𝟐𝟎. 𝐒𝐡𝐨𝐰 𝐦𝐞 𝐰𝐡𝐚𝐭 𝐈 𝐜𝐚𝐧'𝐭 𝐬𝐞𝐞

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Kapitel Zwanzig

Meine Schultern werden steif, mein ganzer Körper spannt sich an und ich spüre wieder die Lawine, wie sie mich mit all ihrer Kraft unter sich verschüttet. Immer wieder flackert das Szenario vom Freitagabend vor meinem Auge. Noch hat er mich nicht gesehen. Was soll ich jetzt bitte machen? Ertrinken, schwimmen oder einfach abhauen? Soll ich ihn ignorieren, einfach an ihm vorbeigehen, ihm zunicken, ihm irgendeine Art von Aufmerksamkeit schenken?

Ayten scheint von meiner Anspannung nichts mitzubekommen, da ihr Blick auf ihrem Stundenplan verharrt. Sie läuft also unwissend neben mir her.

Okay, Alex. Sei jetzt einfach mal kein Feigling. Lauf' einfach an ihm vorbei und tu' so als ob du ihn nicht gesehen hättest. Er muss sich bei mir entschuldigen. Er muss alles wieder ins Normale rücken und es gut machen. Nicht ich. Ich trage keinerlei Schuld.

Genau das, was ich vorhabe, setze ich durch. Wir näheren uns dem Eingang immer mehr, ich fange ein belangloses Gespräch mit Ayten an und tue so, als wäre ich wirklich engagiert, diese Konversation aufrecht zu halten.
Als würde ich verzweifelt zeigen wollen, dass es mir auch ohne Luis gut geht und das zeigt doch nur, was für ein Dummkopf und wie verzweifelt ich eigentlich bin.

Ich spüre seinen Blick und den Druck seiner Augen auf mir so sehr, als würde mir jemand eine Pistole an den Kopf halten. Ich versuche mir immer noch nichts anmerken zu lassen, verstecke meine Spannung und halte diese Rolle lang genug am Leben. Bis zum Betreten des Gebäudes um genau zu sein.

-

Den restlichen Tag über schaffe ich es, Luis aus dem Weg zu gehen, wäre ihm fast auf dem Gang begegnet, doch er ist früh genug in einen anderen Flur gebogen.

Die anderen Jungs wissen vielleicht etwas von der Auseinandersetzung zwischen uns beiden, vielleicht aber auch nicht. Es ist mir auch völlig egal. Sie sind meine besten Freunde und wenn es sie stört, sollen sie es ansprechen. Mir egal.

Es ist jetzt 13:12 Uhr. Luis hat noch bis 13:45 Uhr Unterricht, da er montags Französisch belegt und der Lehrer die Stunde in die Mittagspause drückt, damit die Schüler früher gehen dürfen. Das heißt, er ist nicht im Aufenthaltsraum. Die anderen drei aber schon und genau dort finde ich sie auch wieder.

Beim Betreten des Raumes fällt mein Blick auf die drei; Dario sitzt obligatorisch vor seinem Laptop, beantwortet wohl gerade ein paar E-Mails und sofern ich das Beurteilen kann, sieht es ganz danach aus, als würde Tikei Raf wieder ärgern. Seine lauten Kommentare könnte man wahrscheinlich noch zwei Schulflure weiter hören und Raf scheint das auch deutlich unangenehm zu sein.

"Alex!",schreit Tikei euphorisch, als er mich sieht, steht auf einmal auf und nimmt mich ohne Vorwarnung in den Arm.
Meine Augen weiten sich, ich weiß nicht wie ich reagieren soll, also schaue ich einfach zu Raf, der meinen Blick erwidert.

"Hat er was getrunken?",frage ich sofort an ihn gerichtet, doch er schüttelt seinen Kopf.
"Nein, er hat eine 2 in LF 3 geschrieben",antwortet Raf und sein Gesicht wird ein wenig weicher, als Tikei sich schließlich löst und wieder neben ihn setzt. Ti legt einen Arm um seine Schulter.

"Glückwunsch, Kevin. Deine erste Zwei seit.. mhh.. der siebten Klasse?",provoziere ich ihn spaßend.

"Vorsicht, Alexander",sagt er bedrohlich und hebt den Mittelfinger der Hand, die um Rafs Schulter geschlungen ist.

"Kannst du das glauben? Es ging um fucking GmbHs und so'n Scheiß und ich hab's einfach hinbekommen. Wie geil ist das Leben bitte?"

"Ja, sehr geil",kommentiere ich ungebeten bitter und setze mich endlich neben Dario.
Ich halte ihm einen Stick entgegen.

𝐈𝐌𝐌𝐔𝐍𝐈𝐓𝐘Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt