat eingesperrt gewesen und hatten außer ihrer Mama und deren Haushaltshilfe nie eine andere Frau gesehen. Wie auch immer, zumindest, dass kleine 13jährige Mädchen bei dem Geplärre umfielen konnte ich mir vorstellen.

„Wie findest du die Band?“, fragte Eleanor und setzte den Blinker nach rechts in eine von Villen gesäumte Straße. Jesus Christ, hier würde sie doch wohl nicht wohnen?

„Ich weiß nicht“, erwiderte ich schulterzuckend. „Ich kenn‘ die ja nicht. Das Lied ist ganz okay, so die Melodie und so.“ Wahrscheinlich würde ich von der Melodie tagelang einen Ohrwurm haben.

Tit for Tat | h.s.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt