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Nervös nestelte ich an meinem rechten Pulloverärmel herum. Ein kleiner Faden hatte sich schon gelöst. Verdammt, ich mochte diesen Pulli wirklich gerne! Zayn saß neben mir und hatte inzwischen aufgegeben zu versuchen mich zu beruhigen. „Meine Fresse, das ist doch geklärt, denke ich. Du weißt, dass es nicht seine Schuld war und alles ist gut", startete er einen letzten Versuch. „Na und?", fauchte ich. „Darf ich nicht nervös sein?" Zayn hob beschwichtigend die Hände. Ehrlich gesagt, wusste ich selbst nicht so genau, warum mein Körper diese Nervositätsschiene fuhr, aber seit wir in die Straße eingebogen waren, in der das Haus der Jungs stand, fühlten sich meine Knie an wie Wackelpudding. Und jetzt standen wir sogar schon im Flur, ich hatte also ein gutes Recht darauf aufgeregt zu sein.

„Sophia, oh Gott sei Dank bist du da!" Louis kam aus dem Wohnzimmer gestürmt. „Mach meinen Harry wieder normal!" Er schmiss sich theatralisch vor mir auf den Boden. „Ähm, okay." Ich ging einen Schritt nach hinten. „Ist er denn so... unnormal?" Fragend sah ich Liam, der hinter Louis aus dem Wohnzimmer kam, an. Irgendwie schien mir der als Quelle vertrauenswürdiger als Louis, der immer noch vor mir kniete. „Er war ziemlich fertig. Er hat ziemlich viel von diesem Brief erwartet und du hast nicht geantwortet. Seitdem ist es noch schlimmer." Louis umarmte meine Beine. Mein Gott, war der besoffen, oder was? Ich versuchte vorsichtig ihn abzuschütteln, indem ich die Beine bewegte. Keine Chance. Stattdessen ging mein Gleichgewicht fast flöten und ich hielt lieber still. „Louis, wenn du Sophia nicht loslässt, dann kann sie auch nicht zu Harry gehen", rettete Liam mich aus dieser prekären Situation. Sofort ließ Angesprochener mich los und ich stellte mich erleichtert normal hin.

„Ist was mit der Post gekommen?", brüllte jemand von oben. Harry! Sofort war ich wieder nervös. „Nein, aber-" Bevor Zayn ausreden konnte, knallte eine Tür zu. „Aber Sophia ist hier, du Idiot", beendete er seinen Satz. „Komm mit!" Louis packte meinen Arm und zog mich zur Treppe. „Wenn du mir nicht den Arm auskugelst, gerne", murmelte ich und ging hinter ihm her die Stufen hoch. Vor Harrys Tür ließ er meinen Arm wieder los und ich bewegte ihm probeweise. Schien alles noch okay zu sein. Glück für Louis.

Der klopfte an Harrys Tür und grinste dabei fröhlich. „Nein", brüllte Harry aus seinem Zimmer. Louis verdrehte die Augen, behielt sein ‚Ich-lache-über-jeden-Scheiß'-Grinsen aber im Gesicht. „Mach die Tür auf Harry!", rief er, kicherte und klopfte nochmal. Der Typ war definitiv Optimist. Die Frage war nur, ob ihm das jetzt in dieser Situation weiterhalf oder nicht. „Nein!" Anscheinend half es nicht. Louis rüttelte an der Klinke. „Beweg deinen Hintern und mach die verschissene Tür auf, hier ist 'ne Überraschung." Ein paar Sekunden später hörte man tatsächlich, wie sich der Schlüssel drehte. Louis riss die Tür auf und schubste mich ins Zimmer, was mich irgendwie daran erinnerte, wie er mich und Harry hier eingesperrt hatte. Diesmal stolperte ich jedoch nicht über den Teppich, oder über was auch immer ich an dem Tag gestolpert war, sondern prallte direkt mit Harry zusammen, der mich reflexartig festhielt. Ich schloss die Augen und genoss seine Nähe. Alles Sorgen waren verschwunden und nervös war ich auch nicht mehr. Ganz im Gegenteil, ich war komplett ausgeglichen. Glücklich. Zumindest fast, wenn wir jetzt noch über alle reden würden... „Phia, wa-was machst du denn hier?", fragte Harry überrascht, ließ mich aber glücklicherweise nicht los. Ich schlang meine Arme um seinen Bauch. „Ich bin eine doofe Kuh und hätte dir zuhören sollen", nuschelte ich an ihn gedrückt. „Du bist keine doofe Kuh", murmelte er. „Aber du hättest mir zuhören sollen, ja." Ich sah sein freches Grinsen vor mir, obwohl ich ihn nicht ansah. „Blödmann." Ich trat ihm leicht gegens Schienbein. „Ey", meinte er empört und lachte leise. „Ich hätte aber in deiner Wohnung auch nicht so ausrasten sollen, tut mir Leid." Er schob mich sanft von sich und sah mich an. „Hast du den Brief bekommen, oder warum bist du hier?" Ich sah zurück und lächelte. „Ich habe deinen Brief gelesen, ja", bestätigte ich. „Danke, übrigens. Und Zayn und Blondie waren mit dieser Jade bei mir." Sein Gesicht verdüsterte sich. „Jade war bei dir?", fragte er. Ich nickte. „Ich glaube Zayn und Blondie-" „Perrie", unterbrach er mich. Ich verdrehte gespielt genervt die Augen. „Von mir aus auch Perrie", murmelte ich. „Auf jeden Fall, glaube ich die beiden haben sie gezwungen. Sie hat erzählt, was passiert ist und Zayn hat mich hergebracht. Mal ehrlich, wer nennt sein Kind Perrie?" Perrie, Perrie, das klang doch mehr nach einem Spitznamen als alles andere. „Wer nennt sein Kind Sophia Melanie?" Harry grinste. „Als ob Harold Edward besser wäre", gab ich empört zurück, grinste aber.

