𝟒. 𝐀 𝐬𝐡𝐨𝐞𝐥𝐞𝐬𝐬 𝐜𝐡𝐢𝐥𝐝 𝐨𝐧 𝐚 𝐬𝐰𝐢𝐧𝐠

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Kapitel Vier

Es ist still Zuhause. Mein Vater ist nicht da, das einzige Geräusch ist mein Klingelton, der sich immer wieder hören lässt, wenn Luis erneut versucht, mich anzurufen. Jedes Mal höre und sehe ich es, doch bin nicht bereit den Anruf entgegenzunehmen.

Ich weiß, dass die Jungs sauer auf mich sind, weil ich sie allein gelassen habe.
Aber ich konnte nicht mehr dort bleiben.
Alles, jeder Muskel, jeder noch so kleine Bestandteil meines Körpers hat danach geschrien, zu gehen. Und ich konnte nicht widerstehen.

Ich spüre schon wie das Verlangen nach Erlösung stärker wird, doch versuche dieses gleichzeitig zu unterdrücken. Ich balle meine Hände zu Fäusten und kontrolliere meine Atmung. Ich will jetzt nicht heulen. Nicht heulen. Nicht heulen!

Ich presse meine Fingernägel in meine bloßen Handflächen, beiße meine Zähne zusammen und stoppe den Andrang.

Ich zucke zusammen. Und höre wie die Haustür hinter mir aufgeht.

"Hey, du hast mich aber erschreckt. Was machst du denn schon hier?",begrüßt mich mein Vater, als er zur Tür reinkommt.
Er legt seinen Haustürschlüssel auf einem Regal ab und zieht sich seine Jacke aus.

"Wolltet ihr nach eurem tollen Auftritt nicht feiern gehen?"

Ich zucke mit den Schultern, fahre mit meiner rechten Hand über meinen linken Arm. Verstecke meine Unsicherheit, meine Angst und meine glasigen Augen.
"Ich hab Kopfschmerzen bekommen und wollte nur noch nach Hause gehen und mich ein wenig ausruhen."

"Achso, na dann. Ich muss ja sagen, dass ich total stolz und begeistert bin. Als ihr vor eineinhalb Jahren den Keller zu eurem Proberaum umgestaltet habt, dachte ich, dass ihr das ganze nach zwei Monaten wieder aufgeben werdet. Doch bei dem, was ich bisher immer von hier oben gehört habe, muss ich sagen, dass es immer besser wurde. Und heute Abend habt ihr mich wirklich überzeugt. Ihr habt aus dieser winzigen Idee etwas so Tolles und Großes geschaffen. Ich könnte nicht stolzer sein."

Er legt seine Hand auf meine linke Schulter, sieht mich an und lächelt aufrichtig. Ich kann es nicht erwidern, doch entscheide, einfach mitzuspielen.

"Danke, Dad. Es bedeutet mir viel, dass du so denkst."

Er übt leichten Druck auf meiner Schulter aus und klopft mir dann brüderlich auf den Rücken.

"Ich geh jetzt ins Bett. Danke nochmal, dass du dir die Zeit genommen hast und gekommen bist. Das ist nicht selbstverständlich."
Er nickt mir zu.

-

Als am nächsten Tag mein Wecker klingelt, könnte ich nicht aufgebrachter sein. Vor meinen Augen spielen sich in Sekundenschnelle mein Tagesablauf und die mögliche Konfrontation mit den Jungs ab.

Bei dem Gedanken verdrehe ich die Augen, sehe nochmal hoffnungsvoll auf die Uhr, um sicherzustellen, dass es nicht doch noch mitten in der Nacht ist und ich noch reichlich Zeit zum Schlafen und Verstecken habe.

-

Mit erhobenen, dennoch total abgefuckten Blick, gehe ich über den Schulhof. Ich werde von den meisten ignoriert, von manchen dennoch angestarrt.

Keine Ahnung, vielleicht hat ihnen der Auftritt so gut gefallen, dass sie es sich jetzt herausnehmen, andere Menschen anzustarren. Wie auch immer.

"Alex!",höre ich jemanden rufen.
Mein Blick gleitet nach rechts. Dort stehen Luis, Dario, Raf und Tikei. Innerlich seufze ich, wünsche mir, dass ich einfach zu Hause geblieben wäre.

Ohne weiter zu überlegen, gehe ich zu ihnen und stelle mich schon innerlich darauf ein, mich irgendwie zu verteidigen. Habe keine Angst vor Konfrontation, eher vor mir selbst.

𝐈𝐌𝐌𝐔𝐍𝐈𝐓𝐘Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt