𝟑𝟐. 𝐀𝐩𝐨𝐜𝐚𝐥𝐲𝐩𝐬𝐞

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Kapitel Zweiunddreißig
(Trigger Warning am Ende des Kapitels)

Fin meldet sich nicht. Wir sehen uns nicht in der Schule. Ich weiß, er war da, aber wir haben uns nicht gesehen. Ich weiß nicht, was los ist, suche verzweifelt nach einem Fehler, der ihm an mir aufgefallen sein könnte, weshalb er sich von mir fernhält, doch auch wenn ich viele Fehler gemacht habe, fühlt es sich mal ausnahmsweise nicht danach an, als wäre ich schuld. Und doch regt es mich auf. Warum ist alles zwischen uns so kompliziert?

Ich habe ihm vor einer halben Stunde geschrieben, dass ich mich mit ihm treffen will, wir wollten uns ursprünglich heute sogar treffen, ein bisschen chillen, eventuell zusammen ins Kino gehen oder einfach nur kuscheln und die Nähe des anderen genießen, doch jetzt habe ich das Gefühl, dass das alles nicht funktionieren wird, da er sich einfach nicht meldet.

Ich sitze im Auto meines Vaters vor der Auffahrt von Fins Haus und sehe hoch zu dem Fenster. Es ist nicht abgedunkelt, sondern ganz normal offen und ich frage mich, wo das verdammte Problem liegt.

Mir kommt plötzlich die Situation vom Mittwoch wieder in den Sinn, wie Jonas und Miles ihn bedroht und was sie über ihn gesagt haben. Ich habe genau gesehen, wie sehr es Fin verletzt hat und ich werde alles dafür geben, dass sie damit aufhören, aber ist er vielleicht deshalb so abwesend? Hat ihn das so sehr getroffen? Keine Ahnung.

Auf jeden Fall hupe ich. Dreimal. Und kein Lebenszeichen von ihm.

Ich warte noch fünf Minuten, dann wird es mir zu blöd und ich will gerade den Motor starten und wegfahren, als sich plötzlich doch die Haustür öffnet und Fin nach draußen kommt. 

Er scheint das Auto wiederzuerkennen und kommt mit langsamen Schritten auf mich zu. Die Beifahrertür öffnet sich und Fin steigt ein, setzt sich, schnallt sich an.

"Hallo",sage ich etwas zu bitter und sehe von ihm weg, warte bis sich die Tür schließt, dann starte ich den Motor.

"Hallo."

Ich sehe nochmal zu ihm, dann nach vorne auf die Straße und fahre los.

"Du hast dich nicht gemeldet",fange ich nach einiger Zeit der Stille an und denke nicht daran, ihm dabei in die Augen zu sehen. Mein Blick bleibt weiterhin zur Straße gerichtet und wir fahren schon seit mindestens fünf Minuten in eisiger Stille.

"Ja",sagt er, "ich konnte nicht."
Ich verziehe genervt mein Gesicht, linse kurz zu ihm und schüttele den Kopf.

"Ja, genau." Ich seufze und spüre, wie mich etwas von innen erdrückt. Die Lawine steigt ganz langsam zurück in meinen Körper und ich spüre jetzt schon, wie sich der kalte Schnee in meinen Adern festsetzt.

Daraufhin sagt er nichts, sondern beißt sich einfach nur auf die Unterlippe und mir reicht es. Ich fahre rechts ran, an ein Waldstück mit Parkplatz und parke, schalte den Motor aus und lege meine Autoschlüssel auf meinen Schoß, dann in meine Finger, um damit zu spielen.

"Gott",sage ich und schnaube, "was ist los?!"

Fin lugt nur mit seinen Augenwinkeln zu mir, hat seinen Kopf zu seinem Fenster gedreht und beobachtet, wie es draußen langsam dunkler wird. Ich seufze laut.

Ich könnte jetzt wirklich eine Zigarette gebrauchen. Nur gut, dass ich heute schon zwei geraucht habe. Und 'n bisschen Gras für heute Nacht ist auch noch da.

Ich sehe wieder zu Fin.

"Schau, wenn du immer noch aufgebracht oder sonst was bist, wegen dem, was am Mittwoch passiert ist, dann musst du das halt mal ansprechen. Ich kann doch nicht in dich reinschauen!"

𝐈𝐌𝐌𝐔𝐍𝐈𝐓𝐘Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt