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„Du hast nie danach gefragt, Harold."

Es gab ein Riesenspektakel. Grandma Cox gackerte wie ein aufgescheuchtes Huhn irgendwas von wegen ‚Queen getroffen' und ‚Kein Respekt' und so weiter, Harry war not amused, dass ich ihm so was wichtiges nicht früher erzählt hatte, Gemma wollte wissen, ob Prinz Harry heiß war oder die Bilder von ihm gephotoshoped wurden (definitiv Photoshop), Anne versuchte ihre Mutter zu beruhigen und Robin aß weiter an seinem monstermäßigen Stück Kuchen, was mich sehr an Niall erinnerte.

Ich fühlte mich ein bisschen verloren, mitten in dieser typischen, familiären Weihnachtssituation. Schlagartig wurde mir bewusst, dass ich das dieses Jahr nicht haben würde. Zumindest nicht mit meiner Familie und in meinem Zuhause. Dass ich mich nicht Maria streiten konnte, wer die besseren und schöneren Geschenke bekommen hatte. Dass mein Vater nicht wie gewohnt mit seiner heißgeliebten Spiegelreflexkamera jeden Schritt, jedes geöffnete Geschenk dokumentieren würde. Und vor allem, dass meine Mutter nicht wie jedes Jahr in Jogginghose und mit Schürze in der Küche stehen würde und sich darüber aufregte, dass sie alles alleine machen musste, während wir noch schnell anfingen unsere Geschenke einzupacken.

Grandma Cox' Stimme, die verkündete, dass sie sich jetzt erstmal für das Essen im Restaurant fertig machen würde und Harry aufforderte ihre Kosmetiktasche und ihren Koffer hochzutragen, riss mich aus meinen Erinnerungen.

Während Harry und Anne aufsprangen, ersterer um seiner Großmutter zu helfen, letztere um ihrer Mutter ihr Gästezimmer zu zeigen, bedeutete Robin Gemma und mir sitzen zu bleiben.

„Also", sagte er leise, nachdem auch der letzte Parfümhauch von Grandma Cox aus dem Raum verschwunden war. „Ich gehe mal davon aus, ihr habt keine Geschenke für Carol?"

Gemma schüttelte den Kopf und auch ich verneinte, nachdem mir klar geworden war, dass mit Carol Grandma Cox gemeint war.

„Harry vermutlich auch nicht?", fragte er dann. Ich zuckte mit den Schultern. Zu mir hatte Harry nichts gesagt.

Gemma schnaubte. „Wir können froh sein, wenn Harry Mum ein Geschenk gekauft hat und ihr nicht wieder einen Jahresvorrat Toblerone von der Tanke mitbringt." Ich grinste. Das hörte sich doch sehr nach Harry an.

„Das haben Anne und ich uns schon gedacht", nickte er. „Also passt auf. Anne und ich gehen jetzt mit ihr fein essen und ihr zwei fahrt los und kauft ihr ihre Lieblingspralinen und ihren Lieblingstee, die Läden haben ja noch eine Stunde auf. Harry malt so lange das Teeservice an, das Anne neulich gekauft hat."

Harry malte das Teeservice an? Skeptisch sah ich Robin an. „Harry macht was?", fragte Gemma lachend. Noch jemand, der meinen Gedankengang teilte.

Robin grinste. „Er hat Anne letztes Jahr nur Toblerone geschenkt und mir gar nichts. Rache muss sein!" Zugegeben, am Anfang war der Typ mir ein bisschen unsympathisch gewesen, aber er stieg immer mehr in meiner Achtung.

„Gut, aber du sagst ihm, dass er das macht und Sophia und ich fahren schon mal los", erklärte Gemma. Robin zuckte mit den Schultern und nickte, während wir aufstanden und lachten, als wir fast zeitgleich unsere Kleider glatt strichen.

„Kannst du mit den Schuhen Auto fahren?", fragte ich Gemma bewundernd, als sie sich mit mindestens zehn Zentimetern Absatz hinter das Lenkrad von Harrys Audi klemmte. Den Schlüssel hatte sie ihm eiskalt in der Küche abgezogen.

„Diese Karre macht doch eh alles von selber, ich muss nur lenken", winkte sie ab und drückte den Knopf, der das Auto anspringen ließ. Schließlich fuhr der stilbewusste Audi-Fahrer von heute mit Schlüssel in der Tasche, nicht im Zündschloss. Und als ob das schwarze Auto, wenn man es denn noch Auto nennen konnte, ihre Worte unterstreichen wollte, zeigte die Rückfahrkamera den Gartenzaun hinter uns und die Einparkhilfe piepte immer schneller, während sie ein Stück rückwärts fuhr.

Tit for Tat | h.s.Waar verhalen tot leven komen. Ontdek het nu