„Das habe ich vermisst", meinte er und lächelte. „Was, deinen ganzen Namen? Also, dann würde ich vorschlagen du lädst deine Oma mal ein." Harry schüttelte den Kopf. „Dich, du Dussel." Und dann (endlich!) kam er wieder näher und küsste mich. Ein sanfter, unschuldiger Kuss. Ein Versöhnungskuss. „Selber Dussel", nuschelte ich gegen seine Lippen.

„Endlich!" Die Tür wurde aufgerissen und fünf Gesichter strahlten uns an. Liam, Niall, Zayn, Louis und Eleanor. Ich zuckte zusammen und wurde rot, aber Harry schien das alles nicht zu stören. Er grinste breit, legte einen Arm um mich und zuckte mit den Schultern. „Das gefällt mir besser als die Küchentischszene", meinte Louis lachend, kam weiter ins Zimmer und klopfte Harry auf die Schulter. Das Rot in meinem Gesicht wurde eine Nuance dunkler bei der Erinnerung an die ‚Küchentischszene'. Das würde uns wahrscheinlich ewig vorgehalten werden. Mann.

„Gott sei Dank", Niall stellte sich neben Louis. „Wenn das so weiter gegangen wäre, wärst du aufgegangen wie ein Hefekloß, Phi." Ich funkelte ihn wütend an, während alle anderen lachten. Bloß weil er für mich einkaufen gehen musste, weil ich nicht raus wollte, hieß das noch lange nicht, dass ich ‚aufging wie ein Hefekloß'.

Später den Abend saßen wir alle zusammen bei den Jungs auf dem Sofa, schauten fern und aßen bestellte Pizza. Ich lag halb auf Harry und lästerte zusammen mit Ele über den furchtbaren Modegeschmack der Hauptdarstellerin einer schlechtgemachten Kriminalserie, während die Jungs sich vollkommen auf die unrealistische Geschichte konzentrierten. „Sowas würde ich zum Schlafen anziehen", meinte Eleanor und ich nickte zustimmend. „Noch nicht mal zum Schlafen", korrigierte ich, nachdem man die Frau von hinten gesehen hatte. „Shh", machten die Jungs einstimmig und Harry unter mir zuckte erschrocken zusammen, als in der Serie ein Schuss fiel. Ich kicherte leise, was er überhaupt nicht registrierte, weil er wie gebannt auf den Fernseher starrte. Müde kuschelte ich mich ein bisschen enger an Harry und gähnte. Er legte einen Arm um mich und sah dann auf mich runter. „Müde?" Ich nickte. „Willst du nach Hause?" Ich schüttelte den Kopf. „Du kannst auch hier übernachten... also, wenn du möchtest..." Ich nickte wieder. „Du weißt schon, dass wir morgen früh arbeiten müssen?", zerstörte Eleanor, die aufgestanden war und ihre Sachen zusammen suchte, die schöne Vorstellung noch länger bei Harry zu bleiben. „Menno", maulte ich und blieb liegen. „Komm schon, Sophia, reiß dich zusammen." Eleanor sah mich erbarmungslos an und verschränkte die Arme. „Ich kann sie morgen auch bringen", meinte Harry und strich mir durch die Haare. Das war mein Freund. „Wenn sie hier bleibt, habe ich morgen eine total übermüdete Kollegin, die sich in Gedanken immer noch mit dir in deinem Bett befindet", stellte Eleanor nüchtern fest. „Da könntest du Recht haben", erwiderte Harry und lachte. Hallo, ich war auch noch da? Ich drehte mich so, dass ich ihn angucken konnte. „Tut mir Leid, ich hab vergessen, dass ich morgen früh anfangen muss." Er grinste. „Ich an deiner Stelle würde das auch vergessen, ich meine, in meiner Anwesenheit?" Gar nicht eingebildet, nein. „Idiot", murmelte ich und stand umständlich auf. „Phia, du stehst in meinem Blickfeld auf den Fernseher", motzte Zayn. Ich hob abwehrend die Hände, gab Harry einen Kuss, den er sehr leidenschaftlich erwiderte, was mich fast wieder auf ihn drauf fallen ließ, und kletterte dann über die Beine von Louis und Niall zu Eleanor. „Macht's gut, Jungs", rief ich in die Runde und auch Ele verabschiedete sich. Es war wieder wie vor zwei Tagen und das war gut so.

Als ich im Bett lag und über den Tag nachdachte konnte ich nicht mehr aufhören zu lächeln. Alles war wunderbar. Rosa-Einhörner-und-Zuckerwatte-wunderbar. Jade mochte ich zwar immer noch nicht wirklich, aber immerhin hatte sie genug Arsch in der Hose gehabt, um mir die Wahrheit zu sagen, wenn auch nicht freiwillig. Und Perrie war schließlich auch ganz okay, immerhin schien sie Jade dazu überredet zu haben und das rechnete ich ihr hoch an. Und Harry... Mein Harry. Er war perfekt für mich. Er war einfach ein Typ zum Pferdestehlen, jemand, der ernst und nachdenklich und ein paar Minuten später schon wieder lustig und fröhlich sein konnte. Er war alles. Irgendwann schlief ich ein, mit einem Lächeln auf den Lippen und zum ersten Mal schlief ich gut in meiner Wohnung. Ohne Albträume, ohne aufzuwachen und loszuheulen.

Tit for Tat | h.s.Where stories live. Discover now